Thema wieder auf Tagesordnung gesetzt
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will das Parlament in Ankara über die Wiedereinführung der Todesstrafe abstimmen lassen. Die vom Westen geäußerte Kritik an diesen Plänen würde nicht zählen, erklärte Erdogan am Samstag bei einer Rede in der türkischen Hauptstadt.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Er sei überzeugt, dass das Parlament zustimmen werde, und er werde das entsprechende Gesetz unterzeichnen, sagte der türkische Präsident vor Kundgebungsteilnehmern, die die Todesstrafe für die Putschisten von Mitte Juli forderten. Erdogan nannte aber keinen Zeitplan für sein Vorhaben. „Bald, bald, habt keine Sorge. Es wird bald geschehen“, sagte Erdogan bei der Einweihung einer Bahnstation in Ankara vor Anhängern.
„Es zählt, was mein Volk sagt“
Unmittelbar nach dem gescheiterten Umsturzversuch vor drei Monaten hatte der Präsident bereits die Wiedereinführung dieser Strafe erwogen. Die Europäische Union warnte daraufhin wiederholt, dass eine Einführung der Todesstrafe in der Türkei ein Ende der 2005 begonnenen Beitrittsverhandlungen bedeuten würde. Auch der Europarat warnte die Türkei damals vor einer Wiedereinführung der Todesstrafe.
Diese Warnungen wischte Erdogan in seiner Rede nun beiseite: „Der Westen sagt dies, der Westen sagt jenes. Entschuldigt bitte, aber was der Westen sagt, zählt nicht. Es zählt, was mein Volk sagt.“ Die Todesstrafe war in der Türkei 2004 abgeschafft worden - im Rahmen der Bemühungen Ankaras um eine Annäherung an die EU. Die letzte Hinrichtung fand 1984 statt.
Zuletzt war die Debatte über die Todesstrafe abgeflaut, doch unlängst war das Thema von Erdogan wieder auf die Tagesordnung gesetzt worden. Die Rufe aus dem Volk danach seien „eine berechtigte Forderung“, sagte Erdogan vor zwei Wochen bei einem Auftritt in der zentralanatolischen Stadt Konya. Bereits damals betonte er, dass ihm die Meinung des Westens gleichgültig sei: „Mich interessiert mein Volk.“
Stimmungsmache für Präsidialsystem
Bei einer ähnlichen Rede in Konya nannte Erdogan die Putschisten „Mörder“ und betonte, es sei nicht an der Regierung, ihnen zu verzeihen. Zudem machte er Stimmung für die Abhaltung eines Referendums über die Einführung eines Präsidialsystems. „Wenn wir uns die Meinungsumfragen ansehen, so verlangt mein Volk das Präsidialsystem“, sagte Erdogan. „Und ich sage unseren politischen Parteien im Parlament: Gehört die Herrschaft nicht bedingungslos dem Volk? Das tut es. Kommt, lasst uns das Volk fragen.“
Justizminister Bekir Bozdag sagte daraufhin im Sender Kanal24, bei der nötigen 60-Prozent-Mehrheit im Parlament könne eine Volksabstimmung „noch vor dem Frühling“ stattfinden. Den nach dem Putschversuch verhängten Ausnahmezustand - der vor etwa eineinhalb Wochen ausgelaufen wäre - hat Erdogan um weitere 90 Tage verlängert. Die Massenfestnahmen und Suspendierungen unter dem Ausnahmezustand dauern an: Zuletzt wurden wieder Dutzende Richter und Staatsanwälte festgenommen.
30.000 in U-Haft genommen
Das Bildungsministerium habe im Rahmen der Untersuchungen gegen Gülen-Anhänger 2.400 weitere Lehrer vom Dienst suspendiert, hieß es. Die Regierung beschuldigt den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen, für den Putschversuch vom 15. Juli verantwortlich zu sein. Mehr als 30.000 Verdächtige wurden seitdem in Untersuchungshaft genommen. Mehr als 50.000 Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes wurden entlassen.
Links: