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Kein Preis für „Toni Erdmann“

Eine skurrile Panne hat Montagfrüh die 89. Verleihung der Oscars überschattet. Ausgerechnet in der Königskategorie „Bester Film“ verlas Laudator Warren Beatty den falschen Gewinner. Die Trophäe ging nicht an „La La Land“, sondern an „Moonlight“.

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Der Fehler fiel einem der Produzenten von „La La Land“ auf, als das gesamte Team bereits auf der Bühne stand. Nach kurzer Verwirrung gab Moderator Jimmy Kimmel schließlich den richtigen Gewinner offiziell bekannt. Beatty, der den Preis gemeinsam mit seinem „Bonnie und Clyde“-Kostar Faye Dunaway präsentierte, entschuldigte sich auf der Bühne für seinen peinlichen Fehler.

Der 79-jährige US-Schauspieler hatte das falsche Kuvert in der Hand - jenes für die Kategorie „Beste Hauptdarstellerin“, die zuvor „La La Land“-Schauspielerin Emma Stone für sich entschieden hatte. „Deshalb habe ich gezögert und Faye angesehen“, sagte ein sichtlich reuiger Beatty, „ich wollte mir keinen Scherz erlauben!“

Barry Jenkins und Tarell Alvin McCraney

Reuters/Lucas Jackson

Das „Moonlight“-Team darf doch noch jubeln: Der Autor des Theaterstücks, auf dem der Film basiert, Tarell Alvin McCraney (l.), und Regisseur Barry Jenkins. Gemeinsam schrieben sie das Drehbuch.

Oscars aus der Hand genommen

Dabei hatten die „La La Land“-Produzenten bereits ihre Dankesworte gesprochen, als auf der Bühne sichtbar wurde, dass etwas schiefgegangen war: Ein Producer mit aufgesetzten Kopfhörern betrat die Bühne und nahm den angeblichen Gewinnern die Oscars wieder aus der Hand.

Schließlich ergriff Produzent Jordan Horowitz das Wort: „Es tut mir leid, da ist ein Fehler passiert. ‚Moonlight‘, ihr habt den besten Film gewonnen“ - und er fügte hinzu: „Das ist kein Witz. ‚Moonlight‘ hat in der Kategorie ‚Bester Film‘ gewonnen.“ Als Beweis dafür nahm Horowitz Beatty die Karte aus der Hand und hielt sie in die Kamera. In der Zuschauermenge konnte man „Moonlight“-Regisseur Barry Jenkings sehen, wie er sich völlig ungläubig eine Hand vor den Mund hielt.

Auch Moderator Kimmel entschuldigte sich und versuchte die Situation durch einen Witz zu retten: „Ich persönlich mache dafür Steve Harvey verantwortlich.“ Harvey hatte einmal die falsche Kandidatin zur Miss Universe ausgerufen. Die „New York Times“ brachte es auf den Punkt: Ein solches Alptraumszenario als Plot in einem Hollywood-Film wäre nur unglaubwürdig („If it were a Hollywood movie, you’d never believe it“).

Jordon Horowitz, Jimmy Kimmel und Warren Beatty

Reuters/Lucy Nicholson

„La La Land“-Produzent Horowitz gerade noch mit Oscar neben dem verwirrten Beatty und Präsentator Kimmel

Auch „Moonlight“-Regisseur ausgezeichnet

„Moonlight“ erzählt die Geschichte eines jungen schwulen Afroamerikaners, der in den 80er Jahren im von Armut und Drogen gebeutelten Viertel Liberty City in Miami aufwächst, in drei prägenden Lebensabschnitten. „Moonlight“-Regisseur Barry Jenkins war zuvor auch mit dem Oscar für das beste adaptierte Drehbuch ausgezeichnet worden.

„La La Land“-Regisseur Damien Chazelle darf sich über den Oscar für die beste Regie trösten. Mit 32 Jahren ist er der jüngste Regisseur, der je mit einem Oscar bedacht wurde. In seiner Dankesrede erwähnte Chazelle sowohl seine Mitnominierten als auch sein Team, seine Familie und schließlich seine Lebensgefährtin. Das Musical wurde insgesamt in sechs Kategorien prämiert, blieb aber hinter den Erwartungen zurück.

Stone und Affleck beste Schauspieler

In den Schauspielkategorien gingen die Preise heuer wie bereits erwähnt an Stone und Casey Affleck („Manchester by the Sea“). In ihrer Dankesrede ehrte die 28-Jährige ihre Mitnominierten, allen voran Meryl Streep. Affleck bedankte sich ebenfalls bei seinen Mitnominierten Denzel Washington und Viggo Mortensen für ihre Inspiration. Er sei sprachlos, sagte der jüngere Bruder von Hollywood-Star Ben Affleck. „Manchester by the Sea“-Regisseur Kenneth Lonergan durfte sich über den Oscar für das beste Originaldrehbuch freuen.

„The Salesman“ und die US-Einwanderungspolitik

Die deutsch-österreichische Oscar-Hoffnung „Toni Erdmann“ von Regisseurin Maren Ade ging unterdessen leer aus. In der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ wurde „The Salesman“ des iranischen Regisseurs Asghar Farhadi. Für Farhadi ist es der zweite Auslandsoscar nach „Nader und Simin - Eine Trennung“ 2012. Farhadi blieb der diesjährigen Gala aus Protest gegen die neue US-Einwanderungspolitik fern.

