23 Punkte für Wirtschaft und Arbeit
35 Seiten dünn, aber vier Milliarden Euro schwer: Das neue Arbeitsprogramm der Regierungskoalition soll zum einen - guten - Teil durch Budgetumschichtungen, zum anderen Teil durch Konjunktur- und Beschäftigungseffekte finanziert werden. Mit 23 Punkten ist das Kapitel „Zukunft der Arbeit, Zukunft des Standortes“ auch das umfangreichste.
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„Wir wollen unser Land wirtschaftlich nach vorne bringen, die Klein- und Mittelbetriebe unterstützen, der Industrie bessere Rahmenbedingungen bieten und auf diesem Weg zusätzliche 70.000 Arbeitsplätze schaffen, über die konjunkturell entstehenden hinaus“, lautet das in der Präambel formulierte Ziel.
Mit dem neuen Arbeitsprogramm werden zentrale Forderungen der Wirtschaft erfüllt. So gibt es etwa, um die Lohnnebenkosten zu senken, einen „Beschäftigungsbonus“ bei der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze. Beginnend mit Juli 2017 werden den Unternehmen in den nächsten drei Jahren 50 Prozent der Lohnnebenkosten erstattet.
Förderung für Start-ups und Forschungsprämie
Zudem soll die Möglichkeit der vorzeitigen Abschreibung in Höhe von 30 Prozent für Betriebe mit einer Mitarbeiteranzahl ab 250 Personen geschaffen werden. Die schon lange angekündigte Halbierung der Steuer auf Flugtickets soll am 1. Jänner 2018 kommen. Die Forschungsprämie für Unternehmen soll von zwölf auf 14 Prozent steigen. Zur Förderung von Start-ups will die Regierung „kapitalschonende“ Maßnahmen ergreifen wie staatliche Garantien, eine Flexibilisierung des Stiftungsrechts und eine Reform von Veranlagungsvorschriften.

APA/Roland Schlager
Das unterzeichnete Arbeitsprogramm
Um die umstrittenen Steuersparmodelle internationaler Konzerne wie Amazon, Apple, Starbucks & Co. einzudämmen, soll die Werbeabgabe auf den Onlinebereich ausgeweitet werden. Der Steuersatz werde dadurch bei gleich bleibendem Aufkommen reduziert, heißt es im Regierungsprogramm. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) will diesbezüglich bis Ende Juni ein Maßnahmenpaket vorlegen.
Durch die Möglichkeit der vorzeitigen Abschreibung sollen noch heuer Investitionsanreize entstehen. Die Maßnahme ist von 1. März bis Ende 2017 befristet. Begünstigt sind Investitionen in körperliche Anlagegüter wie Maschinen, ausgenommen sind insbesondere Gebäude und Pkws. Wer doch mit einer Firmengründung scheitert, soll künftig rascher einen Neustart machen können. Dazu wird das Insolvenzrecht adaptiert, die Frist im Abschöpfungsverfahren wird auf drei Jahre reduziert, und die derzeit geltende Mindestquote soll entfallen.
Strittige Kapitel an Sozialpartner ausgelagert
Bei der seit Langem umstrittenen Flexibilisierung der Arbeitszeit, der Angleichung der Pensionssysteme und dem Umsetzungsplan für einen flächendeckenden Mindestlohn von 1.500 Euro konnten sich SPÖ und ÖVP in den vergangenen Tagen nicht einigen. Diese Punkte werden an die Sozialpartner übergeben - mit dem Auftrag, bis Mitte des Jahres zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Sollten Arbeitgeber und -nehmer daran scheitern, „wird die Bundesregierung im 3. Quartal einen eigenen Vorschlag beschließen“, heißt es in dem präsentierten Papier.
Änderungen bei Arbeitnehmerschutzgesetzen
In der ersten Jahreshälfte soll es eine Novelle zahlreicher Arbeitnehmerschutzgesetze geben. Die Meldepflichten nach dem Arbeitszeitgesetz und dem Arbeitsruhegesetz werden reduziert, die Genehmigungsverfahren durch die Arbeitsinspektion ebenfalls; weiters werden die Begehungsintervalle verlängert.

