Mord, Totschlag und ein Augenzwinkern
Die Krimis und Thriller dieser Saison kennen keine Gnade mit dem Leser, nehmen keine Gefangenen und schrecken vor Mord definitiv kein wenig zurück.
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Gedanken lesen für den Geheimdienst
Wie wäre es, wenn man die Gedanken anderer lesen könnte? Auf jeden Fall mehr Fluch als Segen, das erfährt der Polizist Jared Snowe in „Gedankenjäger“ am eigenen Leib. Bei einem Einsatz bemerkt er plötzlich, dass er hören kann, was die Menschen um ihn herum denken. Seine neuen Fähigkeiten bleiben nicht unbemerkt und katapultieren ihn bald in einen Strudel aus undurchsichtigen Geheimdienstaktivitäten. Snowe soll einen entlaufenen Mörder finden, der mit der gleichen Gabe wie er selbst ausgestattet ist. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verschieben sich in diesem packenden Thriller aus den USA ständig.
Iain Levison: Gedankenjäger. Deuticke, 304 Seiten, 19,54 Euro.
Max Broll ermittelt wieder
Mit seiner „Totenfrau“-Trilogie hat es der Tiroler Autor Bernhard Aichner bis nach Hollywood geschafft, jetzt ist er mit seinem vierten Max-Broll-Krimi zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Sechs Jahre ist es her, seit der schräge Totengräber und Hobbydetektiv Broll zum ersten Mal auf eigene Faust ermittelt hat. In „Interview mit einem Mörder“ gerät er einmal mehr in ein abenteuerliches Katz-und-Maus-Spiel, nachdem sein bester Freund, Saufkumpane und Seelenverwandter Baroni angeschossen im Koma liegt. Die Spur des Bösen führt diesmal bis auf ein Kreuzfahrtschiff im Mittelmeer. Spannung garantiert.
Bernhard Aichner: Interview mit einem Mörder. Haymon, 288 Seiten, 20,46 Euro.

ORF.at/Lukas Krummholz
Der Teufel und das liebe Gold
Nichts für schwache Nerven ist Andreas Eschbachs „Teufelsgold“, das wird schon nach den ersten Worten klar: „Am Anfang steht die Gier nach Gold ... es folgt die Gier nach Unsterblichkeit ... dann die Gier nach noch mehr ...“ Hendrik Busske ist eigentlich nicht der Typ dafür, eigentlich flüchtet er nur vor einem Regenschauer - aber in dem Antiquariat entdeckt er ein Buch mit einem Hinweis auf den Stein der Weisen. Hendrik wird Alchimist und beginnt eine Jagd, die ihn an die Grenzen seiner Existenz führt, bis an die Pforte zur Hölle.
Andreas Eschbach: Teufelsgold. Lübbe, 511 Seiten, 23,60 Euro.
Scarpettas Lucy in Bedrängnis
Die Spannung in Schwebe halten, obwohl über Hunderte Seiten nur ein einziger Tag erzählt wird: Das kann Patricia Cornwell wie keine Zweite, und wieder lässt sie Kay Scarpetta ermitteln. Einmal mehr ist deren Nichte Lucy in Bedrängnis, und einmal mehr ist nicht ganz klar, welche Rolle diese in ihrem eigenen Schlamassel spielt. Videos, die anonym an Scarpetta geschickt werden, legen nahe: keine gute. Und schon befindet sich Scarpetta mitten in einem Großeinsatz des FBI - auf Lucys Grundstück. Die Sache wirft ein neues Licht auf einen Mordversuch, der an Scarpetta verübt worden ist.
Patricia Cornwell: Paranoia. Hoffmann und Campe, 494 Seiten, 24,70.
Genetik: Wie alles zusammenhängt
Marc Elsberg ist der wohl meistgelesene österreichische Autor dieser Tage - mit gleich drei Titeln gleichzeitig in den Bestsellerlisten. Hier sei „Helix“ empfohlen. Immer wieder nimmt sich Elsberg brisante Themen vor, diesmal ist es die Genetik. Der US-Außenminister stirbt in München. In Brasilien, Tansania und Indien tauchen seltsame Bakterien auf, und es ist von einem Geheimprogramm für Eltern mit Kinderwunsch die Rede. Alles deutet auf einen Zusammenhang hin.
Marc Elsberg: Helix. Blanvalet, 647 Seiten, 23,70 Euro.

