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Irakisches Parlament fordert „Vergeltung“

Das von US-Präsident Donald Trump verhängte Einreiseverbot für Bürger aus sieben Ländern mit muslimischer Mehrheit sorgt weiter für große Aufregung, Chaos auf den Flughäfen und landesweite Proteste. Trump verteidigte am Montag seine vorab nicht angekündigte Maßnahme - doch die Kritik, das Weiße Haus agiere unprofessionell und amateurhaft, wird immer lauter.

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Die Anordnung wurde Freitagnachmittag von Trump unterzeichnet und unmittelbar in Kraft gesetzt - also mit Einsetzen des Wochenendes und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem die Behörden weniger gut besetzt sind und sich zugleich das Reiseaufkommen verstärkt. Die am meisten betroffenen Behörden - Grenzschutz und Einwanderung - wurden laut „New York Times“ telefonisch erst davon in Kenntnis gesetzt, als Trump das Dekret unterschrieb.

Möglicherweise waren die inhaltlich zuständigen Ministerien, das Außen- und Heimatschutzministerium, in die Vorbereitung des Dekrets gar nicht eingebunden. Das behaupten jedenfalls Mitarbeiter beider Ministerien, während der Stabschef im Weißen Haus, Reince Priebus, das Gegenteil betonte: Die Ministerien hätten sehr wohl am Erlass mitgearbeitet. Seit Tagen kursieren in Medien immer wieder Berichte, dass oft selbst innerhalb des Stabs im Weißen Hauses nicht alle Zuständigen in Entscheidungen einbezogen oder rechtzeitig informiert werden.

Alleingang ohne Vorankündigung

Dazu kommt, dass angesichts des überraschenden Vorgehens bei allen Betroffenen und den Behörden Unklarheit bestand und besteht, welche Regeln nun im Detail gelten und wer davon betroffen oder ausgenommen ist. Die Folge war und ist ein Chaos auf Flughäfen - in den USA und auch international, da in nicht wenigen Fällen Passagiere gleich am Antritt ihres Fluges gehindert wurden.

Protest und Unterstützung

Seit Tagen mobilisiert das Dekret Kritiker und Gegner. Sie gingen in zahlreichen Städten auf die Straße. In Sozialen Netzwerken gab es harsche Kritik an ebenso wie Unterstützung für Trumps Schritt.

Die verbündeten Staaten der USA - insbesondere jene, die vom Einreiseverbot direkt betroffen sind wie der Irak - wurden entgegen dem üblichen Vorgehen nicht im Vorhinein informiert. Auch Europas Regierungen wurden von der Anordnung offenbar überrascht.

Richterin: Nicht durchdacht

Nicht nur Kommentatoren in mehreren US- und internationalen Medien fanden am Wochenende das Vorgehen ungewöhnlich, ja unprofessionell. Der US-Korrespondent der BBC, Anthony Zurcher, fragte sich etwa in seinem Kommentar, ob das derzeit die „Stunde der Amateure“ im Weißen Haus sei.

Auch jene Richterinnen und Richter, die noch am Wochenende einstweilige Verfügungen gegen Teile von Trumps Dekret verhängten, machten klar, dass sie aus juristischer Sicht den Inhalt nicht unbedingt für professionell halten: „Ich glaube, die Regierung hatte nicht die Gelegenheit, das wirklich durchzudenken“, sagte etwa die Bundesrichterin Ann Donnelly.

Proteste in einem Flughafen in Seattle

APA/AP/Genna Martin

Kundgebung auf dem Flughafen in Seattle

Neben zahlreichen Demokraten, die das Dekret grundsätzlich ablehnen, machte auch der Republikaner und Vorsitzende des Ausschusses für Außenpolitik im Senat, Bob Corker, klar, dass der Erlass schlecht umgesetzt sei. Die Regierung müsse unverzüglich Änderungen daran vornehmen.

Kritik von Republikanern und Diplomaten

Trump gerät mit dem Erlass erstmals unter Druck: Ihm droht zwar keine Gefahr vom US-Kongress, dafür aber ein sich länger hinziehender Rechtsstreit vor zahlreichen Gerichten. Am Ende dürfte der Rechtsstreit vom höchsten US-Gericht entschieden werden - und Trump immer wieder einholen. Von republikanischen Abgeordneten war bisher nur vereinzelt öffentlich Kritik zu hören. Die prominenten US-Senatoren John McCain und Lindsey Graham warnten, Trumps Erlass könnte Terroristen neue Munition liefern, anstatt die USA sicherer zu machen, was ihnen prompt eine Tweet-Rüge von Trump eintrug.

