Mit Riesenschritten zur Ökoenergie
154 Transformatoren, 6.000 Kilometer Kabel, 2,5 Millionen Solarmodule und nur acht Monate Bauzeit: Die Zahlen der Betreibergesellschaft Adani zum Solarkraftwerk im südindischen Kamuthi sind beeindruckend. Seit gut einem Monat produziert es dort mit einer Kapazität von bis zu 648 Megawatt Strom - und hat damit die Topaz Solar Farm in Kalifornien als stärkstes Solarkraftwerk der Welt abgelöst.
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Kamuthi steht stellvertretend für die Ambitionen eines Landes, das in den vergangenen fünf, sechs Jahren eine energiepolitische Kehrtwende vollzogen hat. Abgesehen von Wasserkraftwerken in seinen nördlichen Gebirgen behandelte Indien seine erneuerbaren Energien geradezu stiefmütterlich. Bis 2010 spielten Wind- und vor allem Solarenergie in der Planung des Landes so gut wie keine Rolle.
Inzwischen hat sich dieses Bild deutlich gewandelt. Allein im vergangenen Jahr hat das Land seine Erzeugungskapazität für Solarstrom fast verdoppelt auf nun knapp zehn Gigawatt, die Kapazität für Windenergie beträgt inzwischen knapp 29 Gigawatt. Weitere Großprojekte mit einer gemeinsamen Kapazität von knapp 20 Gigawatt für beide Energieträger seien bereits vergeben, hieß es aus dem Ministerium für erneuerbare Energien. Derzeit haben in Indien alle Kraftwerke zusammen eine Kapazität von über 300 Gigawatt.
Ökostrom inzwischen günstiger als konventioneller
Das Wachstum von Ökostrom soll sich besonders stark beschleunigen: Bis 2022 sollen in Indien alle erneuerbaren Energien für die Stromversorgung zusammen auf eine Kapazität von 175 Gigawatt ausgebaut werden. „Wenn die Nachfrage nach Strom weiter so schnell steigt, sollte es kein Problem sein, dieses Ziel zu erreichen“, sagt Jeevan Jethani vom Ministerium. „Rechnet man die Baukosten der Kraftwerke ein, ist Ökostrom in Indien inzwischen günstiger als konventioneller Strom.“
Rund 2.500 Kilometer nördlich vom Solarkraftwerk in Kamuthi befindet sich das Büro von A. K. Gupta. Er ist einer der Chefs der Metro in Delhi und dort zuständig für die Elektrik. „Wir wollen Solarzellen mit einer Kapazität von 50 Megawatt auf den Dächern unserer Stationen und Bürogebäude installieren“, sagt er. „Zwei Fünftel davon sind schon erreicht.“
Noch einige Herausforderungen
Auf die Idee mit den Solardächern hat ihn die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gebracht. Die Deutschen entwickelten zusammen mit den Indern ein Finanzierungsmodell, bei dem die Betreibergesellschaft Geld spart und gleichzeitig die Umwelt schont. Gupta will nun sogar weiteren Solarstrom zukaufen, aus einem Kraftwerk im Bundesstaat Madhya Pradesh. „Mehr als 100 Megawatt gehen aber nicht, auch wenn ich das gerne hätte“, sagt er. „Wir brauchen mehr Übertragungswege für solche Strommengen. Außerdem können wir den Solarstrom nirgendwo speichern.“
Damit spricht er zwei der Probleme an, die die indische Euphorie für erneuerbare Energien doch noch bremsen könnten. Dazu gehören mangelnde Speicherkapazitäten, zu wenige Hochspannungsleitungen, Finanzierungsengpässe und zu wenig Fachpersonal.
Effiziente Speichersysteme dringend nötig
Noch kann Indien Schwankungen in der Energieversorgung durch seine hohe Produktion an Kohleenergie ausgleichen. Doch je höher der Anteil von Wind- und Solarstrom wird, desto mehr muss sich das Land über Möglichkeiten Gedanken machen, die Versorgung auch durch Speichersysteme zu stabilisieren - und die sind teuer. Auch bei der Finanzierung seiner Kraftwerke ist das Land auf Kapital aus dem Ausland angewiesen. Sollten die Zinsen deutlich steigen oder das Vertrauen der internationalen Investoren wieder schwinden, lauern auch hier Gefahren für die Ausbaupläne.
„Rund zwei Drittel der Jobs in Zusammenhang mit erneuerbaren Energien brauchen eine mittlere bis hohe Qualifikation“, sagt Kanika Chawla und weist damit auf ein weiteres mögliches Problem hin. Sie ist Forscherin beim CEEW, dem indischen Rat für Energie, Umwelt und Wasser. „Wir müssen uns heute darum kümmern, dass es genügend Ausbildungsprogramme gibt, wenn das Wachstum anhalten soll.“
An der Lösung des Problems fehlender Leitungen ist eine weitere deutsche Institution beteiligt. Die Entwicklungsbank KfW vergab Kredite von gut einer Milliarde Euro für „Green Energy Corridors“, die den Ökostrom vom Erzeuger dorthin transportieren sollen, wo er gebraucht wird. Mindestens eine weitere Milliarde fließt im Rahmen der deutsch-indischen Solarpartnerschaft, die zum Beispiel den Ausbau von Solarzellen auf indischen Dächern fördern soll.
Stefan Mauer, dpa
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