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Skikurs als Pflicht „unrealistisch“

Frei nach dem Sprichwort „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ fürchtet die Wintersportindustrie, die nachkommenden Generationen für den Skisport zu verlieren. Nicht zuletzt die hohen Kosten lassen Familien zunehmend auf den Skiurlaub verzichten. Die Wirtschaft setzt nun auf die Schulen und versucht, Klassen mit „Zuckerbrot“ auf die Piste zu locken.

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Die „Peitschen“-Variante etwa mit einem verpflichtenden Skikurs stößt auf wenig Zustimmung. Erst kürzlich forderte die Seilbahnwirtschaft, Skikurse wie bis Mitte der 90er Jahre wieder verpflichtend einzuführen - mehr dazu in tirol.ORF.at. „Das wäre einfacher“, meinte auch der Fachinspektor für Bewegungserziehung und Sport im Landesschulrat Vorarlberg, Conrad Berchtold.

Skifahrer beim Einsteigen in eine Gondel

ORF.at/Christian Öser

Die Wintersportindustrie will mehr Schüler auf die Pisten bringen

„Dann müsste man nicht dauernd bitten und betteln, dass ein Kurs zustande kommt.“ Laut Gesetz müssen mindestens 70 Prozent einer Klasse an der Sportwoche teilnehmen, damit sie zustande kommen kann. Realistisch sei ein verpflichtender Skikurs für alle aber nicht, so Berchtold.

„Bonus“ für die Pistengaudi

Also doch lieber die Anreize für die Pistengaudi für immer mehr Schüler, die noch nie auf Skiern gestanden sind. Die Bundesländer setzen auf unterschiedliche Strategien - unterstützt von Skiindustrie und Seilbahnwirtschaft. So gibt es etwa kostenlose Skitage schon für Volksschüler, Unterstützung bei der Organisation und Leihausrüstungen sowie eigene Schülertarife. Das Angebot der österreichischen Skiindustrie, Lehrern 40 Prozent Rabatt auf die Ausrüstung zu geben, stieß zuletzt auf ein Veto des Rechnungshofes - mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Teilnehmerzahlen halbiert

Skifahren läuft Gefahr, seinen Status als Breitensport zu verlieren - vor allem wenn der Nachwuchs ausbleibt. Deutlich ersichtlich wurde das mit der letzten Erhebung des damaligen Unterrichtsministeriums aus dem Schuljahr 2010/11. Nahmen 1979 noch 252.000 Schüler an Wintersportwochen teil, waren es im Schuljahr 2010/11 österreichweit nur noch 133.000. Allein mit reduzierten Schülerzahlen lässt sich die Halbierung der Teilnehmerzahlen innerhalb von drei Jahrzehnten aber nicht erklären.

Eine Ursache sind die hohen Kosten - auch wenn es in einigen Ländern Landesförderungen für die Pflichtschulen und Bundeszuschüsse gibt. „Es sind nicht allein die Liftkarten - die Summe aus allem ist zu teuer“, ist Gerhard Angerer, Fachinspektor für Bewegungserziehung und Sport in Niederösterreich, überzeugt. Nicht zuletzt deshalb verringere sich die Dauer der Wintersportwochen.

Höhere Ansprüche, weniger Tage

Sieben Tagen seien inzwischen eine Rarität. Angerer: „Wenn man zwei Tage weniger für das Quartier zahlt, wird es im Schnitt um 70 Euro billiger.“ Die Ansprüche an Unterkünfte hätten zugenommen, das Angebot werde besser - dadurch steige aber auch der Preis, so Angerer. Auch sein Vorarlberger Kollege Berchtold glaubt, dass die finanzielle Unterstützung inzwischen essenziell ist: „Wenn die Wintersportwoche ohne Förderungen und Sondertarife um 30 bis 40 Euro teurer wird, befürchte ich einen deutlichen Einbruch bei den teilnehmenden Schülern.“

„Standgehalten, aber nicht vermehrt“

Als eine Konsequenz aus den drastisch gesunkenen Teilnehmerzahlen an Schulskikursen wurde 2010 die Servicestelle Wintersportwochen von Sport-, Bildungs- und Wirtschaftsministerium, Wirtschaftskammer, dem Österreichischen Skiverband und dem Dachverband der Skilehrer (Interski Austria) gegründet. Sie bündelt alle Maßnahmen, die die Schüler auf die Piste bringen sollen. Schon in den Jahren zuvor gab es Aktionen, um Schüler zum Skifahren zu animieren.

