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„Eine Beleidigung der Intelligenz“

Ein Zuschauer lacht mehr, wenn er durch fremdes Lachen dazu animiert wird. Das ist eine Weisheit, der Fernsehproduzenten über Jahrzehnte gefolgt sind. Aus diesem Grund wird die Lachkonserve eingesetzt: aufgezeichnetes Lachen vom Band, das bei Gags und Pointen eingespielt wird. Für die einen gehört es zum TV-Erlebnis, für die anderen ist es schlicht ein Ärgernis.

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Für alle ist es jedenfalls inzwischen Gewohnheit. Die Lachkonserve begleitet das Fernsehpublikum seit den 1950er Jahren. Damals wurden die ersten US-Sitcoms ähnlich wie ein Theaterstück vor Publikum aufgeführt und abgefilmt. Dabei war das Gelächter des Publikums natürlich - aber in den Ohren eines Soundtechnikers nicht gut genug.

Charles Douglass mochte das Gelächter des Studiopublikums nicht. Die Menschen lachten nicht an den richtigen Stellen, und wenn doch, zu lang oder zu laut. Also griff er zu einer Technik, die im Radio bereits erprobt war: „künstliches“, separat aufgezeichnetes Lachen, das in der Postproduktion zum richtigen Zeitpunkt eingespielt wird.

Die „Laff Box“ kommt zum Einsatz

Douglass, der sich auf diesem Gebiet zum Pionier aufschwang, erfand die Lachkonserve, die weltweit im Fernsehen zum Standard über viele Jahre werden sollte, bis heute. Mit seiner Laugh Box (auch: „Laff Box“) konnten passende Lachtöne per Knopfdruck eingespielt werden, Szenen wurden so in Maßanfertigung im Schneideraum komponiert.

Aber nicht nur das perfekte Lachen zum richtigen Zeitpunkt war die Existenzberechtigung der Laugh Box. Mit der Zeit wurden auch Produktionen komplizierter, es gab Außendrehs. Doch sowohl Produzenten als auch Zuseher vermissten das Lachen, auch wenn kein Publikum im Studio anwesend sein konnte. So kam 1950 erstmals Douglass’ Lachapparat in der „The Hank McCune Show“ zu Einsatz.

Im damals neuen Medium Fernsehen sollte das Retortenlachen dem Publikum vor dem Fernseher auch Orientierung bieten, sich mit dieser Art von Unterhaltung vertraut zu machen, wie die britische BBC schreibt. Auch sollte gezeigt werden, dass es in Ordnung ist, über die Missgeschicke der Protagonisten zu lachen. Die Laugh Box trat ihren Siegeszug an, sogar bei Serien, die keine Unterstützung vom Band nötig gehabt hätten, wurden Laugh Tracks verwendet.

In den 1960er Jahren liefen die falschen Lacher sogar bei Cartoon-Serien wie den „Jetsons“ mit. Ab den 1970er Jahren wurden immer mehr Serien wieder vor Publikum aufgezeichnet. Dabei wird das natürliche Gelächter trotzdem meist künstlich aufgefettet. Manche Serien blieben hingegen beim Lachen aus der Retorte: etwa „Alf“ oder „Eine schrecklich nette Familie“. Auch neuere Formate wir „2 Broke Girls“ setzen weiterhin darauf.

Nicht jedermanns Sache

Doch auch Widerspruch wurde schon früh laut. „Die Lachspur ist die größte Beleidigung der öffentlichen Intelligenz, die ich kenne, und sie wird keinem Publikum einer Show, bei der ich etwas zu sagen haben, jemals aufgezwungen werden.“ So drastisch wehrte sich etwa der Schauspieler und Produzent David Niven 1955 in einem Interview.

David Niven, 1959

AP

David Niven sah vorgefertigte Lacher als Affront an

Doch der Großteil der TV-Macher blieb der Laugh Box verhaftet, für das Publikum wurde das eingespielte Lachen Gewohnheit und Begleiter eines üblichen Fernsehabends. Sie erwarteten es regelrecht.

Lachen, um dazuzugehören

Wissenschaftliche Studien untermauerten die These der TV-Produzenten aber nur zum Teil, wie die „New York Times“ berichtete: Eine oft zitierte psychologische Untersuchung aus dem Jahr 1974 zeigte, dass Zuseher, die Laugh Tracks beim Fernsehen hörten, selbst mehr lachten und das Gesehene als Lustiger bewerteten - aus einer Art Konformitätsdruck heraus: Man lacht mit, um dazuzugehören. Andere Untersuchungen konnten das nicht bestätigen. Wissenschaftlich klare Einordnungen gibt es also bisher nicht.

Retortenlacher im Niedergang

Über die Jahrzehnte gab es auch immer wieder Versuche, sich vom Einsatz der Laugh Box zu verabschieden. Viele äußerst erfolgreiche Sitcoms ohne Lacher vom Band erfreuten besonders die Gegner der Retortenlacher. Die BBC sieht darin sogar eine Trendwende im Fernsehkonsum selbst: Wollten die Zuseher früher der Masse angehören, schätze man heute das Erlebnis abseits des Mainstreams.

Unter den sieben halbstündigen US-Sitcoms dieses Herbstes seien daher auch nur noch drei, die Laugh Tracks verwendeten („The Great Indoors“, „Kevin Can Wait“, „Man With a Plan“, alle auf CBS). Zudem sei keine der sieben Emmy-nominierten Comedy-Serien von künstlichem Lachen unterstützt. „Was einst essenzielles Element einer Sitcom war, gilt heute als Etikett für eine anspruchslose Show für die Massen, nicht für etwas, das die coolen Kids anschauen würden“, heißt es da.

Die „New York Daily News“ berichtet auch über das langsame Verschwinden der Erfindung: Im Jahr 1995 startete die Saison mit 55 US-Comedyserien inklusive Laugh Tracks. Zehn Jahre später waren es 34, im Jahr 2015 gab es nur noch fünf von insgesamt 15 vor Publikum aufgezeichneten Serien großer TV-Anstalten mit solchen Lachspuren.

Kein Lacher: „Gruselig“

Der Streit um Ja oder Nein zu Laugh Tracks geriet zu einer eigenen Wissenschaft unter TV-Liebhabern. Chuck Lorre, der Produzent der „The Big Bang Theory“, etwa verwahrt sich seit Jahr und Tag gegen den Vorwurf, Laugh Tracks zu verwenden. Die Lacher stammten vom echten Publikum, so Lorre (in der deutschen Synchronfassung hingegen kommen sie vom Band).

Ob echt oder gefälscht, die Lacher an sich scheinen oft notwendig zu sein, wie etliche YouTuber zeigen: Sie haben es sich zum Sport gemacht, Sitcom-Szenen ins Netz zu stellen und die Lacher zu entfernen. Das Ergebnis: „gruselig“, wie die Huffington Post urteilt.

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