Der Kaiser und die Köchin
Wer sind die Eltern des ersten Staatspräsidenten der Tschechoslowakei gewesen? Diese Frage beschäftigt nun tschechische Historiker, wie die BBC schreibt. Denn ein Buch aus dem Vorjahr vertritt die bizarre These, dass Masaryk ein unehelicher Sohn von Kaiser Franz Joseph war. Mit einer DNA-Probe soll das nun geklärt werden.
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Masaryk wurde 1850 in Hodonin in Mähren geboren. Im Jahr davor soll sich der gerade einmal 19-jährige Franz Joseph in Hodonin auf dem Schloss aufgehalten haben. „Wir wissen, dass Franz Joseph im Dezember 1849 bei seinem Weg zur Inspektion der kaiserlichen Truppen, die im Sommer den Aufstand in Ungarn niedergeschlagen haben, durch Hodonin gereist ist“, so Marek Vareka, Historiker am Masaryk-Museum in Hodonin, gegenüber der BBC.

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Tomas Masaryk
Politische Sprengkraft
Der Fall ist heikel, denn Masaryk gilt als Gründungsvater der Tschechoslowakischen Republik. Die Niederlage Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg und das Ende der K.-u.-k.-Monarchie brachten für die in Böhmen und Mähren lebenden Tschechen die ersehnte Gelegenheit, in einem eigenen Staat unabhängig zu werden. Vertreter von Exilslowaken erklärten die Bereitschaft zur Bildung eines gemeinsamen Staates. Erster Staatspräsident wurde eben der Philosoph und Politiker Masaryk. Er wird von den Tschechen auch liebevoll „Präsident der Befreier“ und „Väterchen Masaryk“ genannt. Er hatte sein Amt von 1918 bis 1935 inne.
Und Masaryks Mutter könnte laut Vareka den jungen Franz Joseph getroffen haben. Laut Vareka war es normal, dass der Stab des Kaisers örtliche junge gesunde Mädchen als Gesellschaft für ihn ausgesucht hat. Masaryks Mutter, Theresia Kropaczek, arbeitete auf dem Schloss in Hodonin als Köchin. Dort könnte laut der These Franz Joseph die 1813 geborene Kropaczek kennengelernt haben. Sie war damals rund 17 Jahre älter als der Kaiser.

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Kaiser Franz Joseph in älteren Jahren
Schwanger geheiratet
Laut dem Historiker hatte der Kaiser im Laufe seines Lebens mehrere Geliebte. Meist seien es einfache Frauen aus dem Volk gewesen, die auch älter als der Monarch waren. Laut Vareka sollen sich die Habsburger auch des Öfteren auf ihren Besitzungen in Hodonin und Holic aufgehalten haben. Vielleicht sogar im Frühjahr oder Sommer 1849. Belege wie etwa Dokumente darüber, oder ob sich Kropaczek und Franz Joseph überhaupt getroffen haben, gibt es aber nicht.
Im August 1849 heiratete dann die bereits im zweiten oder dritten Monat schwangere Kropaczek ihren Kollegen, den Kutscher Josef Masaryk. Laut Varek sprach Kropaczek auch Deutsch im Gegensatz zu dem als illiterat beschriebenen Josef Masaryk. Er sei auch unter ihrem Stand gewesen. Stutzig macht auch der Aufstieg des Kutschers bis hin zum selbstständigen Wirtshausbetreiber nach der Hochzeit.
Karriere als Beleg für „schützende Hand“?
„Viele Dinge gehen sich nicht ganz aus und machen stutzig“, so der Dokumentarfilmer David Vondracek gegenüber der BBC. So habe sich der junge Tomas Masaryk bereits als Kind in aristokratischen Kreisen bewegt. Später sei er Tutor bei reichen österreichischen Familien geworden, so Vondracek weiter.
Er sieht das als weiteren Beleg für eine „schützende Hand“ von oben - sprich Franz Joseph - an. Vondracek findet es auch bemerkenswert, dass der junge Masaryk von einer Schule in Brno geflogen sei, aber an einem der prestigeträchtigsten Gymnasien in Wien aufgenommen wurde. Auch sei einer der größten Wohltäter Masaryks der Wiener Polizeichef Anton von Le Monnier, ein Vertrauter Franz Josephs, gewesen, so Vondracek.
Komplizierter DNA-Vergleich
Eine DNA-Probe soll nun Klärung bringen. Dazu hat Vondracek sich Kleidung von Masaryk besorgt. Das genetische Material darauf soll mit dem des verstorbenen Sohnes von Tomas Masaryk, Jan, verglichen werden, um zu sehen, ob die DNA-Probe wirklich von Tomas Masaryk stammt.
In einem weiteren Schritt soll sie dann mit einer von Josef Masaryk, dem Mann, von dem man bis jetzt glaubt, dass er Tomas Masaryks Vater ist, verglichen werden. Sollten die Proben nicht die Vaterschaft Josef Masaryks belegen, soll die Probe von Tomas Masaryk schließlich mit einer DNA-Probe der Habsburger verglichen werden. Das Ergebnis soll, so die Planung, dann im tschechischen Fernsehen verkündet werden.
Historikerin: Debatte widerlich
Sie wolle das Thema ein für alle Mal erledigt haben, so die Leiterin des Masaryk-Museums, Irena Chovancikova. Deshalb habe sie auch die Kleidungsstücke für die Untersuchung zur Verfügung gestellt. „Persönlich gesagt, ich hätte mir nicht die Mühe gemacht, dieser These nachzuforschen“, so die Historikerin.
Tomas Masaryk habe immer von Josef Masaryk als seinem Vater gesprochen. Die Vater-Sohn-Beziehung sei klar zu sehen gewesen, so Chovancikova gegenüber der BBC. Die Debatte sei ihr zu sehr Boulevard gewesen, zeitweise sei die Debatte sogar widerlich gewesen.
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