Ein Problem, das keiner lösen will
Weltweit gibt es mehr als 400 AKWs, allein in den USA stehen 61 mit insgesamt 99 Reaktoren. Für den gefährlichen Atommüll gibt es auf dem ganzen Planeten jedoch kein einziges fertiges Endlager. Auch in den USA wird darüber seit Jahrzehnten gestritten. Mit der neuen Regierung unter Präsident Donald Trump dürfte das Thema wieder aus der Mottenkiste geholt werden.
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Als geeignete Lösung für radioaktive Brennelemente wird die Einlagerung in tiefe Bergwerke angesehen. Doch so wie in Europa auch, etwa in Bure in Frankreich und Gorleben in Deutschland, will auch in den USA niemand ein dauerhaftes Atommülllager vor der Haustür. Das Gezerre um ein Endlager zieht sich seit drei Dekaden: 1987 wurde im US-Bundesstaat Nevada der Bergrücken Yucca Mountain als geeignetes Endlager für die rund 77.000 Tonnen Atommüll aus dem ganzen Land auserkoren. Insgesamt wurden bereits mehr als zehn Milliarden Dollar (rund 9,3 Mrd. Euro) in das Großprojekt investiert, 2011 hätte mit der Einlagerung begonnen werden sollen.

AP/John Locher
Yucca Mountain: Milliarden wurden schon investiert, um ein Endlager zu schaffen - bisher umsonst
Zurück zum Anfang
Doch der Widerstand vor allem Harry Reids, bis vor Kurzem demokratischer Senator von Nevada, war immer wieder erfolgreich. Auch Ex-Präsident Barack Obama stellte sich gegen das Projekt Yucca Mountain. Er stoppte 2009 nach langem Rechtsstreit die Pläne, ein Ausschuss sollte zunächst weitere Alternativen prüfen. Teile des Gebiets, durch das der Atommüll zum Lager transportiert werden müsste, wurden zudem zu Schutzgebieten erklärt, wie das Onlinemagazin Wired berichtete.
Auch verfügte Obama in einem Memorandum, dass Atommüll aus ziviler und militärischer Nutzung in unterschiedlichen Lagern aufbewahrt werden sollte, auch wenn das Energieministerium (Department of Energy, DOE) bestätigte, dass Yucca Mountain technisch geeignet wäre. Somit verschwand die Option Nevada vorerst in einer Schublade, einer Lösung ist man so nah wie 30 Jahre zuvor.
Zweifel an Sicherheit
Dabei wäre es höchst an der Zeit, ein Endlager zu finden: Der Atommüll wird weiterhin an Dutzenden Standorten im ganzen Land zwischengelagert, und nicht jedes Depot scheint dauerhaft geeignet. Im Jahr 2014 brachte ein Leck in einer Einrichtung in New Mexico Zweifel an der Verlässlichkeit solcher Zwischenlager auf, wie das Onlinefachmagazin Power Techology berichtete. In der Waste Isolation Pilot Plant (WIPP) geriet radioaktives Material aus einem Fass und kontaminierte die unterirdischen Tunnel der Anlage.
WIPP ist das einzige unterirdische Lager im Land. Sonst werden die nicht mehr gebrauchten, aber noch jahrhundertelang gefährlichen abgebrannten Brennelemente aus Reaktoren vorrangig in Kühlbecken auf den Arealen der AKWs aufbewahrt.
Suche nach der Zwischenlösung
In inzwischen geschlossenen Kraftwerken wie Maine Yankee im US-Bundesstaat Maine wurden etwa Silos gebaut, um die radioaktiven Überreste zu lagern. Im Kernkraftwerk Pilgrim in Massachusetts arbeitet der Betreiber Entergy an einer Übergangslösung für den sich türmenden Atommüll. Das AKW muss aufgrund seiner schlechten Sicherheitseinstufung 2019 schließen, wie das US-Magazin „New Yorker“ berichtete.

AP/Steven Senne
Das AKW Pilgrim ist seit 1972 in Betrieb und gehört zu den unsichersten der USA
Bis dahin werden sich allein hier rund 800 Tonnen radioaktiver Müll angehäuft haben. Inzwischen lagert er großteils in einem zwölf Meter tiefen Kühlbecken, das dreimal so viel Material kühlt wie ursprünglich vorgesehen - „ein Desaster, das darauf wartet, sich zu ereignen“, zitierte der „New Yorker“ den Senator des Bundesstaats, Ed Markey.
