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Sorge um deutsche Standorte

Der deutsche Autohersteller Opel könnte bald ein Teil des französischen Peugeot-Konzerns (PSA) werden. PSA sowie der Opel-Mutterkonzern General Motors (GM) bestätigten am Dienstag Gespräche über einen Verkauf des GM-Europageschäfts an die Franzosen. Zum Europageschäft von General Motors gehören Opel sowie die britische Schwestermarke Vauxhall.

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Ein PSA-Konzernsprecher sprach von „strategischen Initiativen“, mit denen der französische Konzern seine Position stärken wolle. Eine davon sei der Erwerb von Opel. Die Konzerne würden zurzeit verschiedene Möglichkeiten zur Expansion und Kooperation ausloten. Zwei mit der Situation vertraute Personen sagten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, die Gespräche seien fortgeschritten, eine Vereinbarung könne binnen Tagen verkündet werden. Die beiden Autohersteller arbeiten seit 2012 bei verschiedenen Projekten in Europa zusammen.

Die französische Regierung signalisierte bereits Rückendeckung. Ein Vertreter des französischen Wirtschaftsministeriums sagte, die Pariser Regierung unterstütze das Management „bei seinem Wunsch, eine kritische Masse zu erreichen“. Die Regierung werde aber genau darauf achten, welche Konsequenzen sich aus dem Geschäft für die Arbeitsplätze ergäben.

Deutsche Politik fühlt sich übergangen

Kritischer waren die Stimmen aus Deutschland. Für Kritik sorgte, dass die Verhandlungen bisher ohne jedwede Einbeziehung der Belegschaft und Politik geführt worden seien. Es sei „inakzeptabel“, dass die beiden Unternehmen vorab nicht Betriebsrat, IG Metall sowie Landes- und Bundesregierung von ihren Plänen informiert hätten, sagte die deutsche Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD).

Es wäre eine beispiellose Verletzung sämtlicher deutscher wie europäischer Mitbestimmungsrechte, sollten sich die Meldungen über Gespräche zwischen PSA und dem Opel-Mutterkonzern General Motors bestätigen, hieß es am Dienstag auch von der für die deutschen Opel-Werke zuständigen IG Metall Bezirk Mitte in Frankfurt. Zugleich erklärte die Gewerkschaft aber ihre Bereitschaft zur vorbehaltlosen Prüfung der Vorschläge.

Folgen für Standorte ungewiss

Erste Medienberichte thematisierten am Dienstag bereits mögliche negative Folgen für den deutschen Autohersteller. Opel würde im Falle eines Verkaufs an Peugeot „am seidenen Faden hängen und könnte seine Interessen kaum durchsetzen“, zitiert die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) einen Insider der Autobranche. „Das wären zwei Hersteller mit Produktionsstandorten in Europa, da würde man sicher konsolidieren“, sagte der deutsche Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer gegenüber der „Welt“. „Das macht die Opel-Standorte in Deutschland noch unsicherer. Es ist fraglich, ob alle einen Verkauf überstehen würden.“

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte, sie hoffe, dass eine mögliche Übernahme von Opel durch PSA keine negativen Folgen für den Standort Kaiserlautern haben werde. Der Autohersteller hat in Deutschland außerdem Standorte am Stammsitz Rüsselsheim sowie in Eisenach. Rund 35.600 Mitarbeiter beschäftigt Opel in Europa, davon mehr als die Hälfte in Deutschland.

Unternehmen seit Jahren in roten Zahlen

Opel wurde 1862 in Rüsselsheim bei Frankfurt gegründet und 1929 vom US-Konzern GM übernommen. Doch seit 1999 lieferte das Unternehmen keinen Gewinn mehr bei seiner Mutter ab. Auch ein jahrelanger Sanierungsplan brachte das Unternehmen bisher nicht aus den roten Zahlen. Das Unternehmen musste in den vergangenen Jahren den Wegfall des kompletten russischen Marktes wie auch die Folgen der „Brexit“-Entscheidung für den größten Einzelmarkt Großbritannien verkraften. Werke in Antwerpen und Bochum wurden geschlossen. Ein Gewinn ist nun erst für 2018 geplant.

Auch bei PSA mit Sitz in Paris fuhr Konzernchef Carlos Tavares in den vergangenen Jahren einen harten Sanierungskurs - unter anderem mit Werksschließungen und Jobabbau. Um das vor drei Jahren stark angeschlagene Unternehmen zu retten, schoss unter anderem der französische Staat Geld zu und hielt zuletzt rund 14 Prozent der Anteile. Der Konzern beschäftigte zuletzt rund 184.000 Mitarbeiter.

Zweifel an Strategie

2013 hatten Opel und PSA eine gemeinsame Produktion vereinbart. Die ersten Gemeinschaftsautos aus dieser Allianz laufen derzeit von den Bändern und sollen die Angebotslücke von Opel bei den auf städtische Belange getrimmten Mehrzweckfahrzeugen (SUV/CUV) schließen. Sollte der nun angestrebte Deal zwischen Peugeot und Opel zustande kommen, hätte die europäische Autoindustrie einen deutlichen Schnitt vor sich. Zusammen mit Opel könnte Peugeot damit an Renault vorbeiziehen und nach Volkswagen zum zweitgrößten Hersteller auf dem Kontinent werden.

Allerdings wäre das Unternehmen auch nach einer Opel-Übernahme in den Wachstumsmärkten China und Südamerika viel zu schwach vertreten, warnt Dudenhöffer gegenüber der dpa. „Die sitzen gemeinsam auf der kleiner werdenden Scholle Europa.“ Die Meinung teilt auch sein Kollege Stefan Bratzel von der FH Bergisch-Gladbach. „Opel hilft PSA außerhalb Europas kein Stück“, so der Professor für Automobilwirtschaft.

Auf dem europäischen Automarkt ist vorerst aber kein großes Wachstum zu erwarten. Zwar stieg die Zahl der Pkw-Neuzulassungen im Jahr 2016 auf 14,6 Millionen Stück - der höchste Absatz seit neun Jahren. Für das laufende Jahr erwartet der Branchenverband ACEA allerdings ein deutlich schwächeres Wachstum.

Bereits einmal Verkauf geplatzt

Es wäre im Übrigen nicht das erste Mal, dass Verkaufspläne für Opel im letzten Moment abgesagt werden. 2009 war General Motors infolge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise schwer angeschlagen. Opel arbeitete anschließend an einem Konzept zur Trennung von dem Mutterkonzern. Im Sommer 2009 hatten sich der deutsche Bund, Länder, GM und das US-Finanzministerium nach langem Poker mit dem österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna auf ein Rettungskonzept geeinigt - im November des gleichen Jahres beschloss GM aber, Opel doch zu behalten.

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