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Laut Polizei Mitglied einer Terrorzelle

Tunesische Sicherheitskräfte haben drei Männer festgenommen, die mit dem mutmaßlichen Attentäter von Berlin in Verbindung stehen sollen. Einer der Verdächtigen sei der Neffe von Anis Amri, teilte das Innenministerium in Tunis am Samstag mit. Die Festgenommenen seien zwischen 18 und 27 Jahre alt.

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Der Neffe habe gestanden, dass er mit Amri auf einem verschlüsselten Weg über eine Nachrichten-App in Kontakt gestanden habe. Sein Onkel habe gewollt, dass er der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) die Treue schwöre. Auch habe er ihm Geld geschickt. Das Innenministerium bezeichnete die drei Männer als eine Terrorzelle, die Sicherheitskräfte bereits am Freitag nahe der Stadt Kairouan ausgehoben hätten. In dieser Region lebt auch die Familie von Anis Amri. Kairouan gilt als Salafistenhochburg.

Polizei will Amris Reiseroute rekonstruieren

Die italienische Polizei ermittelt um die Bahnfahrten des am Freitag getöteten mutmaßlichen Berlin-Attentäters Amri, mit denen er von Frankreich nach Mailand gelangt ist. In mehrere Züge soll der 24-jährige Tunesier eingestiegen sein, um über das französische Chambery die Kleinstadt Sesto San Giovanni nahe Mailand zu erreichen, wo er von einem Polizisten bei einer Kontrolle erschossen wurde.

Karte zur Fluchtroute des Attentäters

Grafik: APA/ORF.at

Fest steht, dass Amri am Donnerstagabend um 20.30 Uhr den Bahnhof Turin Porta Nuova erreicht hatte. Von hier aus soll er drei Stunden später an Bord eines Regionalzuges in Richtung Mailand abgefahren sein. In Mailand traf er gegen 1.00 Uhr Freitagnacht am Hauptbahnhof ein, stellten die Ermittler fest. Wie er dann nach Sesto San Giovanni weitergefahren sei und was er dort tun wollte, ist noch unklar.

Aufnahmen von Überwachungskameras

Die Ermittler prüfen Aufnahmen von Videokameras der Bahnhöfe in Turin und Mailand, auf denen Amri klar zu sehen ist. Kontrolliert werden auch die Gegenstände, die er in seinem Rucksack hatte, unter anderem eine SIM-Karte. Nicht ausgeschlossen wird, dass der Tunesier damit versuchen wollte, sich mit Bekannten in Verbindung zu setzen. Ein Smartphone hatte er jedoch nicht bei sich.

Inzwischen laufen Ermittlungen um die muslimische Gemeinschaft in Sesto San Giovanni. Seit circa 20 Jahren hat sich in der Industriestadt vor den Toren Mailands eine gut integrierte muslimische Gemeinschaft etabliert. Diese signalisierte ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Polizei, um zu klären, warum Amri nach Sesto San Giovanni gereist war.

Offenbar Verwechslung vor Moschee

Bei der Berliner Polizei meldete sich unterdessen jener Mann, der auf Bildern einer Überwachungskamera vor einer Berliner Moschee zu sehen ist und der zeitweilig für Amri gehalten wurde. Es stehe „eindeutig fest“, dass der Mann auf den Bildern nicht Amri sei, so die Polizei und die Generalstaatsanwaltschaft am Samstag.

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte bereits am Freitag unter Berufung auf das Landeskriminalamt gesagt, dass auf den Bildern nicht der mutmaßliche Attentäter vom Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz zu sehen ist. Zuvor hatte der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) berichtet, der wegen des Anschlags in Berlin verdächtige Tunesier sei in den Tagen vor und kurz nach der Tat vor der Moschee gefilmt worden.

Ermittlungen in Berlin gehen weiter

Nach Erkenntnissen der deutschen Ermittler gibt es kaum noch Zweifel, dass der bei einem Schusswechsel in Mailand getötete Tunesier für den Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt verantwortlich ist. Die Aufklärungsarbeit läuft derzeit unvermindert weiter. Nach der Geldbörse fand die Polizei nach Informationen des Magazins „Der Spiegel“ offensichtlich auch Amris Handy.

Das Mobiltelefon der Marke HTC sei beim Lkw sichergestellt worden, der am Montagabend in den Weihnachtsmarkt im Berliner Zentrum gerast war, berichtetete der „Spiegel“. Bei dem Anschlag waren zwölf Menschen getötet und mehr als 50 verletzt worden. Das Telefon werde Amri zugeordnet. Die Auswertung des Mobiltelefons durch Spezialisten der Kriminaltechnik laufe derzeit auf Hochtouren, zitierte „Der Spiegel“ aus Sicherheitskreisen.

„Akribie der Tatortarbeit“

Offenbar wurde das wichtige Beweisstück wie die Geldbörse Amris erst viele Stunden nach dem Anschlag gefunden, nämlich am Dienstag bei einer erneuten Untersuchung des Lkw durch die Spurensicherung. Auch die Fingerabdrücke Amris wurden am Fahrerhaus des Lkw sichergestellt. Es gebe auch weitere Hinweise, „dass dieser Tatverdächtige mit hoher Wahrscheinlichkeit wirklich der Täter ist“, sagte der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere.

Polizei am Tatort

APA/AP/Daniele Bennati

Amri wurde bei einem Schusswechsel mit der Polizei bei Mailand getötet

Der späte Handyfund, so heißt es aus Berliner Polizeikreisen, sei der „Akribie der Tatortarbeit“ geschuldet. Man habe nach dem Prinzip Gründlichkeit vor Schnelligkeit gearbeitet. „Es gibt kriminaltechnische Standards, wie lange kriminaltechnische Untersuchungen dauern, die halten wir auch konsequent ein“, hatte Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt gesagt.

Pistole auch Berliner Tatwaffe?

Von Interesse sei außerdem, ob die Waffe, die bei Amri in Mailand gefunden wurde, die Tatwaffe von Berlin ist, sagte der deutsche Generalbundesanwalt Peter Frank. Die italienische Polizei vermutete, dass mit der gefundenen Pistole der polnische Lkw-Fahrer in Berlin getötet worden sein könnte. Dabei handle es sich um eine nicht registrierte Waffe deutscher Produktion.

Mit dem Tod Amris seien die Ermittlungen nicht vorüber, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. „Wenn es weitere Schuldige oder Helfershelfer gibt, werden wir sie zur Rechenschaft ziehen“, so Merkel. „Wir können zum Ende dieser Woche erleichtert sein, dass eine akute Gefahr beendet ist. Die Gefahr des Terrorismus insgesamt besteht jedoch wie seit vielen Jahren weiter.“

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