Anfällig für viele Gefahren
In den vergangenen Jahren ging Entergy dazu über, ältere Brennstäbe in Stahlbetonfässer umzulagern. Dafür wurde eine gigantische Betoninsel gebaut, in der nun immer mehr dieser Fässer darauf warten, einer Lösung zugeführt zu werden. Obwohl von Beton umringt, sind sie dennoch nahe dem Meer und etwa vor Terroranschlägen aus der Luft relativ ungeschützt. Die Bewohner der Region fürchten, dass der Atommüll ihnen auch nach Schließung des Kernkraftwerks erhalten bleibt. Diese Entwicklung ist kein Einzelfall bei den 61 AKWs in den USA.
Ein möglicher Ausweg, den das Energieministerium im Sommer 2016 debattierte, ist eine Handvoll großer Zwischenlager. So sollte der Atommüll aus allen 30 Bundesstaaten, die AKWs betreiben, auf wenige überirdische Plätze zusammengezogen werden. Umweltschützer sprachen von „Müllparkplätzen“. Dort würde der Atommüll dann Jahrzehnte lagern, bis eine andere Lösung gefunden wird. Kritiker meinten, dass man so nur noch mehr Orte kontaminiert. Zudem müsste der Atommüll noch öfter auf Straßen oder Gleisen transportiert werden - eine unkalkulierbare Gefahr, die auch noch teuer wäre.
Neue AKWs in Arbeit
Die Zeit drängt, denn 2012 riefen die USA die Renaissance der Atomkraft aus, und erstmals seit der Katastrophe in Three Mile Island 1979 wurden wieder neue AKWs genehmigt. Das bereits bestehende Atomkraftwerk Vogtle in Georgia wird um zwei Reaktoren erweitert. Für den Neubau wurden acht Milliarden Dollar an Garantien für Kredite ausgegeben. Die neuen Reaktoren sollen Strom für mehr als eine Million Haushalte produzieren. In den USA befinden sich derzeit zudem zwei weitere Reaktoren in Bau und rund 20 in Planung.
Three Mile Island
1979 ereignete sich in der Anlage Three Mile Island in Pennsylvania ein schwerer Reaktorunfall mit einer Teilkernschmelze. 140.000 Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden. Eine Explosion des AKW mit schwerer radioaktiver Verstrahlung konnte tagelang nicht ausgeschlossen werden.
Trotz der Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 blieb die Regierung Obama strikte Befürworterin der Atomkraft, als Teil einer Energiewende soll sie die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern. Rund ein Fünftel des US-Stroms wird in AKWs produziert.
Karten neu gemischt
Mit dem Ausgang der US-Wahl kommt nun wieder Optimismus bei Befürwortern der Yucca-Lösung auf. Denn mit dem Abgang der Regierung Obama verabschiedeten sich auch die größten Gegner des Endlagers in Nevada. Senator Reid ging Anfang Jänner in Pension. Obamas Energieminister Ernest Moniz sprach sich kurz vor Ende seiner Amtszeit noch ein letztes Mal gegen Yucca aus. Jeder Versuch, die Pläne wieder aus der Versenkung zu holen, seien zum Scheitern verurteilt, so Moniz. Im Bundesstaat Nevada habe man dafür keine politische Rückendeckung. „Eine konsensorientierte Herangehensweise ist die einzige Möglichkeit, hinter die Ziellinie zu kommen.“
Warten auf Entscheidung
Die Republikaner sind Yucca Mountain jedoch nicht abgeneigt. Trump wollte sich noch nicht festlegen, er versprach lediglich, das Thema zu prüfen. Auch sein Energieminister Rick Perry, ein Befürworter der Atomenergie, äußerte dazu noch keinen Standpunkt. Laut Insidern wurde das Thema jedoch in Trumps Beraterstab heiß diskutiert. Sein Übergangsteam, das auch etliche Unterstützer des Projekts umfasste, erkundigte sich beim Energieministerium bereits über mögliche rechtliche Hürden bei der Wiederaufnahme.
In Nevada fürchtet man diese sehr. Vertreter des Bundesstaats machten zuletzt einen Gesetzesvorstoß, der die Errichtung eines Endlagers empfindlich erschweren würde. In ihren Augen sollte das Energieministerium dazu das schriftliche Einverständnis des jeweiligen Gouverneurs, der Bundesstaatsregierung und der indigenen Bevölkerung benötigen. Ein solches Gesetz würde in weiterer Folge für jeden US-Bundesstaat gelten - und damit jedes Endlager in den USA unwahrscheinlich machen.
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