APA/Helmut Forhinger
Bundeskanzler und Vizekanzler sind zuversichtlich
Für Arbeitslose werden die Bestimmungen verschärft: Ihre Mindestverfügbarkeit beträgt künftig 20 statt 16 Stunden. Wer einen weit entfernt liegenden Job annimmt, soll Förderungen erhalten. Auch soll es Unterstützung für die Übergangszeit geben, wenn der Arbeitnehmer schon eine Wohnung am neuen Arbeitsort hat, die alte Wohnung aber auch noch kurz benötigt.
Kleine Firmen erhalten künftig Erleichterungen, wenn ein Mitarbeiter krank wird. Für alle Betriebe bis zu zehn Mitarbeiter steigt der Zuschuss auf 75 Prozent der Entgeltfortzahlung. Weil es immer wieder vorkommt, dass Mitarbeiter als freie Dienstnehmer gemeldet werden, aber ein Angestelltenverhältnis vorliegt, soll es mehr Rechtssicherheit für die Firmen geben. Der Startschuss für beide Punkte soll im Juli 2017 erfolgen.
Plan zu Arbeitsmigration braucht Eingriff in EU-Recht
Die Migration auf den Arbeitsmarkt soll reduziert und begrenzt werden, das Gleiche gilt für die Auszahlung von Familienbeihilfe an Personen im Ausland. Unklar ist aber, ob in diesen beiden Punkten die Europäische Union mitspielt - schließlich ist die Arbeitsmobilität im EU-Recht verankert. Laut Regierungsprogramm sollen die „dazu notwendige Änderungen im EU-Recht der Europäischen Kommission gemeinsam mit der Ausgestaltung der Anwendung der Arbeitsmarktprüfung“ vorgelegt werden.
Hilfe für Ältere, Lehrlinge und Schwervermittelbare
Für Arbeitnehmer über 50 Jahre wird der Kündigungsschutz gelockert. Gleichzeitig sollen über eine „Beschäftigungsaktion“ 20.000 Jobs für über 50-jährige langzeitarbeitslose Menschen pro Jahr in Gemeinden, über gemeinnützige Trägervereine und Unternehmen geschaffen werden. 200 Mio. Euro stehen dafür in einem ersten Schritt zur Verfügung.
Für besonders schwer vermittelbare Personen soll ein eigenes „Case-Management“ eingerichtet werden. Erleichterungen gibt es für Lehrlinge. Alle Kosten für die Vorbereitungskurse auf die Lehrabschlussprüfung werden übernommen. Außerdem werden Auslandspraktika für Lehrlinge stärker gefördert. Dieser Punkt soll wie die meisten anderen Vorsätze bis Juli umgesetzt sein.
Vertreter der Wirtschaft teilweise zufrieden
Vertreter der Wirtschaft haben sich zumindest in Teilen zufrieden mit dem Regierungsprogramm gezeigt. Von Industriellenvereinigung (IV) über Wirtschaftsbund und Wirtschaftskammer bis zur Jungen Industrie wurden etwa die Senkung der Lohnnebenkosten, die Erhöhung der Forschungsprämie sowie die Einführung einer vorzeitigen Abschreibemöglichkeit von 30 Prozent befürwortet.
Massive Kritik übte IV-Präsident Georg Kapsch an der Auslagerung der Gespräche über eine Modernisierung der Arbeitszeit an die Sozialpartner. „Dies ist angesichts der seit Jahren auf Sozialpartnerebene ergebnislos laufenden Verhandlungen zu praktikablen Arbeitszeitgrenzen keine Lösung“, so Kapsch. Auch Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner hofft auf eine baldige Einigung.
Wirtschaftskammer- und ÖVP-Wirtschaftsbund-Präsident Christoph Leitl versicherte, hier „vonseiten der Wirtschaft konstruktive Gespräche“ führen zu wollen. Die Junge Industrie vermisst bei der Einigung grundlegende Themen wie die Pensionen. Eine Arbeitsgruppe für die Harmonisierung der Pensionssysteme sei zwar „eh nett“, aber schöpfe das Potenzial einer echten Pensionsreform, im Sinne von Generationengerechtigkeit, in keiner Weise aus, lautet die Kritik.
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