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„Weiteres Srebrenica verhindern“

Die Vereinten Nationen (UNO) wollen am Montag über eine gemeinsame Resolution zur Entsendung von Beobachtern in die syrische Stadt Aleppo abstimmen. Den Entwurf dazu hatte Frankreich eingebracht. Der französische UNO-Botschafter Francois Delattre sagte, das werde „ein weiteres Srebrenica“ verhindern.

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Laut dem von Frankreich eingebrachten Erstentwurf sollen Beobachter der UNO die Evakuierung der Stadt überwachen und den Schutz jener, die weggebracht werden wollen, gewährleisten. Zudem soll der Schutz von Zivilisten, die bleiben wollen, gesichert werden. Der Sicherheitsrat zeige sich „alarmiert“ über die sich zunehmend verschlechternde humanitäre Lage in Aleppo. Der Text hält fest, dass „Zehntausende belagerte Einwohner von Aleppo“ Hilfe brauchen und in Sicherheit gebracht werden müssen.

Tschurkin sieht „guten“ neuen Text

Bereits am Sonntag hätte ein Entschluss gefasst werden sollen. Russland drohte aber mit einem Veto gegen Text. Offenbar konnte man sich schließlich nach mehrstündigen „konstruktiven“ Verhandlungen hinter verschlossenen Türen auf einen Kompromiss einigen. Der russische UNO-Botschafter Witali Tschurkin sprach von einem „guten Text“ und kündigte an, dass am Nachmittag abgestimmt werden solle. Einige Entsandte müssten noch Rücksprache mit ihren Hauptstädten halten, sagte Delattre.

Evakuierung geht wieder voran

Nach einer Unterbrechung der Evakuierungen wurden seit Mitternacht laut der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien rund 3.500 Menschen in mindestens 65 Bussen aus Aleppo gebracht. Die UNO sprach von rund 50 Bussen.

Busse beim Veralssen der Stadt

APA/AFP/Geaorge Ourfalian

Ruinenstadt Aleppo

Zur gleichen Zeit wurden etwa 500 Menschen aus den belagerten schiitischen Dörfern Fua und Kafraja in der Provinz Idlib gebracht, wie die Beobachtungsstelle und staatliche Medien mitteilten. Die Dörfer werden von Regierungstruppen gehalten, sind aber von Rebellen umzingelt.

„Schrecklicher Zustand“

Über Nacht konnten bereits 350 Menschen aus der Stadt gebracht werden. Diese seien in einem „schrecklichen Zustand“ gewesen, so Ahmed al-Dbis, Chef einer Gruppe Mediziner und Freiwilliger, die dort die Evakuierungen koordiniert: „Sie haben nichts gegessen, sie haben nichts getrunken, die Kinder sind erkältet, sie konnten nicht auf die Toilette gehen.“

Nach Angaben der Beobachtungsstelle hatten sich für die Abreise der 350 Menschen auch Russland und die Türkei starkgemacht: Beide Länder hätten bei der syrischen Regierung darauf gedrängt, den Buskonvoi durch die Kontrollpunkte an der Straße durchfahren zu lassen. Die Beobachtungsstelle verfügt über ein Netz aus Informanten in Syrien, von unabhängiger Seite sind ihre Angaben kaum zu überprüfen.

Evakuierungsbusse angegriffen

Davor waren Busse auf dem Weg in die belagerten Dörfer Fua und Kafraja angegriffen worden. Sie hätten ebenfalls Menschen in Sicherheit bringen sollen. Bei dem Angriff wurden mehrere Fahrzeuge in Brand gesetzt und daraufhin die Evakuierung sowohl aus den beiden Dörfern als auch aus Ostaleppo ausgesetzt.

Ausgebrannter Reisebus

Reuters/Ammar Abdullah

Mehrere Busse sind vollständig ausgebrannt

In der Nähe der mehrheitlich schiitischen Orte Fua und Kafraja hatten am Sonntag etwa zwei Dutzend Bewaffnete die Busse angegriffen. Ein AFP-Korrespondent beobachtete, wie die Angreifer die Busse stoppten, die Fahrer zum Aussteigen zwangen und die Fahrzeuge beschossen. Laut der Beobachtungsstelle wurde ein Busfahrer getötet.

Laut einem Rebellenvertreter hatte die syrische Regierung die Evakuierung der beiden Dörfer zur Bedingung für weitere Evakuierungen in Ostaleppo gemacht. Auch eine Evakuierung der beiden Städte Sabadani und Madaja in der Provinz Damaskus, die von regierungstreuen Einheiten belagert werden, sei geplant.

Warten bei winterlichen Temperaturen

Die UNO schätzt, dass sich im Osten Aleppos noch 30.000 Menschen befinden. Bei Minusgraden harrten viele auf der Straße aus, um auf einen der Transportbusse zu warten. Zunächst war bereits am Samstag von einem Rebellenvertreter die Fortsetzung der Evakuierungen angekündigt worden, Busse waren daraufhin unter der Aufsicht des Roten Halbmonds und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in die Stadtteile Sabdija, Salaheddin, al-Maschhad und al-Ansari gefahren. Die Evakuierung wurde dann aber wieder ausgesetzt.

Karte zeigt Aleppo

Grafik: APA/OSM/ORF.at; Quelle: liveuamap.com

NATO-Syrien-Einsatz? „Kosten größer als Nutzen“

Warum sich die NATO im Syrien-Konflikt derartig zurückhält, erklärte Generalsekretär Jens Stoltenberg unterdessen in einem Interview. In manchen Fällen seien „die Kosten des Einsatzes militärischer Mittel größer als der Nutzen“, sagte er der deutschen „Bild am Sonntag“. „Mit Blick auf Syrien sind die NATO-Partner zum Ergebnis gekommen, dass der Einsatz von Militär eine schreckliche Situation noch schrecklicher machen würde.“

Die Lage bezeichnete Stoltenberg als „furchtbare menschliche Katastrophe“. Ein Militäreinsatz könnte aber zu einer weiteren Eskalation beitragen. „Wir würden riskieren, dass es ein größerer regionaler Konflikt wird oder dass noch mehr Unschuldige sterben“, sagte der Norweger. „Wenn wir auf jedes Problem, jede humanitäre Katastrophe mit militärischen Mitteln antworten würden, würden wir in einer Welt mit noch mehr Kriegen und Leiden enden“, so Stoltenberg.

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