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Für Hahn „künstliche Debatte“

Im Streit über die Türkei-Politik der EU hat Österreich ein Veto eingelegt. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) blockierte am Dienstag in Brüssel Schlussfolgerungen des EU-Ministerrates zur EU-Erweiterung. Kurz hatte ein Einfrieren der EU-Beitrittsgespräche verlangt. Eine Mehrheit der Staaten lehnte das ab.

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Kurz hatte auch seine Drohung bekräftigt, notfalls die Erklärung der EU-Außen- und -Europaminister zur Zukunft der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu blockieren. Er forderte erneut, dass die Gespräche wegen des Vorgehens der türkischen Regierung gegen ihre Gegner eingefroren werden. Die große Mehrheit seiner Ministerkollegen ist dagegen der Überzeugung, dass die Gespräche fortgesetzt werden sollen und dass die EU so größeren Einfluss auf die Entwicklungen in der Türkei nehmen kann.

Keine Gipfelerklärung beim EU-Rat

Der slowakische EU-Ratsvorsitzende Außenminister Miroslav Lajcak sagte in Brüssel, dass „nur eine Delegation“ ein Einfrieren der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wollte. Ohne Österreich namentlich zu nennen, sagte Lajcak, dass das „allerdings nicht auf die Unterstützung“ der breiten Mehrheit der Mitgliedsstaaten getroffen sei. Jedenfalls wird nach der Blockade Österreichs für eine einstimmige Erklärung zur Türkei das Thema auf dem EU-Gipfel am Donnerstag nicht offiziell behandelt. Es werde dazu keine Gipfelerklärung geben, wie Lajcak am Dienstag weiter ankündigte.

Sebastian Kurz, Johannes Hahn und Miroslav Lajcak

APA/Dragan Tatic

Kurz, EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn und Lajcak (v. l. n. r.) in Brüssel

Keine weiteren Kapitel werden eröffnet

Bei einem Ministertreffen wurde allerdings erstmals offiziell festgehalten, dass die Verhandlungen angesichts der aktuellen Verhältnisse in der Türkei nicht ausgeweitet werden. Bisher hatten lediglich einzelne Mitgliedsstaaten zu verstehen gegeben, dass sie derzeit keine neuen Verhandlungskapitel öffnen wollen.

Mit dem Ausweitungsstopp für die Türkei-Gespräche reagierte die EU vor allem auf das Vorgehen türkischer Behörden gegen Medien und Oppositionspolitiker. Es sei klar, dass es in Bereichen wie Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit eher Rückschritte als Fortschritte gebe, kommentierte der für Deutschland verhandelnde Staatsminister Michael Roth. „Niemand ist mit den derzeitigen Entwicklungen in der Türkei zufrieden.“

Kurz sieht „Signal“

„Es ist ein für alle Mal klar, dass keine weiteren Kapitel mit der Türkei eröffnet werden“, sagte Kurz nach den Beratungen. Er sah in der österreichischen Vetohaltung auch das Signal, dass das Europaparlament „nicht irrelevant“ sei, wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gesagt habe.

Kurz erwartet, dass es weitere EU-Diskussionen zur Türkei geben werde, vielleicht schon auf dem EU-Gipfel. Die Kluft sei nicht gelöst. Die EU habe noch nicht ausreichend eine ehrliche Positionierung zur Türkei. „Wir sind es den Menschen schuldig, die in der Türkei unterdrückt werden“, rechtfertigte Kurz seine Position. „Auch Politiker, die sich in den Spiegel schauen wollen“, müssten auf Fehlentwicklungen reagieren.

„Hätten gerne mehr erreicht“

EU-Ratsvorsitzender Lajcak „hätte offen gesagt gerne mehr erreicht. Aber ein Land war nicht in der Lage, den Kompromiss zu unterstützen, den alle anderen 27 für akzeptabel befunden haben.“ Generell sei das Engagement für die Erweiterung als Schlüsselpolitik der EU betont worden, die für Stabilisierung und Sicherheit stehe. Der Erweiterungsprozess und dessen Glaubwürdigkeit seien sehr wichtig. „Das ist eine Straße in beide Richtungen.“

Die EU müsse ihre Verpflichtungen erfüllen, und Reformen müssten schon früh in Gang gebracht werden, vor allem was Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte betreffe. „Kandidatenländer müssen zeigen können, dass sie Reformen umsetzen und dass das zu greifbaren Ergebnissen führt“, so Lajcak. Der Erweiterungsprozess sei „nicht etwas, wo wir Geschenke an die beteiligten Länder geben sollen“. Vielmehr gehe es darum, dass beide Seiten profitieren könnten.

Schweden: Konsens unter 27 anderen

27 EU-Staaten unterstützten nach Angaben des schwedischen Botschafters Lars Danielsson dagegen eine gemeinsame EU-Linie zur Türkei. „Österreich blockiert die Schlussfolgerungen des Allgemeinen Rates wegen der Türkei. Aber Konsens unter den anderen 27“, twitterte der EU-Botschafter. Die Nichteinigung hat keine unmittelbaren Konsequenzen.

„Sympathieträger gab es einige“

Am vehementesten sei Großbritannien für die EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei eingetreten, hieß es bereits im Vorfeld. „Wir haben natürlich Verbündete gehabt, sonst hätte sich der Text nicht so weit verändert“, sagte Kurz. Großbritannien sei immer hart bei Russland, gab Kurz zu bedenken. „Sympathieträger gab es einige“, so Kurz. Die Niederlande hätten sich sehr stark eingebracht, „der große Verbündete ist das Europäische Parlament“. Es sei „keine Überraschung“, dass die Meinungen zur Türkei unterschiedlich seien.

Für Hahn „künstliche Debatte“

EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn sprach seinerseits von einer „künstlichen Debatte“. Seit dem Putschversuch im Juli seien die Gespräche mit Ankara „zum Stillstand gekommen“, sagte er. Auch „in den nächsten Monaten“ erwarte er keine Bewegung. Die deutsche Regierung plädierte für eine Fortsetzung der Gespräche.

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