Dieses Engagement vonseiten der Politik und der Wintersportindustrie nimmt seit 2010 aber zu. Das zeigt offenbar Wirkung. Auch wenn es seither keine bundesweiten Erhebungen mehr gab, zeigt sich nach Schätzung der Landesschulaufsichten, dass der Abwärtstrend bei den Teilnehmerzahlen zumindest gestoppt wurde. „Standgehalten, aber nicht vermehrt“, heißt es aus der Steiermark. Ausreißer gibt es in Tirol nach oben und in Wien nach unten.

Verdoppelung in Tirol

In dem westlichen Bundesland hat sich der prozentuelle Anteil der an Wintersportwochen teilnehmenden Schüler in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Als eine der Ursachen dafür sieht Wolfgang Oebelsberger vom Tiroler Landesschulrat das Entgegenkommen der Seilbahnunternehmen. Seit 2004 fahren in über 70 Skigebieten Tiroler Schüler bis zur neunten Schulstufe bei Skitagen und -wochen gratis. Danach kostet die Schülertageskarte fünf Euro - immer noch ein Bruchteil vom sonst angebotenen Jugendticketpreis von meist über 30 Euro.

Skifahrer auf einem Sessellift in Saalbach

APA/Harald Schneider

Fast die Hälfte aller Wintersportwochen findet in Salzburg statt

Bis vor zwei Jahren gab es auch für Kärntner Schüler das Gratisticket. Das musste aus Kostengründen nun eingespart werden. Niederösterreich startete im vergangenen Schuljahr vorläufig für drei Jahre im Rahmen der Initiative „Tut gut!“ mit kostenlosen Liftkarten für niederösterreichische Schüler, wenn sie die Wintersportwoche im eigenen Bundesland abhalten. Das und die Rückgänge in Wien machten sich wiederum in Salzburg bemerkbar, wo normalerweise fast die Hälfte aller österreichischen Skikurse stattfindet. Es werde aber bereits gegengesteuert, heißt es vom zuständigen Fachinspektor Robert Tschaut in Salzburg.

Wiener Schüler verlieren Interesse

Von vergünstigten Seilbahntarifen können Schüler aus Ländern ohne eigene Skigebiete wie Wien und das Burgenland jedenfalls nur träumen. Die Unterstützung der Seilbahnwirtschaft fehlt. Gezahlt werden muss beim Skikurs der normale Schülerpreis bei den Liftkarten. In Wien gab es besonders in den vergangenen zwei Jahren einen markanten Rückgang bei Wintersportwochen in der fünften bis achten Schulstufe. Der zuständige Fachinspektor Martin Molecsz führt das auf finanzielle Gründe bei Schulen und Eltern und auf eine „fehlende Affinität vieler Familien zum Wintersport“ zurück. Immerhin gibt es in Wien Unterstützung bei Leihmaterialien, das fehlt im Burgenland.

Schneeschuhwandern statt Skifahren

Nicht nur die Dauer, auch die Programmgestaltung kann die Teilnahme an einer Wintersportwoche günstiger machen. Das Alternativprogramm zum Skifahren und Snowboarden habe zugenommen, so der Tenor aus einigen Bundesländern. Dazu zählen etwa Schneeschuhwandern, Eislaufen, Iglubauen und Rodeln. Es können zwar Kosten für Leihgebühren anfallen. Aber immerhin ist dafür keine Tagesliftkarte erforderlich.

Kleine Kinder in einer Skigruppe

ORF.at/Christian Öser

Mit Gratisskitagen sollen mehr Kinder zum Skifahren animiert werden

Und es fördert das sportliche Naturerlebnis der Schüler, die Persönlichkeitsbildung und die gemeinsamen Aktivitäten mit den Lehrern - viele Argumente, die auch vonseiten der Wintersportindustrie für eine Woche im Schnee mit der Schule vorgebracht werden. Einzig das Ziel, schon in der Schule das Skifahren zu vermitteln, gelingt damit nicht. Dafür wird aber die Mindestteilnehmerzahl von 70 Prozent der Klasse leichter erreicht.

„Hänschen“ werden jünger

Seit einigen Jahren setzen Politik und Wirtschaft tendenziell noch früher an - bei den Volksschülern. Mit nahezu kostenlosen Skitagen greifen etwa die Steiermark, Niederösterreich und Tirol in die Tasche, um die Sechs- bis Zehnjährigen fürs Skifahren zu interessieren. Ausrüstung, Liftkarte und Transport werden vom Land oder der Seilbahnwirtschaft finanziert. Das Interesse nehme zu, so der Tenor aus vielen Ländern. Und so lernt ein noch kleineres Hänschen Skifahren, damit es als Hans nicht für den Skisport verloren ist.

Simone Leonhartsberger, ORF.at

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