„Lage ist besorgniserregend“
Nach dem Lawinenunglück im Hotel Rigopiano im italienischen Ort Farindola stellen sich immer mehr Fragen zu einem möglichen Versagen der Behörden. Es geht unter anderem darum, warum eine angefragte Schneefräse zu spät beim völlig verschneiten Hotel eintraf. Zeitungen veröffentlichten am Montag eine E-Mail des Hoteldirektors, in der dieser vor dem Unglück Hilfe anforderte.
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Im Wortlaut hieß es in der Nachricht: „Die Lage ist besorgniserregend. Es liegen zwei Meter Schnee (...). Die Gäste können nicht abfahren, nach den Erdbeben sind sie in Angst und bereit, die Nacht im Auto zu schlafen.“ Der Hilferuf von Hoteldirektor Bruno Di Tommaso blieb folgenlos - wenige Stunden später riss eine Lawine mit dem Gewicht von rund 4.000 beladenen Lastwagen das Gebäude fort und begrub mehr als 30 Menschen unter sich.

APA/AP/ANSA
Faksimile der E-Mail des Hoteldirektors
Stundenlange Suche nach Schneefräse
Im Vorfeld hatte offenbar niemand mit der Lawine gerechnet, auch wenn an jenem Tag Lawinenwarnstufe vier (von fünf) gegolten hatte. „In den vergangenen 70 Jahren wurde noch nie eine Lawine in Betracht gezogen“, versicherte der ehemalige Bürgermeister von Farindola, Massimiliano Giancaterino, dessen Bruder im Hotel Rigopiano umkam. Auch Experten hielten die Gegend bisher für wenig lawinengefährdet.
Die Behörden wurden schon letzte Woche Mittwochfrüh - noch vor dem Erdbeben - informiert, dass das isolierte Hotel in Schwierigkeiten sei. Auch die Frage, wieso stundenlang ein Räumfahrzeug gesucht wurde, um die Straße zum Hotel freizuschaufeln, ruft bei den Betroffenen Wut hervor. Eine Schneefräse sei kaputt gewesen, berichteten italienische Medien. Eine andere Fräse befand sich offenbar ganz in der Nähe, doch niemand schien das zu wissen.
Ermittlungsverfahren eingeleitet
Die Staatsanwaltschaft hatte bereits am Donnerstag letzter Woche ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt eingeleitet. Der Vorwurf lautet auf mehrfache fahrlässige Tötung. Bei einem Treffen in Pescara wurde der Stand der Ermittlungen zu möglichen Verantwortlichkeiten zusammengefasst. Auch den neuen Hinweisen, wonach Notrufe nach dem Unglück nicht ernst genommen worden seien, soll nachgegangen werden.
Auch stellt sich die Frage, ob das Hotel ohne Genehmigung mitten im Naturschutzgebiet des Gran-Sasso-Massivs gebaut wurde. 1972 wurde das Hotel Rigopiano an der Stelle einer einfachen Schutzhütte in 1.200 Meter Höhe eröffnet und vor zehn Jahren zu einem eleganten Viersternehotel mit Sauna und Pool ausgebaut.
Keine Jagd nach „Sündenböcken“
Lange Zeit ermittelte die Justiz, ob Gemeindevertreter bestochen wurden, um beim Ausbau des Hotels alle Augen zuzudrücken. Im November wurden die Ermittlungen eingestellt. Regierungschef Paolo Gentiloni rief am Sonntagabend im Fernsehen dazu auf, keine Jagd nach „Sündenböcken“ zu betreiben: „Die Wahrheit soll helfen, dass die Dinge künftig besser funktionieren und nicht, alte Rechnungen zu begleichen“, sagte er.
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