Keine Datenbank für „schlafende Konten“
Sogar in Zeiten, in denen die Zinsen so niedrig sind wie nie zuvor, setzen die Österreicherinnen und Österreicher auf konservative Sparformen und tragen ihr Erspartes am liebsten auf die Bank. 230 Milliarden Euro lagern laut Nationalbank auf Sparbüchern. Das Geld liegt oft jahrzehntelang – nicht immer zur Freude der Erben.
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Willi, Mimi, Hans oder Scharnstein, Kirchschlag und Bodensee. So oder ähnlich lauten die meisten Losungswörter in Österreich, sagen Bankexperten. Es ist entweder der Name des Ehepartners, Geliebten oder des Enkelkindes, manchmal ist es auch der eigene Geburtsort. Immer ist es ein Wort, das man sich einfach und leicht merken kann. Das nützt aber nichts, wenn die Angehörigen etwa nach dem Tod der Erbtante das Losungswort weder wissen noch erraten, oder wenn man ein vergessenes Sparbuch in den eigenen Unterlagen findet und sich partout nicht mehr an das Losungswort erinnern kann. (Anonyme Sparbücher mit Losungswort sind seit dem Jahr 2000 nur noch auf Spareinlagen bis zu 14.999 Euro erlaubt)
Erbloses Gut gehört dem Staat
Rechtlich gesehen handelt es sich um „nachrichtenlose Konten“ oder „erbloses Gut“, die im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) unter dem Titel „Heimfallsrecht“ geregelt sind: „Wenn kein zur Erbfolge Berechtigter vorhanden ist oder wenn niemand die Erbschaft erwirbt, fällt die Verlassenschaft als erbloses Gut dem Staate anheim“, heißt es im ABGB, § 760.

ORF.at/Dominique Hammer
Vermögen, das niemand beansprucht, gehört in Österreich dem Staat
Dazu zählen nicht nur Sparguthaben, sondern das Gesamterbe einer Person, also auch etwa Immobilien, Schmuck und Kunstwerke. Wenn nachweislich keine Erben einen Anspruch haben, fällt es an den Bund. Nur knapp eine Million jährlich spült es so in die staatliche Haushaltskasse, lautet die Auskunft aus dem Finanzministerium. Gesamtbudgetär gesehen sei das also eine vernachlässigbare Summe, sagt Johannes Pasquali, Sprecher des Bundesministers für Finanzen.
Summen können nur geschätzt werden
Was passiert jedoch mit dem Geld auf Sparkonten, wo überhaupt keine Ein- oder Auszahlungen mehr stattfinden, also sogenanntes „nachrichtenloses Vermögen“? Generell gilt in Österreich eine Verjährungsfrist von 30 Jahren. Wenn also über 30 Jahre hinweg sich niemand für das Vermögen auf einem Sparbuch interessiert, gehört es rechtlich gesehen der Bank.
Das gesamte Volumen dieses herrenlosen Kapitals wird in Österreich auf etwa 200 Millionen Euro geschätzt. Das ist jedoch nur eine Hochrechnung auf Basis der deutschen Zahlen. In Deutschland rechnet man, dass sich das herrenlose Vermögen auf circa zwei Milliarden Euro beläuft. Aber auch das sind nur grobe Schätzungen, gesicherte Unterlagen oder Daten dazu gibt es nicht, denn die Banken haben in Österreich und Deutschland keine Verpflichtung, solche Geisterkonten offenzulegen. In der Schweiz ist das anders.
Vorbild Schweiz
Seit 1. Jänner 2015 gilt in der Schweiz ein Bankengesetz, das vorschreibt, dass „Vermögenswerte von Bankkunden über 500 Schweizer Franken, wenn sie zehn Jahre kontaktlos und 50 Jahre nachrichtenlos gewesen sind – also nach insgesamt 60 Jahren -, publiziert und dann liquidiert, das heißt dem Bund abgeliefert werden, wenn sich innerhalb der Frist kein Berechtigter meldet. Das gilt auch für Schließfächer, wenn ihr Inhalt diesen Wert übersteigt oder unbekannt ist.“

APA/Günter Granitzer
In der Schweiz liegen die größten Vermögen brach. Die Eidgenössische Finanzverwaltung rechnet mit 600 Millionen Franken in den nächsten 15 Jahren.
Unter der Webadresse Dormantaccounts.ch werden die Name der Sparguthabenbesitzer alphabetisch aufgelistet und – so bekannt - auch deren Nationalität (auch Österreicher stehen auf der 178-seitigen Liste). Ab dem Zeitpunkt der Publikation läuft eine Frist von fünf Jahren, in denen ein Anspruch auf das Vermögen erhoben werden kann. Nach dieser Frist gehört das Vermögen dem Staat.