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Literaturmassaker in der Fleischerei
So eine Fleischerei ist halt ein Ort, an dem sich feinsinnige Menschen auf Dauer nicht ganz wohlfühlen. Vor allem dann nicht, wenn der Vater der Fleischer und man selbst Veganer ist und eigentlich nicht Fleischer, sondern Schriftsteller sein möchte, wie der Hansi Woplatek. Blöd, wenn dann ein Autorenkollege filetiert zwischen Schnitzerln und Tafelspitz zu finden ist. Möbelrestaurator Willibald Adrian Metzger darf - nomen est omen - in der Fleischereibranche und in der Literaturszene gleichzeitig ermitteln.
Thomas Raab: Der Metzger. Droemer, 333 Seiten, 10,30 Euro.
Gehobener Krimischatz
In seinen Verfilmungen spielte unter anderen Paul Newman mit, er wurde mit Hammett und Chandler verglichen: Ross Macdonald ist ein zu Unrecht vergessener Romancier und Krimiautor. Der Diogenes-Verlag hat nun dankenswerterweise „Schwarzgeld“ neu übersetzt. Klassisch ist das Setting: Tennisclub am Meer, reiche Leute, ein verlobtes Pärchen. Doch dann verliebt sich Ginny Fablon in einen anderen. Spielsucht, Mord und Erpressung: All das Tut Macdonald seinen Protagonisten an. Seine klare Sprache und akkuraten Bilder lassen einen Film im Kopf entstehen, den man nicht verpassen sollte.
Ross Macdonald: Schwarzgeld. Diogenes, 363 Seiten, 16,50 Euro.
Tarnen und Täuschen mit Le Carre
Im „Taubentunnel“ kommen alle auf ihre Kosten, die wissen wollen, wie der mittlerweile 85-jährige John Le Carre zu seinen Themen kommt und was er zu Zeiten des Kalten Krieges in Bonn als Spion so getrieben hat. Der Roman bietet außer wunderbar auf den Punkt geschriebenen Abenteuern und Anekdoten aus der schummrigen Welt der Spionage noch allerlei amüsante bis peinliche Begegnungen des Autors mit so unterschiedlichen Persönlichkeiten wie Jassir Arafat, Margaret Thatcher, Fritz Lang oder Stanley Kubrick. Le Carre spart dabei nicht mit britischem Understatement und Humor – oder hält er den Leser nur zum Narren?
John Le Carre: Der Taubentunnel. Geschichten aus meinem Leben. Ullstein, 383 Seiten, 22,70 Euro.

ORF.at/Lukas Krummholz
Die Straßen von Boston
Dennis Lehane gehört zu den erfolgreichsten Krimiautoren der USA. Hollywood verfilmte unter anderem seine Romane „Shutter Island“ und „Mystic River“. Lehanes 1994 erschienenes Debüt ist nun unter dem Titel „Ein letzter Drink. Ein Fall für Kenzie und Gennaro“ in neuer deutscher Übersetzung erschienen. Das Detektivduo Patrick Kenzie und Angela Gennaro gerät darin ungewollt in einen Bandenkrieg in Boston. Lehane - ein ehemaliger Sozialarbeiter - beweist in dem Buch eine beeindruckende Beobachtungsgabe und hat mit Kenzie und Gennaro zwei der interessantesten Charaktere in der Krimiliteratur geschaffen.
Dennis Lehane: Ein letzter Drink. Ein Fall für Kenzie und Gennaro. Diogenes, 416 Seiten, 13,99 Euro.
Bedrückendes Idyll
Als Coelestin Geiger hat er im Alter von 14 Jahren sein Heimatdorf in Bayern verlassen - als Ludwig „Luggi“ Dragomir kehrt er vier Jahrzehnte später zurück, um Rache an seinen Peinigern zu nehmen. Der deutsche Autor Friedrich Ani zerlegt in seinem sprachlich ungewöhnlichen Krimi „Nackter Mann, der brennt“ die dörfliche Idylle. Lesenswert.
Friedrich Ani: Nackter Mann, der brennt. Suhrkamp, 223 Seiten, 20,60 Euro.
Wie starb Osama bin Laden wirklich?
„Geronimo“ lautete das Codewort, das die Männer der US-Spezialeinheit durchgeben sollten, wenn sie Osama bin Laden aufgespürt hatten. Basierend auf der Operation, die im Mai 2011 stattgefunden hat, hat der niederländische Autor Leon de Winter eine geheime Hintergrundgeschichte erfunden, die verblüffend real klingt. Ein amerikanischer Ex-CIA-Agent, ein afghanisches Mädchen, ein pakistanischer Bub und ein alter Küchenschemel spielen die Hauptrollen in dieser genial erzählten Mischung aus Realität und Fiktion.
Leon de Winter: Geronimo. Diogenes, 448 Seiten, 24,70 Euro
Simon Hadler, Sonia Neufeld, Philip Pfleger, alle ORF.at; Alexander Musik, für ORF.at
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