Asghar Farhadi

Reuters/Lucy Nicholson

Farhadi blieb der Verleihung fern und ließ ein Statement verlesen

Eine Vertreterin verlas auf der Bühne ein Statement des Regisseurs, in dem er davor warnte, die Welt „in Kategorien von ‚uns‘ und ‚den Feinden‘ einzuteilen“. Das würde zu Furcht und in weiterer Folge zu Kriegen führen. „Diese Kriege verhindern Demokratie und Menschenrechte in Ländern, die ihrerseits bereits Opfer von Aggression waren.“ Zuvor hatten bereits alle fünf nominierten Regisseure in einem gemeinsamen Brief das „faschistische und nationalistische Klima, das wir derzeit in den USA erleben“, verurteilt.

Ein politisches Werk setzte sich auch in der Kategorie „Bester Dokumentar-Kurzfilm“ durch. Orlando von Einsiedels Film „Die Weißhelme“ handelt von der Arbeit der gleichnamigen Hilfsorganisation in Syrien. Der Regisseur forderte in seiner Dankesrede die Besucher des Dolby Theatre auf, aufzustehen und so für ein rasches Ende des syrischen Bürgerkrieges einzutreten.

Jungpapa und Oscar-Gewinner

Erster Preisträger des Abends war Mahershala Ali: Der kalifornische Schauspieler wurde für seine Darstellung eines kubanischen Drogenhändlers, der in „Moonlight“ einen jungen Außenseiter unter seine Fittiche nimmt, als bester Nebendarsteller ausgezeichnet.

Der 43-Jährige nahm den Preis aus den Händen der Vorjahresgewinnerin Alicia Vikander entgegen und dankte seiner Ehefrau, die vor vier Tagen das erste gemeinsame Kind zur Welt brachte. „Ich will ihr dafür danken, dass sie während dieser ganzen Zeit (der Preissaison, Anm.) eine Kämpferin war, die mir geholfen und mich durch den ganzen Prozess hindurch getragen hat.“

Als beste Nebendarstellerin wurde Viola Davis ausgezeichnet. Die 51-Jährige war zum dritten Mal nominiert. Auf der Bühne dankte sie unter anderen „oh captain, my captain Denzel Washington“, der bei „Fences“ die Hauptrolle spielte und Regie führte. Sie sei Künstlerin geworden, „weil das der einzige Beruf ist, der es feiert, was es heißt, ein Leben zu leben“.

Siebenstundendoku holt Oscar

Der Oscar für den besten Dokumentarfilm ging an Ezra Edelman mit „O.J.: Made in America“. Mit sieben Stunden und 47 Minuten ist die Doku der längste jemals mit einem Oscar prämierte Film. Regisseur und Produzent Edelman widmete den Preis auf der Bühne den beiden Mordopfern Nicole Brown Simpson und Ron Goldman sowie „allen Opfern von Polizeigewalt und rassistisch motivierten Gewalttaten“: „Es ist genauso ihre Geschichte wie jene von Nicole und Ron.“

Die ersten politischen Statements hatte es bereits auf dem roten Teppich gegeben. Stars wie Lin-Manuel Miranda und Ruth Negga trugen die blaue Schleife als Zeichen der Solidarität mit der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU), die juristisch gegen den von US-Präsident Donald Trump erlassenen Einreisebann für Bürger von sieben mehrheitlich muslimischen Ländern vorging.

Timberlake tanzt mit den Stars

Die Show eröffnet hatte Sänger Justin Timberlake, der mit dem oscarnominierten Song „Can’t Stop the Feeling“ aus dem Animationsfilm „Trolls“ für gute Stimmung sorgte, seine Performance ins Publikum trug und mit den anwesenden Hollywood-Stars tanzte.

Moderator Kimmel, der heuer zum ersten Mal durch die Zeremonie führte, verströmte gleich in seiner Eröffnungsrede gute Laune - und hielt die erwartete Kritik am US-Präsidenten im witzigen Bereich. So freute er sich über 225 Länder, in die die Oscar-Show übertragen werde - „Länder, die uns alle hassen“. Außerdem würde Trump „die Welt umdrehen“ - in den nominierten Filmen dieses Jahres würden Schwarze die NASA retten und Weiße den Jazz. Außerdem begrüßte er die „völlig überschätzte“ Meryl Streep - ebenfalls eine Anspielung auf Trump, der die Schauspielerin mit denselben Worten geschmäht hatte.

Im Laufe des Abends zeigte sich Kimmel immer wieder bissig. Als die Präsidentin der Oscar-Akademie, Cheryl Boone Isaacs, eine eher lieblos gestaltete Anti-Trump-Rede hielt, in der sie Inklusion und die „Zauberkraft des Films“ beschwor, kommentierte Kimmel: Das sei so bewegend gewesen, jetzt könne man auch den achten Teil der Filmserie „Fast and Furious“ machen.

Touristen auf der Bühne, Süßigkeiten von oben

Als kleinen Gag hatten sich Kimmel und die Oscar-Akademie etwas Besonderes einfallen lassen. Eine kleine Gruppe zufällig ausgewählter Touristen wurde vom Moderator durch den Saal geführt, wo ihnen unter anderen die Schauspieler Nicole Kidman, Ryan Gosling und Emma Stone vorgestellt wurden. Die Besucher filmten fleißig mit ihren Handys. Jennifer Aniston überreichte einer Besucherin ihre Sonnenbrille. Bereits zuvor hatte Kimmel für überraschende Momente während der Verleihung gesorgt, als er kleine Sackerln gefüllt mit Süßigkeiten an Fallschirmen von der Decke schweben ließ.

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