Themenüberblick

Datensicherung viel zu selten

Missgeschicke wie mit Kaffee übergossene Festplatten, zerschmetterte Laptops und ins Klo gefallene Handys lassen erst mal Panik aufkommen. Um Daten noch retten zu können, ist die richtige „Erste Hilfe“ essenziell. Scheint die Lage jedoch aussichtslos, können nur noch Spezialisten mit mikroskopischer Handarbeit in keimfreien Reinraumlaboren die verloren gegangenen Informationen wieder zurückgewinnen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Die Arbeit an der Festplatte ist wie die Arbeit am offenen Herzen“, fasst Nicolas Ehrschwendner, Geschäftsführer von Attingo Datenrettung, den Umgang mit defekten Speichermedien zusammen. Weißer Arbeitskittel, Handschuhe und Mundschutz machen die Techniker zu „Halbgöttern der Datenrettung“ und verlangen ihnen auch mindestens so viel Arbeit ab wie jenen in Grün.

Chirurgische Handarbeit an der Festplatte

„Sehr viel ähnelt einer Operation am Menschen“, so der Fachmann. Neben dem Einsatz von Hightech-Instrumenten sind ruhige Hände, ein feinmechanisches Arbeiten und eine sterile Umgebung unerlässlich. „Es geht oft um sehr viel: Das Weiterbestehen von Konzernen hängt von der Wiederherstellung der Daten ab, und die Techniker haben meistens nur einen Versuch“, so Ehrschwendner.

Festplatten sind besonders empfindlich, deshalb werden diese nur in hochsterilen Reinraumlaboren geöffnet, wo die Konzentration luftgetragener Teilchen sehr gering gehalten wird. Wenn auch nur ein einziges Staubkorn die Magnetplatte im Inneren der Festplatte berührt, kann das bereits irreparable Schäden verursachen. Wie am Operationstisch wird die Festplatte zuerst von außen gesäubert und dann Schritt für Schritt seziert, damit der Techniker erkennen kann, was beschädigt wurde.

Hände mit Handschuhen halten eine Festplatte

Attingo Datenrettung

Nur in einem Reinraumlabor darf eine Festplatte geöffnet und auf Schäden untersucht werden

Häufige Ursache einer defekten Festplatte ist ein „Head-Crash“, bei dem der Schreib-Lese-Kopf (engl. Head) die Oberfläche der Magnetscheibe berührt. Diese sensiblen Module dürfen nur auf einem wenige Dutzend Nanometer dünnen Luftpolster über den Magnetscheiben schweben, damit die Festplatte gelesen werden kann. „Symptome“ für einen Head-Crash können ungewöhnliche Geräusche wie Klicken, Brummen oder Surren sein. Kein gutes Zeichen ist ebenfalls, wenn die Festplatte gar nicht mehr hörbar ist.

Katzenfotos nicht minder wertvoll

Um das Gerät nicht weiter in Mitleidenschaft zu ziehen, sollte es in jedem Fall sofort ausgeschaltet werden. Treten interne Probleme auf, wie defekte Dokumente, überschriebene oder unabsichtlich formatierte Dateien und Datenträger, ist auch hier das „Nichtstun“ der beste Weg. „Alleine durch Startvorgänge des Betriebssystems können wichtige Bereiche endgültig überschrieben werden“, so Ehrschwendner.

Auch für Privatpersonen geht es oft „um alles“. Der ideelle Wert der Fotos von der verstorbenen Katze könnte für jemanden mindestens genauso wertvoll sein wie einer Anwaltskanzlei ihre gelöschten Kundendaten. Fehler seien nicht erlaubt, und um den Angestellten keinen Druck zu machen, würde das Unternehmen den Techniker komplett vom Auftraggeber entkoppeln.

