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Sicherheitsrat ohne Veto Russlands

Die UNO entsendet Beobachter zur Lage der Zivilisten in die syrische Großstadt Aleppo. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen votierte am Montag einstimmig für eine entsprechende Resolution. Es ist das erste Mal seit Monaten, dass sich die Staaten in dem UNO-Gremium, darunter Russland und die USA, zu einem gemeinsamen Vorgehen im syrischen Bürgerkrieg durchringen konnten.

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Die Beobachter sollen die Evakuierungsaktionen aus dem bisher von Rebellen gehaltenen Ostteil der Stadt überwachen und über die Lage der noch verbliebenen Bewohner berichten. Alle Kriegsparteien wurden aufgerufen, die Sicherheit der UNO-Vertreter zu garantieren und ihnen freien Zugang in die Konfliktgebiete zu gewähren.

Die Resolution hätte eigentlich schon am Sonntag verabschiedet werden sollen. Die Entscheidung war dann aber nach einer russischen Vetodrohung und mehr als drei Stunden Verhandlungen hinter verschlossenen Türen auf Montag verschoben worden. Russland hatte seinen eigenen Text eingebracht. Schließlich einigten sich die 15 Mitglieder auf einen Kompromissentwurf.

UN-Sicherheitsrat stimmt ab

AP/Seth Wenig

Votum im Sicherheitsrat: Auch Russland stimmte mit

Der syrische UNO-Botschafter wertete den Beschluss als „Teil der fortgesetzten Propaganda gegen Syrien und seinen Kampf gegen Terroristen“. Frankreichs Präsident Francois Hollande forderte umgehend, die nun beschlossene Resolution müsse „den Weg zu einem Waffenstillstand und Verhandlungen“ ebnen.

20.000 Menschen in Sicherheit

Die syrischen Regierungstruppen hatten mit Unterstützung der russischen Armee und iranischer Milizen das über Jahre erbittert umkämpfte Aleppo vor wenigen Tagen zurückerobert. Zehntausende Zivilisten sollen noch im Ostteil sein, die Evakuierung läuft inzwischen. Insgesamt hätten seit dem Beginn der Transporte 20.000 Menschen die Stadt verlassen, teilte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Montag mit.

Evakuierung auch aus schiitischen Dörfern

Zur gleichen Zeit wurden etwa 500 Menschen aus den von Rebellen belagerten schiitischen Dörfern Fua und Kafraja in der Provinz Idlib gebracht, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien mitteilte. Die Dörfer werden von Regierungstruppen gehalten, sind aber von Rebellen umzingelt. Zehn Busse hätten die Ortschaften nun verlassen und seien auf dem Weg in Gebiete in Regierungshand in Aleppo, erklärte die in Syrien gut vernetzte Beobachtungsstelle. Ihre Angaben sind allerdings kaum überprüfbar.

Karte zeigt Aleppo

Grafik: APA/OSM/ORF.at; Quelle: liveuamap.com

Die Evakuierung Ostaleppos waren in den vergangenen Tagen immer wieder ausgesetzt worden. Die Pläne sind mit dem Schicksal der Dörfer Fua und Kafraja verknüpft. Am Sonntag waren mehrere Busse für die Evakuierung der beiden Ortschaften vermutlich von islamistischen Rebellen in Brand gesetzt worden, daraufhin wurden die Aktionen zunächst ausgesetzt.

Waisenkinder aus Aleppo gerettet

Auch 47 Kinder aus einem Waisenhaus in Ostaleppo wurden in Sicherheit gebracht. Einige von ihnen seien verletzt und dehydriert, teilte das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) am Montag in Genf mit. Die Evakuierung sei ein Hoffnungsschimmer für zahlreiche andere Kinder in Syrien, sagte der zuständige UNICEF-Regionaldirektor Geert Cappelaere.

Menschen sind aus Aleppo evakuiert worden

AP/Turkey Syria

Angekommen in Idlib: Die Menschen haben es aus Aleppo hinaus geschafft

Viele von ihnen seien von ihren Familien getrennt und brauchten sofortigen Schutz. Das Kinderhilfswerk helfe bei der Bereitstellung medizinischer Versorgung und Winterkleidung. Wegen einer monatelangen Blockade ist die humanitäre Lage in Ostaleppo nach Angaben von Hilfsorganisationen katastrophal.

„Twitter-Mädchen“ wohlauf

Unter den bereits aus Aleppo in Sicherheit Gebrachten war auch die sieben Jahre alte Bana al-Abed. Sie wurde durch ihre Tweets aus der umkämpften Stadt bekannt. Aktivisten verbreiteten am Montag über Twitter mehrere Bilder, die Abed im Umland der nordsyrischen Stadt zeigen. Sie sei mit ihrer Familie aus der umkämpften Stadt gebracht worden, berichtete Zaher Sahloul von der Syrian American Medical Society (SAMS) in einer Kurznachricht. Die Organisation unterstützt Krankenhäuser in Rebellengebieten.

Banas Mutter Fatima al-Abed hatte im September angefangen, im Namen ihrer Tochter Tweets aus Aleppos Rebellengebieten zu schicken. Darin berichtete sie von ihrem Leben in dem Kriegsgebiet und von den regelmäßigen Luftangriffen auf Ostaleppo. Zuletzt folgten ihr auf Twitter mehr als 320.000 Menschen. Anhänger des syrischen Regimes bezweifelten die Existenz des Kindes und bezeichneten es als Propaganda der Opposition. Die Internetplattform Bellingcat kam hingegen nach der Auswertung von Banas Tweets, Fotos und Filmen zu dem Schluss, dass die Siebenjährige tatsächlich in Ostaleppo lebt.

Treffen im Iran

Die Außenminister des Iran, Russlands und der Türkei treffen einander laut iranischen Angaben am Dienstag in Moskau zu Gesprächen über Syrien. Wegen der prekären Lage in Aleppo habe der Iran das Treffen vorgeschlagen, sagte der iranische Außenamtssprecher Bahram Ghassemi am Montag.

Der russische Präsident Wladimir Putin suchte zuvor den Schulterschluss mit seinem iranischen Kollegen Hassan Rouhani. Putin erklärte dem Präsidialamt zufolge am Montag in einem Telefonat mit dem Iraner, er wolle gemeinsam mit Rouhani möglichst rasch eine Resolution zur Lösung der Krise auf den Weg bringen.

UNO hofft auf neue Syrien-Gespräche ab 8. Februar

Die Vereinten Nationen wollen in absehbarer Zeit neue Gespräche zur Beilegung de Konflikts in Gang bringen. Ab 8. Februar sollten die am Krieg beteiligten Parteien sich wieder in Genf treffen, teilte ein Sprecher des UNO-Sondergesandten Staffan de Mistura am Montagabend in Genf mit.

Es sei ein hoffnungsvolles Zeichen, dass sich der UNO-Sicherheitsrat einstimmig für die Entsendung von Beobachtern in die nordsyrische Stadt Aleppo ausgesprochen habe. „Das könnte der Beginn der Wiederherstellung der Einheit des Sicherheitsrats sein“, hieß es vonseiten der UNO in Genf. Nun komme es darauf an, diesen Impuls zu nutzen. De Mistura werde umfassende Gespräche mit allen am Konflikt beteiligten Mächten führen, um die Runde vorzubereiten.

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