Vorwürfe häufen sich
Nach dem Lawinenunglück in Italien haben die Helfer alle noch Vermissten tot aus den Trümmern des Hotels in den Abruzzen geborgen. 29 Leichen wurden insgesamt geborgen, wie die Feuerwehr am Donnerstag kurz nach 0.00 Uhr mitteilte. Elf Menschen überlebten das Unglück, neun davon tagelang in Hohlräumen in den Trümmern. Das nährte die Hoffnung, dass es noch weitere Überlebende geben könnte.
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Zwei Personen hatten sich im Freien aufgehalten, als die gewaltige Lawine am Mittwoch vergangener Woche über dem Hotel Rigopiano niederging. Die neun anderen - darunter alle vier Kinder, die sich in dem Hotel befanden - wurden aus den Trümmern befreit. Sie überlebten in Hohlräumen, die zum Teil nur 50 Zentimeter hoch waren, und hielten sich mit dem Lutschen von Eis über Tage hinweg am Leben.
Kinder überlebten in Billardzimmer
Die Helfer wollten nach der Rettung der neun Menschen auch noch am Mittwoch nicht ausschließen, dass man die weiteren noch vier Vermissten lebend aus den Trümmern holen würde können. Die vier Kinder etwa hatten im Billardzimmer des Hotels überlebt, das der Lawine standgehalten hatte. Bis zuletzt waren nach einer Woche gefährlicher und komplizierter Bergungsarbeiten noch immer rund 200 Helfer im Einsatz.
Nach einer Erdbebenserie hatten Schneemassen das Hotel in der Gemeinde Farindola verschüttet. Wegen meterhohen Schnees erreichten die ersten Rettungskräfte den Unglücksort erst mitten in der Nacht am Donnerstag auf Skiern. Sie verschafften sich zunächst mit Schaufeln Zutritt in das Hotel, in dem sich zum Zeitpunkt des Unglücks mehr Menschen aufgehalten hatten als zunächst vermutet.
Gäste wollten abreisen
Freitagvormittag hatte einige Angehörige die erste gute Nachricht nach mehr als 40 Stunden des Bangens erreicht: Die Einsatzkräfte orteten Überlebende und retteten schließlich mehrere Menschen. Einige von ihnen sprachen am Mittwoch mit Journalisten. Dabei schilderten sie, dass sich alle Gäste an dem Tag des Unglücks wegen der immer gefährlicheren Lage abreisebereit gemacht hatten. Die Straße vom Hotel weg war jedoch nicht geräumt.

APA/AP/Nick Dumitrache
„Ich habe noch nie in meinem Leben so viel gebetet“, sagte die Überlebende Giorgia Galassi, die das Unglück mit ihrem Freund Vincenzo Forti überlebte, am Mittwoch gegenüber der Presse
Nach dem Lawinenunglück mehren sich aus mehreren Gründen die Vorwürfe gegen die Behörden. Die Staatsanwaltschaft in Pescara ermittelt gegen unbekannt wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung. Sie geht unter anderem Anschuldigungen nach, wonach Notrufe ignoriert worden sein sollen und sich der Rettungseinsatz in der Abruzzen-Gemeinde verzögert haben soll. Es stellt sich die Frage, ob das Hotel an dem Steilhang nach den heftigen Schneefällen in der Region nicht schon vorher evakuiert werden hätte müssen.
„Regierung fürchtet sich nicht vor der Wahrheit“
Das Hotel Rigopiano liegt in 1.200 Meter Höhe unter einem Steilhang am Fuße des Bergmassivs Gran Sasso. Die Zufahrtsstraßen waren wegen des hohen Schnees vor dem Unglück nicht passierbar. Aus der Sicht von Staatsanwältin Cristina Tedeschini könnte auch in der Baugenehmigung und Eröffnung des Hotels an sich eine behördliche Verfehlung und ein möglicher Straftatbestand liegen.
Die italienische Regierung versprach eine genaue Untersuchung möglicher Fehler bei dem Rettungseinsatz. Juristische Ermittlungen würden klären, ob es Verzögerungen bei dem Einsatz gegeben habe und wer dafür verantwortlich sei, hatte Ministerpräsident Paolo Gentiloni am Mittwoch vor dem Senat in Rom gesagt. „Die Regierung fürchtet sich nicht vor der Wahrheit.“ Man dürfe aber nicht vorschnell nach einem Sündenbock suchen. Die Einsatzkräfte hätten alles in ihrer Macht Stehende getan, um Leben zu retten.
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