Deutscher Steuerjäger fordert Offenlegung
In Deutschland, wo das nicht abgeholte Vermögen wie gesagt auf rund zwei Milliarden Euro geschätzt wird, wird seit einiger Zeit Kritik laut, dass es solche Register wie in der Schweiz nicht gibt. Im Raum steht der Vorwurf, die Banken hätten kein Interesse daran, denn sie würden sich so ein erkleckliches Körberlgeld sichern.
Der durch den Ankauf von Steuersünder-CDs bekannt gewordene Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans (SPD), sagt in einem Interview mit der „Welt“ : „Es kann nicht sein, dass Banken Geld bunkern, das ihnen nicht zusteht. Das Geld gehört jemandem. Und der soll es auch kriegen.“
Der als gnadenloser Kämpfer gegen Steuerhinterziehung bekannte deutsche Landesfinanzchef fordert zu diesem Zweck die Einrichtung einer zentralen Datenbank. Walter-Borjans wird in diesem Bestreben vom Verband Deutscher Erbermittler (VDEE) unterstützt. Nur mit einem öffentlichen Register, in dem Erben auch selbst nachforschen könnten, erhalte man gesicherte Informationen über den vollen Umfang von Vermögenswerten bei den Banken, heißt es beim VDEE.
Österreich: Insel der kleinen Summen
In Österreich lohne sich die Erstellung eines solchen Registers nicht, betont zumindest Franz Rudorfer, Branchenvertreter bei der Österreichischen Wirtschaftskammer (WKÖ). Der Aufwand sei zu groß, die Summe von 200 Millionen, die angeblich auf herrenlosen Sparbüchern oder –konten liege, sei total überschätzt. „Österreich ist ein kleines Land, wir haben trotz Schließungen von Filialen noch immer ein sehr dichtes Bankfilialennetz“, erklärt Rudorfer.
„Man kennt seine Kunden. Wenn die Malitant’ stirbt, hat sie zumeist ihr Sparbuch bei der lokalen Bankfiliale ums Eck. Da weiß der Schalterbeamte, um wen es geht, und kennt auch den Ehemann oder das Enkerl,“ gibt Rudorfer zu bedenken. Bei den meisten alten Sparbüchern in Österreich handle es sich außerdem um Bagatellbeträge von 100 Schilling (also rund 7,50 Euro) und weniger. „Davon wird keine Bank reich“, sagt der Experte der Wirtschaftskammer.
Eine Million Euro kommt selten vor
Die Zahlen scheinen ihm recht zu geben. Laut Statistik Austria gibt es in Österreich 21 Millionen Sparbücher. Davon liegen auf 17 Millionen bis zu maximal 10.000 Euro. Auf drei Millionen Sparbüchern liegen zwischen 10.000 und 20.000 Euro. 670.000 Sparbücher verbuchen einen Betrag bis zu 50.000 Euro, auf 275.000 Sparbüchern ist ein Vermögen bis zu 70.000 Euro verbucht, und nur 4.700 Sparbüchern weisen einen Wert von bis zu einer Million Euro aus.
Für Erben, die das Losungswort der Oma nicht wissen, gebe es eine einfache Vorgangsweise, meint Rudorfer. Man übergibt das Sparbuch dem Notar, dieser sieht im Kontoabfragesystem nach, wem das Sparbuch wirklich gehört. Wenn die Erben ihre Ansprüche nachweisen können, kommt das Sparguthaben in die Erbmasse.
Auf der Suche nach den Erbberechtigten
Für die kleinen Ersparnisse der Oma mag das ausreichen. Für große Vermögenswerte, die unter Umständen den ursprünglichen Eigentümern auch noch widerrechtlich zumeist etwa durch Enteignung weggenommen wurden, genügt das nicht. Aber auch hier gibt es Abhilfe. Die Gesellschaft für Erbenermittlung (GEN) etwa hat sich auf komplizierte Recherchen in Erbfällen spezialisiert.
60 Mitarbeiter arbeiten an 13 Standorten in Deutschland, Polen, Tschechien und den Vereinigten Staaten und suchen im Auftrag ihrer Kunden nach erbberechtigten Verwandten zum Teil auf verschiedenen Kontinenten.
Die Auswanderungswellen aus Europa im 19. und 20. Jahrhundert und auch die Verschiebung der Grenzen in Europa nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 hätten diese Tätigkeit dringend notwendig gemacht, heißt es auf der Website der Erbenermittler. Angesichts der Weltlage und großer Migrationsbewegungen kann man nur erahnen, welche Aufgaben auf die Rechercheure von Vermögenswerten in Zukunft noch zukommen werden.
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