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„Auf den Boden der Realität zurückgeholt“

Die Realität für einen Abend aussperren - und gegen Glanz und Glamour eintauschen: Dafür steht der Wiener Opernball wie kaum eine Veranstaltung. Doch dieses Jahr konnte sich das Fest am Ring der Wirklichkeit nicht zur Gänze verschließen. Der Tod von Gesundheits- und Familienministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) ging vielen Ballgästen nahe.

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Auch beim 61. Opernball wurde bis in die Morgenstunden getanzt. Doch nicht jedem der Gäste war dieses Jahr nach Feiern zumute. Viele Politiker verließen den Ball bereits kurz nach der Eröffnung, darunter Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ).

Bundeskanzler Christian Kern und Bundespräsident Alexander van der Bellen

ORF.at/Roland Winkler

„Mit Sabine Oberhauser verlieren wir eine hervorragende Ministerin und einen großartigen Menschen“, sagte Kern

Der Staats- und der Regierungschef waren zuvor im Rahmen der Fernsehübertragung jeweils alleine vor die Kamera getreten, um Oberhausers Angehörigen ihr Beileid auszudrücken. „Manche Ereignisse holen einen auf den Boden der Realität zurück“, sagte Kern mit tränenerstickter Stimme.

TV-Übertragung zwischen Feier und Trauer

Was bedeutet das für ein Fest, das zuallererst sich selbst feiern möchte? Die Frage wurde zum Subtext des Abends - und noch mehr der Fernsehübertragung. Neben den Aussagen von Kern und Van der Bellen, die dafür alleine vor die Kamera traten, kamen auch viele der anderen Ballgäste in den Interviews auf den Tod der beliebten Politikerin zu sprechen. Die darauf folgenden - offenbar obligatorischen - „leichten“ Fragen wirkten dann manchmal fast deplatziert.

Sensibilisiert waren wohl auch viele vor den Fernsehschirmen. Bereits zu Beginn der Übertragung hatten Moderatorin Mirjam Weichselbraun und ihr Gegenpart Alfons Haider des Todes Oberhausers gedacht. Etwas unglücklich sprach Weichselbraun dabei davon, dass der Ball vom Tod der Ministerin „überstrahlt“ werde. Die Wortwahl ließ die Wellen in Sozialen Netzwerken hochgehen - und die Moderatorin sich in der Früh dafür entschuldigen.

Gedämpfte Farben in der Oper

Auch die Ballorganisatoren reagierten auf den Todesfall. Noch vor der Eröffnung wurde es eine Minute still in der Oper. Die Trauerminute hatte Neo-Ballchefin Maria Großbauer auf Bitte von Bundeskanzler Kern kurzfristig angesetzt. Natürlich nicht kurzfristig - und auch nicht auf die traurige Nachricht hin - geplant war der diesjährige Blumenschmuck. Und doch wirkten die pastellfarbenen Arrangements aus Rosen und Ginster, als wäre es ihre Aufgabe, dem Fest eine gedämpfte Note zu verleihen.

Womöglich wäre der Ball in diesem Jahr auch ohne die traurige Nachricht eine Spur dezenter ausgefallen als seine Vorgänger. Großbauer hatte im Vorfeld angekündigt, wieder mehr die Kernkompetenz des Hauses am Ring in den Fokus zu rücken: die Oper. Die Gäste bekamen ein neues Konzept präsentiert, in dem das Musiktheater noch mehr als bisher herausgestrichen wurde - von zahlreichen Opernanspielungen während der Eröffnung bis zur Gestaltung der Räume abseits des Ballsaals.

Gesittete Gäste

Auch wenn es sich kaum planen lässt: Skandale oder Skandälchen, wie sie in der Vergangenheit manchen Ball prägten, blieben gänzlich aus. Richard Lugners Ballgast Goldie Hawn wurde ihrem Ruf als Star ohne Allüren gerecht. „Sie ist lustig, sie ist freundlich, sie ist pünktlich, sie macht Schmähs. Super“, so Lugner. Für ihn war es „der schönste Opernball“ überhaupt.

Eindrücke vom Opernball 2017

ORF.at/Roland Winkler

Scappucci und Kaufmann haben ihr Opernballdebüt

Ein ganz besonderer Ball war es auch für die Italienerin Speranza Scappucci. Sie dirigierte als erste Frau das Wiener Staatsopernorchester während der Eröffnung. Die Musiker spielten zuerst die weltberühmte Ouvertüre zu „Carmen“ von Georges Bizet, bevor sie Startenor Jonas Kaufmann bei der Arie „La fleur que tu m’avais jetee“ aus „Carmen“ sowie „Dein ist mein ganzes Herz“ aus „Das Land des Lächelns“ von Franz Lehar begleiteten. Scappucci und Kaufmann ernteten tosenden Applaus.

Künstlerisches „Alles Walzer“

Die 144 Debütantinnen und Debütanten hatten heuer unter der Leitung von Ballprofi Roman Svabek die „sehr liebliche und beschwingte“ Polka „Künstler-Gruß“ von Josef Strauß einstudiert. Dabei bildeten die Debütantinnen und Debütanten kleine Rosenformationen. Am Ende überreichten die Herren den Damen schließlich in Anspielung auf die Oper „Der Rosenkavalier“ die silberne Rose. Mit „An der schönen blauen Donau“ von Johann Strauß Sohn schlossen die Debütanten ihren Auftritt ab.

Aus den Reihen der Künstler kam schließlich das obligatorische „Alles Walzer“, das die Tanzfläche auch für das Publikum freigab. Innerhalb kürzester Zeit verwandelte sich das Parkett in eine Menge aus Fracks, Hochsteckfiguren und wogenden Ballkleidern, bis kein Durchkommen mehr war - nicht anders als all die Jahre zuvor.

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