Fast ein Drittel weniger Urlauber
Nach wiederholten Terroranschlägen, dem gescheiterten Putschversuch und der Verhängung des Ausnahmezustands sind die Tourismuseinnahmen der Türkei im Sommer drastisch eingebrochen. Die Entwicklung hatte sich allerdings schon zuvor abgezeichnet.
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Laut Angaben des nationalen Statistikinstituts TurkStat in Ankara ging die Summe im Vergleich zum Sommerquartal 2015 um 32,7 Prozent zurück. Bereits im Vierteljahr zuvor hatte es einen Rückgang um 35 Prozent gegeben.
Der Tourismus ist eine der wichtigsten Devisenquellen des Landes, das mit einem chronischen Außenhandelsdefizit kämpft. Und: Das meiste Geld lassen ausländische Gäste in den Urlaubsorten. Das Verhältnis zwischen ihnen und einheimischen Urlaubern beläuft sich in diesem Kontext laut TurkStat auf 71,6 zu 28,4 Prozent.
Angst vor Anschlägen
Der Knick kam nicht abrupt - im Gegenteil. Die Negativentwicklung hatte sich schon seit Jahresbeginn abgezeichnet. In den ersten neun Monaten ging die Zahl der ausländischen Besucher im Vergleich zum Jahr zuvor um 32 Prozent zurück. Im Sommer 2015 war der Konflikt mit der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) wieder militärisch eskaliert. Außerdem nahmen Anschläge der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an Häufigkeit zu.
Erst vor wenigen Tagen verletzte eine Explosion im Ferienort Antalya mehrere Menschen. Ob es sich um einen Anschlag handelte, ist unklar. Mitte des Monats schlugen zwei Raketen in der Ferienregion zwischen Antalya und Kemer ein, Verletzte gab es keine. Der schlimmste Anschlag der letzten Monate hatte sich im Juli ereignet. Ein Selbstmordattentäter tötete auf dem Atatürk-Flughafen in Istanbul 47 Menschen.
Putsch und Ausnahmezustand
Im Juli kam es außerdem zu einem Putschversuch, der niedergeschlagen wurde, der Ausnahmezustand wurde verhängt und erst Mitte Oktober für weitere 90 Tage verlängert. Eine Festnahmewelle folgte, auch die anhaltenden Negativschlagzeilen über einen zunehmend autoritären politischen Stil dürften Touristen verschrecken.
Stichwort verschrecken: Der Reiseanbieter Ruefa berichtete zuletzt unter Berufung auf eine Umfrage, dass der Faktor Sicherheit bei der Auswahl der Feriendestination eine immer größere Rolle spiele. 72 Prozent der Reisenden wählten ihren Urlaubsort danach aus, wie sicher dieser sei. Neben der Türkei bescherte dieser Aspekt Ruefa auch im Ägypten-Geschäft einen Rückgang von 63,2 Prozent. Urlauber weichen vor allem nach Kroatien und die Iberische Halbinsel aus. Auch Griechenland und Italien sind beliebt.
Deutlich im Staatshaushalt zu spüren
Die türkische Regierung musste zuletzt ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr deutlich senken. Anstatt wie zuvor mit 4,5 Prozent Wachstum rechnet sie nunmehr laut Ministerpräsident Binali Yildirim mit 3,2 Prozent. „Die negativen Faktoren im internationalen Kontext haben auch Auswirkung auf uns“, sagte er zur Begründung Anfang Oktober. Die Terroranschläge, den gescheiterten Putsch und andere Unsicherheitsfaktoren im Land erwähnte er nicht. Im kommenden Jahr werde das türkische Bruttoinlandsprodukt (BIP) wieder um 4,4 Prozent zulegen, sagte Yildirim, 2018 dann sogar um mehr als fünf Prozent.
Die US-Ratingagentur Moody’s hatte zuletzt die Kreditwürdigkeit der Türkei auf Ramschniveau herabgestuft. Die Türkei bewege sich weiterhin „in einem fragilen finanziellen und geopolitischen Umfeld“, hieß es zur Begründung. Moody’s verwies auf den starken Rückgang der Tourismuseinnahmen und auch auf das „schwankende“ Vertrauen von Investoren.
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