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„Vogue Arabia“ als jüngster Coup

Burberry, Mango, DKNY und Hilfiger: Kaum ein großes Modehaus kann es sich noch leisten, „Modest Fashion“ - die „sittsame Mode“ für religiöse Frauen - zu ignorieren. Die Modezeitschrift schlechthin, die „Vogue“, expandiert gerade in arabische Länder. Die milliardenschwere Bekleidungskette Uniqlo verkauft die inzwischen vierte Kollektion, die sie als „mit traditionellen Werten“ vereinbar beschreibt.

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Ihre Kleidung wird inzwischen in Geschäften in Asien, den USA und Kanada verkauft. Große Designermarken aus den USA und Europa bringen eigene Ramadan-Kollektionen zum Fastenmonat der Muslime heraus. Westliche Ketten nehmen vermehrt Waren ins Sortiment auf, die ein bisschen länger sind, etwas weiter geschnitten oder hochgeschlossen. Sie sind für Frauen gemacht, die zahlungskräftig und modebewusst sind - und die nicht wollen, dass ihr Kleidungsstil in Konflikt mit religiösen Werten gerät.

„Bis jetzt nicht zur Kenntnis genommen“

Nike veröffentlichte kürzlich Werbung mit kopftuchtragenden Frauen unter dem Motto: „Wenn wir im Sport gleich sein können, können wir überall gleich sein.“ Vorreiter war hier der schwedische Bekleidungsriese H&M, der bereits 2015 die erste Frau mit Hidschab in einer Werbekampagne präsentierte. Es war das 24-jährige muslimische Model Mariah Idrissi. Sie lebt in London, hat Eltern aus Pakistan und Marokko und hat vor Kurzem bei einer renommierten britischen Agentur einen Vertrag unterschrieben - als erstes Model mit Hidschab.

„Es ist ja nicht so, dass wir plötzlich angefangen haben, Kopftuch zu tragen“, so Idrissi zum Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg. „Diese Industrie gibt es schon sehr lange. Sie wurde bis jetzt nur nie zur Kenntnis genommen“. Nun hat sich das offenbar geändert.

In London wurde im Februar im Rahmen der Fashion Week unter großem Medieninteresse auch die „Modest Fashion Week“ abgehalten. Dabei strömten rund 3.000 Besucher in die Londoner Saatchi Gallery, um die Shows der mehr als 40 Designer zu sehen.

Orient und Okzident

Der jüngste Coup der Modeindustrie ist der Start einer eigenen „Vogue“ für die arabische Welt. Die Ikone der Modezeitschriften wird ab Sonntag in Englisch und Arabisch in Ländern wie Katar, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten erhältlich sein. Das US-Model Gigi Hadid ziert das Cover und sorgte schon vorab für große Berichterstattung.

Hadid, die palästinensische Wurzeln hat, ist darauf mit einem zur Hälfte bedeckten Gesicht zu sehen - der Schleier ist üppig verziert, die Augen stark geschminkt. Auf einem anderen Bild sieht man die 21-Jährige mit einem knallbunten Kopftuch - ein Spiel mit gesellschaftlichen Erwartungen.

„Als Halbpalästinenserin bedeutet es mir die Welt, auf dem ersten Cover der ‚Vogue Arabia‘ zu sein, und ich hoffe, dass dieses Magazin eine andere Seite des Wunsches der Modeindustrie zeigen wird, zu akzeptieren, zu feiern, und alle Menschen und Bräuche zu verkörpern (...)“, schrieb Hadid auf ihrem Instagram-Account.

Die neue Edition ist der 22. Ableger der „Vogue“. Ein Onlineportal besteht schon seit Längerem. Chefredakteurin der „Vogue Arabia“ ist die saudische Prinzessin Dina al-Dschuhani (Deena al-Juhani) Abd al-Asis. Laut ihren Worten vereint Hadid unterschiedliche Welten. Mit einem Bild spreche sie mit mehr als tausend Worten zu der Region, die so lange auf die Stimme der Modezeitschrift gewartet habe, sagte Abd al-Asis zur BBC.

Auch in Judentum und Christentum

Auch auf akademischer Ebene ist das Thema angekommen. An der New Yorker Universität fand im vergangenen Jahr das Modesymposium „Meeting Through Modesty“ statt - längst nicht das erste seiner Art. Hier diskutierten religiöse Fashionistas, wie man Glaube und Mode zusammenbringen kann, sowohl im Islam, als auch im Christen- und im Judentum.

„Es ist generell ein Irrglaube, dass ein sittlicher Kleidungsstil von Natur aus unterdrückend ist“, sagte die Hauptrednerin des Symposiums, Michelle Honig, zur „New York Times“. Honig ist orthodoxe Jüdin und Modejournalistin. „Wenn sich Frauen in den sogenannten liberalen Ländern dazu entschließen, ihre Körper zu bedecken, dann ist das ihre Entscheidung.“ Die Symposien, Modeschauen und Blogs zeigen dabei, dass religiöse Zielgruppen angesprochen werden, aber auch nicht religiöse Frauen die Stücke annehmen.

Im Netz an Bedeutung gewonnen

Der Markt bleibt aber eindeutig auf muslimische Mode fokussiert. Beinahe zwei Drittel der Muslime weltweit sind dem Pew Research Center zufolge unter 30 - und damit die beliebteste Zielgruppe. Im Jahr 2015 haben muslimische Frauen laut einem Report von Thomson Reuters rund 44 Milliarden US-Dollar (41,8 Mrd. Euro) allein für „Modest Fashion“ ausgegeben.

Models bei einer Fashion-Show

AP/Dita Alangkara

Modeschau in Indonesien: Farbenfroh, extravagant - und bedeckend

Am Beginn der neuen Aufmerksamkeit der großen Marken steht eine Art Graswurzelbewegung: Bloggerinnen und Amateurdesigner, die über die Sozialen Medien Millionen Follower und potenzielle Kunden sammelten. Einige wenige Stars dieser Branche verdienen inzwischen gutes Geld mit Berichterstattung und Trendsetting der „Modest Fashion“.

„Konsumenten fürs Leben“

„Heutzutage haben ist der größte Teil der Millennials muslimisch“, sagte Alia Khan, Vorsitzende des Rats für Islamische Mode und Design (IFDC) zum US-Sender CBS. Und nach der Finanzkrise 2008 hätten sich viele westliche Modehäuser nach neuen Absatzmöglichkeiten umsehen müssen, so Khan. Seither habe der Zweig der „Modest Fashion“ immer weiter an Bedeutung gewonnen. „Wenn man diesen Markt kennt, weiß man, dass diese Konsumenten sich kaum je wieder abwenden. Wenn sie sich einmal festlegen, dann bleiben sie dabei“, so Khan. „Diese Käufer sind sehr begehrt. Wenn man sie einmal gewonnen hat, sind sie Konsumenten fürs Leben“.

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