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Taliban gewinnen zunehmend an Einfluss

Seit Jahren tobt in Afghanistan der Konflikt zwischen den vom Westen unterstützten Regierungstruppen und den radikalislamischen Taliban. Nach dem weitgehenden Rückzug der NATO- und US-Kampftruppen verzeichneten die Extremisten wieder große Gebietsgewinne. Nun geht es darum, wie man der Taliban-Offensive entgegentreten kann - es ist auch ein Strategiespiel zwischen Russland und den USA.

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So bot Russland den USA und der NATO zuletzt eine neue Zusammenarbeit an. Man sei bereit, die Kooperation zu erneuern, um gemeinsame Ziele zu erreichen, hieß es von russischer Seite. Ein „hastiger Abzug“ ausländischer Militärs werde „unvorhersehbare Konsequenzen“ haben. Auch der Kommandant der amerikanischen und internationalen Streitkräfte in Afghanistan, US-General John Nicholson, hatte für eine Aufstockung seines Truppenkontingents um mehrere tausend Soldaten plädiert.

Taliban „legitimiert und unterstützt“

Gleichzeitig zeigte sich, dass es zum Umgang mit den Taliban anscheinend unterschiedliche Auffassungen gibt - zumindest steht ein entsprechender Vorwurf im Raum: Der US-Kommandant behauptete, Russland wolle den USA und der NATO in Afghanistan schaden. Moskaus Ziel sei es, die Taliban zu „legitimieren und zu unterstützen“. Schnell kam das Dementi: Die wenigen Kontakte, die Russland zu den Taliban habe, seien dazu da, die Extremisten an den Verhandlungstisch zu bewegen.

Schickt Trump mehr US-Truppen?

Die Forderung Nicholsons steht auf der einen Seite - was US-Präsident Donald Trump für Afghanistan plant, ist aber noch ungewiss. Zuletzt hatte Trump gegenüber dem afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani zwar die Wichtigkeit der „strategischen Partnerschaft“ betont und auch Unterstützung zugesagt. Ferner soll Trump Ghani gesagt haben, er überlege, mehr Truppen zu schicken. Eine Afghanistan-Strategie wurde aber noch nicht vorgelegt.

Doch sind neue Vorwürfe in Zusammenhang mit den 2016 stark gestiegenen US-Luftschlägen aufgetaucht: So sollen durch US-Luftangriffe auf Stellungen der Taliban in der Südprovinz Helmand auch viele Zivilisten getötet und verletzt worden sein. In der Nacht auf Freitag hätten US-Streitkräfte in drei Dörfern im Bezirk Sangin mindestens 19 Menschen getötet und etwa 20 verletzt, sagte ein Stammesältester, Haji Saifuddin Sanginwal.

Die meisten zivilen Opfer durch Luftschläge seit 2009

Der Sprecher der US- und der NATO-Streitkräfte in Afghanistan, General Charles Cleveland, sagte, man sei sich der Vorwürfe bewusst. „Wir nehmen sie sehr ernst und arbeiten mit unseren afghanischen Partnern daran, das verfügbare Material zu sichten.“ In Helmand bekriegen einander afghanische Streitkräfte und Taliban derzeit besonders heftig. Immer wieder müssen die USA mit Luftangriffen helfen. Die UNO berichte, dass es das Jahr mit den meisten zivilen Opfern von Luftschlägen seit 2009 war.

Kabul kontrolliert nur noch 60 Prozent des Landes

Noch dazu können die Luftschläge den Taliban-Vormarsch kaum bremsen: Kabul verliert nach Angaben des US-Militärs immer mehr Gebiete an die Taliban. Weniger als 60 Prozent des Landes sei noch unter Kontrolle der afghanischen Behörden, heißt es in einem am Mittwoch vorgelegten Bericht der Agentur für den Wiederaufbau des Landes an den US-Kongress unter Berufung auf Schätzungen des US-Militärs.

Der Einflussbereich der Regierung habe damit gegenüber dem Vorjahr um weitere 15 Prozent abgenommen. Die afghanischen Sicherheitskräfte bauten Personal ab, während die Zahl der Zwischenfälle sowie der Einfluss der Regierungsgegner stiegen. Zudem würden immer mehr Stützpunkte im Land aufgegeben, um die Kräfte in den am stärksten bedrohten Gebieten zusammenzuziehen.

Zahl der zivilen Opfer erreicht neuen Höchststand

Gleichzeitig erreichte die Zahl der toten und verletzten Zivilisten im Land einen neuen Höchststand. Die UNO registrierte im vergangenen Jahr 11.418 Fälle, heißt es in einem aktuellen UNO-Bericht zu den zivilen Opfern des Krieges zwischen Taliban und afghanischer Regierung. Das sei ein Anstieg von drei Prozent gegenüber 2015. Besonders stark sei die Zahl der Opfer unter Kindern gewachsen - um 24 Prozent. Fast jedes dritte Opfer sei nun ein Kind.

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