Bevor sich der Kunde allerdings auf eine zeit- und kostenintensive Datenrettung einlässt, wird oft zuerst im Internet nach Lösungen gesucht. Die entsprechenden Lifehacks sind meist nicht nur kurios, sie können das Problem auch noch verschlimmern.

Diagnose meist kostenlos

„Machbar ist in fast allen Fällen noch etwas – auch bei Bränden, Explosionen oder gezielten Vernichtungsversuchen.“ Die Erstellung eines Fehlerbildes mit Kosteneinschätzung ist meist kostenlos, und „somit hat der Kunde überhaupt kein Risiko“, so Ehrschwendner.

Eine großangelegte Datenrettung kann mitunter sehr kostspielig sein. Warum? „Bei Datenrettung handelt es sich um Hightech, sprich man benötigt Reinräume und für jeden Festplattentyp spezielle Werkzeuge sowie Verfahren“, erklärt der Spezialist. „Neue Techniker werden bei uns bis zu ein halbes und ein Jahr geschult, bis diese auf den ersten Kundendatenträger ‚losgelassen‘ werden." Das Fachwissen eines solchen Technikers erstrecke sich von Physik, Chemie und Mechanik über Elektronik und Mechatronik bis zu Programmierung und Informatik.

Ablaufdatum selten berücksichtigt

Obwohl eine Festplatte mit viel Speicherplatz mittlerweile relativ günstig ist, würden viele Privatpersonen oftmals trotzdem keine Datensicherung anlegen. Das liege daran, dass viele schlicht nicht wüssten, wie. Es sei immerhin auch nicht so einfach, wie eine E-Mail zu senden, rechtfertigt Ehrschwendner seine Mutmaßung. Zusätzlich gäbe es einen Irrglauben bezüglich der Verträglichkeit von Datenträgern: Besonders neue Geräte würden ja „ewig“ halten, scheint eine Vielzahl von Kunden zu glauben.

RAID keine Datensicherung

Auch bei Unternehmen käme es oft vor, dass keine oder nur eine lückenhafte Datensicherung vorgenommen wurde. Große Firmen sammeln ihre Daten üblicherweise in RAID-Systemen. Diese „redundante Anordnung unabhängiger Festplatten“ (RAID) organisiert mehrere physische Massenspeicher zu einem gemeinsamen Laufwerk, wodurch Ausfälle reduziert werden. Nicht zuletzt aufgrund entsprechender Werbebotschaften scheinen auch Unternehmen zu glauben, RAID verhindere Datenverlust, schätzen die Mitarbeiter von Attingo.

Eine Person arbeitet an einer Platine

Attingo Datenrettung

Die Untersuchung von Speichermedien verlangt nach einem Vergrößerungsglas und einer ruhigen Hand

Dabei können Dateisystemfehler von gelöschten Dateien von so einem System nicht abgefangen werden. Obwohl RAID gezielt Informationen verdoppelt, damit beim Ausfall einzelner Speicher das System als Ganzes weiter funktionieren kann, ist dieser Vorgang keinesfalls mit einer Datensicherung gleichzusetzen. Die falsche Annahme, RAID schütze vor einem vermeintlichen Ausfall, vergrößere das Risiko, sich in „Sicherheit“ zu wiegen und deshalb Datensicherung als unnötig zu verdrängen, so der Experte im Gespräch.

Daten außer Haus bringen

Damit bei Unternehmen, die täglich eine große Menge an wichtigen Daten speichern, überhaupt nichts gerettet werden muss, sollten sie sich doppelt absichern. Dafür müssen die Informationen zusätzlich auf mindestens einem anderen Medium gespeichert, auf Vollständigkeit überprüft und an einen anderen Ort gebracht werden.

Nur so kann sichergestellt werden, dass bei einem Brand oder Einbruch nichts verloren geht. Auch Privatpersonen könnten davon profitieren. Aber selbst das häufigere Absichern könnte bereits einer mühseligen und häufig auch sehr teuren Datenwiederherstellung vorbeugen.

Link: