Neutralität als „Grundstein der Identität“
Weil es derzeit keinen Bundespräsidenten gibt, hat heuer Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) statt des Staatsoberhaupts die Rede beim Festakt gehalten. Die Neutralität sei „ein Grundstein der Identität unseres Landes, ein Grundstein unserer demokratischen Republik“, sagte sie. Am Mittwoch wird die „immerwährende Neutralität“ gefeiert, die der Nationalrat am 26. Oktober 1955 beschlossen hatte.
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Vor 60 Jahren habe die Neutralität und damit auch das Bundesheer die „erste Bewährungsprobe“ bestanden, erinnerte Bures an die Ungarn-Krise. „Ob beim Schutz unserer Grenzen oder im Rahmen von Hilfsmaßnahmen nach Naturkatastrophen: Unsere Bevölkerung kann sich auf ihr Bundesheer verlassen.“ Auch Bedrohungen wie Terrorismus und Cyberattacken auf die öffentliche Infrastruktur stelle sich das Bundesheer mit hoher Leistungsbereitschaft, so Bures in ihrer Ansprache.
„Bundesheer wird weiblicher“
Im Zuge der Flüchtlingsbewegungen seien zudem die humanitären Aufgaben des Bundesheers „noch stärker in den Vordergrund getreten“. Das Bundesheer spiegle heute die Diversität des Landes in weiten Teilen wider, dienten doch Menschen unterschiedlichster Herkunft der Republik im Heer. Außerdem werde das Bundesheer - „wenn auch langsam“ - weiblicher, begrüßte Bures ausdrücklich das Ziel, mehr Frauen zum Militär zu bringen.

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Soldatinnen anlässlich der Leistungsschau des Bundesheeres
„Mögen viele Frauen (...) die Männerbastion Bundesheer erobern.“ Mit Bures wurde die Rekrutenangelobung auf dem Wiener Heldenplatz heuer erstmals von einer Frau durchgeführt. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) zeigte sich stolz, dass unter den knapp 1.200 Rekruten auch 37 Frauen zum Ausbildungsdienst angelobt wurden. Formal erfolgte die „Meldung“ seitens des Heeres aber an Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ).
Kern beschwört Zusammenhalt
In seiner Rede sprach sich Kern gegen Polarisierung aus: „Wir müssen alle gemeinsam an einem rot-weiß-roten Strang ziehen“, sagte er. Der Heldenplatz sei heute „ein Platz der Demokratie, der Freiheit, der Menschenwürde und ein Platz friedlicher und demokratischer Versammlungen“. Das sei aber nicht immer so gewesen, „auf diesem Platz ist einst bewusst und dezidiert zu Krieg und zu Vernichtung aufgerufen worden“. Heute aber gedenke man der Befreiung Österreichs „mit einem Fest der Freude“.
Nationalfeiertag heuer ohne Bundespräsident
Erstmals seit 60 Jahren finden die Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag ohne einen Bundespräsidenten statt. Aufgrund der aufgehobenen Wahl vom Mai bleibt diese an einem solchen Tag besonders zentrale Rolle unbesetzt.
Der Nationalfeiertag sei auch immer ein Tag, der daran erinnere, was uns ausmache. „Österreich ist kein Land, in dem der stärkere Ellenbogen zählt, Österreichs Erfolgsgeschichte wird von der Gemeinschaft geschrieben.“ Mit Bezug auf die zwei Millionen Freiwilligen in Vereinen und Organisationen befand Kern, dieses Engagement sei „der schönste Beweis für ein Österreich-Bewusstsein, das uns weiterbringt“. Einmal mehr zitierte Kern den früheren deutschen Bundespräsidenten Johannes Rau: „Nationalisten verachten andere Länder. Patrioten lieben ihr Land.“ Patriotismus lebe vom Miteinander.
„Polarisierung wirft uns zurück“
„Weiterbringen werden wir Österreich nur, wenn wir zusammenhalten, wenn wir miteinander anpacken“, so Kern. „In Österreich sind Patrioten die, die ihr Land gemeinsam vorwärtsbringen.“ Wohl auch in Richtung FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der zuletzt vor einem Bürgerkrieg gewarnt hatte, sagte Kern außerdem: „Polarisierung wirft uns zurück, Spaltung gefährdet den Zusammenhalt, deshalb müssen wir sie gemeinsam überwinden.“ Sonst hätten Demagogen ein leichtes Spiel. „Die Verrohung der Sprache ist ein Zeichen, das wir mit Sorge sehen müssen“, denn der Weg zu einer Gewalt der Taten sei kurz.

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Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) und Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) bei den Feierlichkeiten auf dem Wiener Heldenplatz
Auch ging Kern auf die Situation in der EU ein: Die Fähigkeit Europas, große Herausforderungen zu lösen, sei derzeit auf dem Prüfstand. Die EU stehe vor einer Zeitenwende. Man müsse den sozialen Frieden sicherstellen. In den letzten Wochen und Monaten habe sich in Europa zu wenig bewegt, räumte Kern ein. Dennoch gebe es keinen besseren Weg, als das europäische Einigungswerk. Außerdem bekannte sich Kern zu einem starken Bundesheer, das in einer unruhigen Welt Sicherheit gebe.

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Fallschirmspringer landet auf dem Wiener Heldenplatz
Beim Festakt dabei waren auch Alt-Bundespräsident Heinz Fischer und der von den Grünen unterstützte Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen. Van der Bellens FPÖ-Konkurrent, der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer, hielt unterdessen beim Tag der offenen Tür im Parlament die Stellung.
Keine Fernsehansprache
Die traditionelle Fernsehansprache des Staatsoberhaupts entfiel heuer, denn Bures will „aus Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten“ keine halten. Die Präsidentschaftskanzlei blieb dieses Jahr mangels Hausherrn geschlossen, dafür öffneten zahlreiche andere Institutionen, Ministerien und Museen wieder ihre Pforten für Besucher.
Leistungsschau und Kranzniederlegung
Das Parlament feierte den vorerst letzten Tag der offenen Tür im alten Gebäude am Ring vor der Sanierung. Die Leistungsschau des Bundesheers ging wegen Umbauarbeiten nur teilweise auf dem Heldenplatz über die Bühne. Die Panzer, Hubschrauber und Infostände verteilten sich auf mehrere Standorte in der Wiener Innenstadt.

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(V. l.) Generalstabschef Othmar Commenda, Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ), Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ)
Begonnen wurde der Nationalfeiertag traditionell mit Kranzniederlegungen beim Äußeren Burgtor zum Gedenken an die toten Soldaten und Opfer des Widerstandes. Dabei schritten Kanzler Kern, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und Verteidigungsminister Doskozil in Begleitung von Generalstabschef Othmar Commenda an der Ehrenkompanie der Garde entlang. Danach wohnte Doskozil noch der Kranzniederlegung der Opferverbände bei.
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