Umfassende Überwachungsmaßnahmen
Die Koalitionsverhandlungen über das Regierungsprogramm sind am Samstag mit Misstönen fortgesetzt worden. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) verkündete auf eigene Faust eine Einigung im Sicherheitsbereich. Vor allem aber will er das Gesamtpaket einer Einigung nicht unterschreiben. Dass alle Minister zum Update des Regierungsübereinkommens stehen, ist eine der SPÖ-Bedingungen.
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„Ich setzte meine Unterschrift unter mein Kapitel, was ich ausgearbeitet habe, unter sonst nichts“, sagte Sobotka am Samstag in Richtung von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ). Der hatte die Unterschriften aller Regierungsmitglieder unter eine allfällige Einigung verlangt, damit es im Nachhinein keine neuerlichen Diskussionen und Umdeutungen über deren Inhalt gebe, wie bisher eben bei Obergrenze beziehungsweise Richtwert von Asylzahlen.
Irritation in der SPÖ
Obergrenze oder Richtwert bleiben auch weiterhin umstritten. Bereits in der Früh waren Sobotka und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) zu Verhandlungen über das Thema Sicherheit zusammengetroffen. Danach verkündete der Innenressortchef eine weitgehende Einigung in diesem Bereich - abgesehen eben vom Thema „Obergrenze“ für zugelassene Asylverfahren. Hier will die SPÖ nach wie vor weder der von der ÖVP gewünschten Halbierung (von derzeit 35.000 auf rund 17.000 Asylverfahren) noch der gesetzlichen Festschreibung Folge leisten.
Das gesetzliche Festschreiben von Asylgrenzen wird auch von Experten als verfassungsrechtlich zumindest problematisch bewertet. In der SPÖ wollte man sich offiziell nicht äußern. Hinter vorgehaltener Hand zeigte man sich aber zumindest irritiert über Sobotkas Vorpreschen mit Verhandlungsdetails. Auch dass dieser zunächst davon gesprochen hatte, die Asyl-„Sonderverordnung“ zur Reduktion der Flüchtlingszahlen solle zeitnah (im Februar oder März) in Kraft treten, sorgte für Verwunderung in der SPÖ.
Teilrückzieher von Sobotka
Am Nachmittag nahm das Innenressort zumindest den verkündeten Zeitplan wieder zurück: Man habe sich mit Doskozil darauf verständigt, auf diese Maßnahme nur dann zurückzugreifen, wenn alle anderen Bemühungen zur Grenzsicherung nicht fruchten sollten. Dass SPÖ und ÖVP in Sachen „Obergrenze“ weiterhin unterschiedlicher Meinung sind, soll in dem Verhandlungspapier eigens festgehalten werden.
Laut Sobotka sollen die Grenzkontrollen stark verschärft werden. Außerdem solle dafür Sorge getragen werden, dass die „Westbalkan-Route geschlossen bleiben muss“ - ein Treffen mit den betroffenen Staaten werde organisiert. Ebenfalls auf der Liste steht laut Sobotka die verpflichtende Speicherung von Videoüberwachungsmaterial für öffentliche Betreiber (etwa ASFINAG und ÖBB) für mindestens einen Monat, wobei hier die Dauer noch strittig sein dürfte. Private Betreiber sollen auf freiwilliger Basis ihr Material zur Verfügung stellen können.
Künftig „Ausreisehaft“ möglich
Intensiviert werden sollen auch die Rückkehrberatungen sowie die entsprechenden Zahlungen an die Rückkehrwilligen. In der Zeit der Rückkehrberatung soll der Aktionsradius der Betroffenen begrenzt werden. Darüber hinaus sieht das Paket eine „Ausreisehaft“ in Höhe von 18 Monaten vor, falls der Betroffene sich nicht an die Vorgaben hält oder innerhalb einer festgelegten Frist nicht ausreist bzw. erneut illegal aufhältig aufgegriffen wird.
Aus für Wertkartenhandys?
Auch hat man sich laut Sobotka auf eine dauerhafte Kennzeichenerfassung an den Grenzen mittels Video verständigt, die wie die Videoüberwachung alle Einreisenden betreffen würde. Eine weitere Maßnahme, die laut den Angaben gegen Dschihad-Rückkehrer gerichtet sein soll, aber alle betrifft: Wertkartenhandys müssen dem Plan zufolge künftig registriert werden. Bekannte Dschihad-Rückkehrer sollen zudem elektronisch überwacht werden.
Dem Vernehmen nach sollen alle Transportunternehmen dazu verpflichtet werden, zu überprüfen, ob die Beförderten die erforderlichen Dokumente zur Einreise besitzen. Bisher ist das laut Fremdenpolizeigesetz nur bei Flugreisen, in der Schifffahrt und bei Busreisen vorgeschrieben. Künftig sollen auch die Bahn sowie Taxiunternehmen davon betroffen sein. Das würde de facto lückenlose Grenzkontrollen über den Umweg von Bediensteten dieser Unternehmen bedeuten.
Schelling sieht Finanzierung kritisch
Vor den Äußerungen Sobotkas hatte Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) gemeint, die Gespräche seien auf einem guten Weg, der „ganz große kritische Punkt“ sei aber die Finanzierung und Gegenfinanzierung des Gesamtpakets. Diese könne „nur durch Einsparungen erfolgen“, mahnte Schelling Budgetdisziplin ein. Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) warnte ebenso, dass durch den Pakt nicht „Geld mit beiden Händen aus dem Fenster gehaut“ werden dürfe - mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.
Ab dem späten Nachmittag wurde, nach Berechnungen von Experten untertags, im Bundeskanzleramt über die Finanzierung des SPÖ-ÖVP-Pakts verhandelt. Dazu traf wieder die Sechserrunde mit Bundeskanzler Kern, Kanzleramtsminister Thomas Drozda und Klubobmann Andreas Schieder auf SPÖ-Seite sowie Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, Schelling und Staatssekretär und Regierungskoordinator Harald Mahrer auf ÖVP-Seite zusammen. Sowohl Mitterlehner als auch Schieder zeigten sich nur bedingt glücklich mit dem Verlauf des Tages.
Schieder „erstaunt“ über ÖVP-Kommentare
Schieder drängte weiterhin auf „verbindliche“ und „echte“ Ergebnisse und „nicht nur Überschriften“ und zeigte sich erstaunt über einzelne Wortmeldungen von ÖVP-Seite. Hier sei auch „teilweise zurückgerudert“ worden, stellte Schieder fest. Es sei daher „manchmal besser, am Ergebnis zu arbeiten“, als vorzeitig etwas zu verkünden, konnte er sich einen Seitenhieb nicht verkneifen. Auch betonte er, es sei „wichtig, dass alle dazu stehen“. Ob es dazu die Unterschriften aller Minister brauche, sei aber letztlich die Entscheidung der Parteichefs.
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