Trotz der wenigen kritischen Stimmen ist bekannt, dass die Republikanische Partei ein generelles Einreiseverbot für Muslime ablehnt. Mit der Auswahl der Länder und der expliziten Ankündigung von Trump, Christen aus diesen Ländern prioritär aufzunehmen, kommt das einem Einreiseverbot aufgrund der Religion zumindest nahe.

Widerstand gibt es auch von diplomatischer Seite: Mehrere US-Diplomaten protestierten offiziell gegen die Einreiseverbote. Wie ein Ministeriumssprecher in Washington mitteilte, benutzten die Diplomaten für ihren Protest einen offiziellen internen Kommunikationskanal des State Department. Es war aber unklar, wie viele Diplomaten die offizielle Protestnote unterzeichneten, die zunächst nicht veröffentlicht wurde. Nach US-Medienberichten sollen es mehrere Dutzend sein.

Trump beharrt auf Dekret

Trotz wachsenden Widerstands gegen sein Einreiseverbot für viele Muslime gibt sich Trump unbeirrt. Es gehe ihm darum, die USA zu schützen, sagte er in einer Mitteilung. Mehrere amerikanische Unternehmen reagierten beunruhigt auf die Maßnahme.

Proteste in einem Flughafen in New York

APA/AP/Craig Ruttle

Demonstrationen in New York

Trumps Verfügung hatte Hunderte Menschen in Verzweiflung gestürzt und zu chaotischen Szenen auf zahlreichen Flughäfen geführt. Bürgerrechtsorganisationen erreichten in der Nacht auf Sonntag aber einen wichtigen Teilsieg vor einem Bundesgericht. Demnach dürfen nach der Trump-Verfügung von Freitag auf US-Flughäfen gestoppte und festgehaltene Menschen zumindest vorerst nicht in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden. Der New Yorker Richterspruch gilt landesweit. Er legt auch nahe, dass der Erlass zumindest in Teilen gegen die US-Verfassung verstoßen könnte.

Brüssel prüft Dekret

Die EU-Kommission sagte am Montag, man analysiere die Situation, die derzeit „nicht klar“ sei. Man wolle aber verhindern, dass EU-Bürger mit bestimmten Doppelstaatsbürgerschaften nicht mehr in die USA einreisen dürfen. Das irakische Parlament reagierte empört und forderte in einer Entschließung die eigene Regierung auf, „Vergeltung“ für die Maßnahme zu üben.

Trump verteidigt sich mit Obama

Trump verteidigte sich damit, dass sein Vorgänger Barack Obama 2011 sechs Monate lang Visa für irakische Flüchtlinge verweigert und damit einen ähnlichen Schritt unternommen habe. Die in seiner Direktive genannten - mehrheitlich islamischen - Staaten seien bereits zuvor von der Obama-Regierung als Quellen des Terrorismus identifiziert worden.

„Um es klarzumachen: Das ist kein muslimischer Bann, wie die Medien es falsch berichten. Hier geht es nicht um Religion - es geht um Terror und darum, unser Land zu schützen“, fuhr Trump fort. Hätte man das Verbot vorher angekündigt, hätten sich die „Bösen“ beeilt, noch in die USA zu kommen, so Trump.

90-tägiger Totalstopp

Das Weiße Haus war bemüht, die Folgen des Einreiseverbots herunterzuspielen. „Tatsache ist, dass gestern 325.000 Menschen aus dem Ausland in die Vereinigten Staaten gekommen sind, und 109 wurden zwecks weiterer Befragung festgehalten. Die meisten wurden herausgelassen“, sagte Priebus dem Sender NBC. Schätzungen von US-Medien lagen etwa doppelt so hoch.

Trump hatte als ein Kernstück seines Anti-Terror-Kampfes einen 90-tägigen Einreisestopp für Menschen aus den mehrheitlich islamischen Ländern Syrien, Iran, Irak, Sudan, Somalia, Libyen und Jemen verfügt. Flüchtlinge aus aller Welt sind für 120 Tage ausgesperrt, jene aus Syrien sogar auf unbestimmte Zeit. Trump will die Verbote erst dann wieder aufheben, wenn „angemessene“ Überprüfungsmechanismen sicherstellten, dass keine „radikalen islamischen Terroristen“ in die USA gelangten.

Betroffen von der Maßnahme sind einstweilen ganz andere: So wurde am Montag eine christliche Flüchtlingsfamilie auf dem Weg in die Vereinigten Staaten wieder zurück in das Bürgerkriegsland Syrien geschickt. Die Familie wurde von einem Transitflughafen wieder zurück nach Beirut gebracht, wie Sicherheitskreise aus dem Libanon berichteten. Die Familie befinde sich auf dem Weg zurück in ihre Heimat. Trump hatte noch am Wochenende getwittert: „Christen wurden im Nahen Osten in großer Anzahl exekutiert. Wir können nicht erlauben, dass dieser Horror weitergeht.“

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