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Kinder werden bei Kontrollen versteckt

Auf dem Bogyoke-Markt von Myanmars ehemaliger Hauptstadt Rangun zeigt sich das neue touristenfreundliche Gesicht des Landes: T-Shirts aus Biobaumwolle mit Bildern von Pagoden und dem Konterfei der Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung Sang Suu Kyi, „made in Myanmar“. Eine Autostunde außerhalb von Rangun, wo keine Touristen hinkommen, sieht die Sache anders aus.

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Im Umland der 7,5-Millionen-Einwohner-Stadt haben sich in den letzten Jahren jede Menge neuer Textilfabriken angesiedelt. Dort wird Kleidung für den Weltmarkt produziert, zu Billiglöhnen und unter sehr fragwürdigen Bedingungen. Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie gehört auch Kinderarbeit dazu. Mehr als 400 Fabriken gibt es inzwischen, mit 400.000 Arbeitern, fast alles Frauen. Weltmarken wie H&M und adidas lassen dort produzieren, aber auch Aldi/Hofer, Tchibo und Jack Wolfskin.

Boom auch dank unverbrauchten Images

Der südostasiatische Staat hat sich seit seiner Öffnung - das Militär gab einen Teil der Macht an Suu Kyi ab, die jetzt als Staatsrätin de facto die Regierung führt - zum Boomland der Textilindustrie entwickelt. Myanmar ist bei zumindest teilweise bewusst kaufender Kundschaft noch nicht mit negativen Assoziationen behaftet wie etwa Bangladesch nach dem Einsturz einer Textilfabrik im April 2013 mehr als 1.100 Todesopfern.

So wird Myanmars Bekleidungsindustrie das Geschäftsjahr 2016/17, das diesen Monat endet, mit einem Rekord beenden. Das Handelsministerium erwartet Exporte von mehr als 1,8 Milliarden Dollar (etwa 1,7 Mrd. Euro), ein Großteil davon nach Europa. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das ein Plus von mehr als 85 Prozent. Geht das so weiter, wird das Ziel von vier Milliarden Dollar bis 2020 locker erreicht.

„Ethische und nachhaltige Produktion“ versprochen

Hinter vielen Fabriken steckt allerdings ausländisches Geld, aus China vor allem. Stoffe, Knöpfe und Reißverschlüsse werden importiert; in Myanmar wird dann nur noch geschnitten und genäht. Zum Plan, „Made in Myanmar“ zum Standard für eine „ethische und nachhaltige Produktion“ zu machen - wie es im Verhaltenskodex des nationalen Textilverbandes heißt -, passt das nicht. Vor allem aber gibt es inzwischen auch massive Kritik an den Arbeitsbedingungen.

Die holländische Organisation SOMO veröffentlichte kürzlich eine Studie, für die mehr als 400 Arbeiter aus zwölf Fabriken befragt wurden. Laut SOMO sind extrem niedrige Löhne und Überstunden die Regel, Kinderarbeit ist keine Ausnahme. Weil der Mindestlohn von umgerechnet 2,50 Euro pro Tag auch hier nicht zum Leben reicht, müssen viele Überstunden machen. In Hlaing Tharya - einem der Vororte von Rangun, wo die Textilfabriken stehen - dauert der Arbeitstag meist von 8.00 bis 22.00 Uhr, sechs Tage die Woche.

„Die schulden mir Geld“

Auch Kinder arbeiten in den Fabriken von Hlaing Tharya. Manche zeigen den Ausweis von erwachsenen Verwandten vor, um an den Job zu kommen. Bei Kontrollen ist es angeblich gängige Praxis, von den Vorgesetzten in die Küche oder auf die Toilette geschickt zu werden. Mittlerweile kam es in mehreren Fabriken in Hlaing Tharya zu Protesten. Zum Zentrum hat sich die Firma Hundred-Tex entwickelt, ein chinesisches Unternehmen, das für H&M produziert.

In der Fabrik schlugen Arbeiter im Zorn über Entlassungen und ausbleibende Gehälter Maschinen und Überwachungskameras kaputt. Die Produktion steht schon seit Wochen still. Eine der protestierenden Frauen, Chit Su Wai, sagt: „Es tut mir leid, dass wir Schaden angerichtet haben. Aber die schulden mir Geld.“ Der 23-Jährigen zufolge geht es um 20.000 Kyat. Umgerechnet sind das nicht einmal 14 Euro. Aber für sie ist das der Lohn von fünfeinhalb Tagen Arbeit.

Westliche Konzerne sehen keine Schuld bei sich

Das Problem haben auch die internationalen Konzerne längst erkannt. Mehrfach wurden in Rangun nun schon „Ethikkonferenzen“ organisiert. Adidas betont, dass die SOMO-Vorwürfe den Sportartikelhersteller nicht betreffen. „Der durchschnittliche Monatsverdienst der Angestellten in unseren Zulieferfabriken liegt mehr als doppelt so hoch wie der Mindestlohn“, sagt eine Sprecherin.

H&M verweist darauf, dass sich alle Zulieferer in Myanmar zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns verpflichtet hätten. „Es ist von größter Wichtigkeit für uns, dass all unsere Produkte unter guten Arbeitsbedingungen hergestellt werden.“ Und Kinderarbeit sei „absolut unakzeptabel“.

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