„Missstände und Ungerechtigkeit“
Bonita, Chiquita, Del Monte, Don Mario oder Fyffes - praktisch kein Frischobstmarkt ist so von Marken dominiert wie jener der Bananen. In Ecuador - dem größten Bananenproduzenten der Welt - spielen sie alle mit. Aber das ist nur ein Grund, weshalb der Handel mit den beliebten Früchten völlig intransparent ist. Die Beziehungen zwischen Produzenten in Ecuador und Supermarktketten in Europa liegen im Dunkeln.
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Zudem sind in der Lieferkette - also vom Produzenten im Herkunftsland bis zum Einzelhandel - viele Firmen beteiligt. Das beginnt bereits bei der Produktion: In Ecuador ist der Bananenanbau von relativ kleinen Unternehmen dominiert. Damit verkaufen Hunderte Bananenproduzenten ihre Produkte an rund 200 Exportunternehmen, die sich entweder in inländischem oder ausländischem Besitz befinden.
Netz an Zwischenhändlern
Doch die Konzentration ist hoch: Die zehn größten Firmen wickeln etwa die Hälfte der Exporte ab. Dazu kommt ein Netz an Zwischenhändlern, die sich in die Lieferkette zwischen Produzenten und Exporteuren schalten. Die Importeure sind entweder unabhängige Lieferanten von Reifereien (Anlagen, in denen die grün gelieferten Bananen reifen) und Einzelhändlern oder sind wirtschaftlich von Einzelhandelskonzernen abhängig. Dutzende europäische Firmen importieren Bananen aus Ecuador.

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Bananen für die ganze Welt - angeliefert in Containern aus Ecuador
Undurchsichtige Lieferketten begünstigen wiederum unfaire Handelspraktiken, was sich auf den ganzen Prozess auswirkt. Besonders betroffen sind die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Plantagen und Verpackungsstationen. An der Schieflage ändert sich nichts, zu groß ist die Angst vor Auftrags- und Jobverlust. Größere Produzenten sind freilich im Vorteil, sie können sich einfacher auf die vorhandenen Rechtsmittel berufen, gerade im Falle der vielen Kleinbauern sieht das anders aus.
Bezahlung unter dem Mindestpreis
Ein Problem sind die saisonalen Schwankungen: Im Winter ist die Nachfrage in Europa wesentlich höher als im Sommer, wenn europäisches Obst Saison hat. Große Produzenten können schwächere Nachfrage einfach ausgleichen, für kleinere Betriebe erhöht sich der Druck. Auch wenn der ecuadorianische Staat einen Mindestpreis vorschreibt, ergibt sich ein Problem: Er wird nicht gezahlt. So erhöhen die Abnehmer die Qualitätsanforderungen, um für dasselbe Geld mehr Ware zu erhalten.

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Knapp 20 Kilogramm Bananen für den Export - in Ecuador 5,5 Euro wert
Bauern oft unterbezahlt
Während der staatliche Mindestpreis in Ecuador 6,16 US-Dollar (etwa 5,5 Euro) pro Kiste beträgt, schwingt die Preisspanne in beide Richtungen aus und bewegt sich zwischen neun und nur drei US-Dollar. Fixe Preise gibt es in der Branche kaum. Eine Ausnahmeregelung stellt nach eigenen Angaben die Organisation Fairtrade sicher, die mit den lizenzierten Kooperativen eine transparente Preisstruktur vereinbart hat.
Davon profitiert etwa die Genossenschaft ASOGUABO, eine Vereinigung von 125 Kleinbauern mitten in der Bananenprovinz El Oro. Auf Einladung von Fairtrade bekam ORF.at einen Einblick in Geschäftspraktiken und die Arbeit auf den Plantagen. Im Falle zertifizierter Produzenten werden andere, höhere Mindestpreise vereinbart: So verfügt ASOGUABO über eine Handelsbeziehung mit Agrofair, einem in den Niederlanden ansässigen Importeur, der sich auf den Handel mit biologischen, tropischen Früchten spezialisiert hat. Agrofair zahlt der Kooperative 11,90 US-Dollar pro Kiste.

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Vom Hafen Puerto Bolivar aus nehmen die Bananen Kurs auf die ganze Welt
Dabei handelt es sich um den von Fairtrade festgelegten Mindestpreis für Biobananen. Über ASOGUABO geht das Geld wöchentlich an die Bauern: Für „fair“ gehandelte Biobananen werden derzeit etwa 9,10 US-Dollar, für konventionelle Bananen 6,16 US-Dollar pro Kiste gezahlt - also genau der Mindestpreis. Eine Unterbezahlung wird ausgeschlossen, versichern Fairtrade und Agrofair.
Schutzbestimmungen ja, Kontrollen nein
In herkömmlichen Betrieben der ecuadorianischen Bananenproduktion sind aber Unterbezahlung und prekäre Arbeitsverhältnisse, also etwa unbezahlte Stunden oder eine Überschreitung der Maximalarbeitszeit, eher die Regel als die Ausnahme. So richtet sich das Stundenausmaß nicht nach dem Gesetz, sondern nach dem Ernte- bzw. Arbeitsaufwand. Weil auch in Ecuador eine Regelarbeitszeit von acht Stunden gilt, kommt es regelmäßig zu Überschreitungen - bezahlt werden die Überstunden in der Regel nicht.

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Auch Schutzbestimmungen werden in vielen Betrieben nicht eingehalten. In der Bananenproduktion hat das besonders fatale Auswirkungen: Denn weil Bananenpflanzen besonders anfällig für Krankheiten sind, ist der Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln unerlässlich. Insbesondere bei großen Anbaufeldern werden dafür Sprühflugzeuge eingesetzt. Das hat besonders schwerwiegende Folgen für die Arbeiter, die entgegen den Vorschriften auf den Feldern weiterarbeiten müssen.
„Schwindel und Hautreizungen“
Das Landwirtschaftsministerium stellt mangelnde Kontrollen und damit die Gängigkeit der illegalen Praxis in Abrede. „Es gibt ein staatliches Programm, wonach Abstände zu bewohnten Gebieten einzuhalten sind“, sagt Marco Oviedo gegenüber ORF.at. Er leitet im Ministerium eine Stelle, die die Kleinproduzenten des Landes bei deren Entwicklung unterstützt. Der Bananensektor unterliege genauen Regulativen, gibt er an.
Arbeiter auf konventionellen Plantagen schildern ein anderes Bild: „Schutzkleidung gibt es keine“, heißt es gegenüber ORF.at. Deren Angaben decken sich mit den Schilderungen von Jorge Acosta, einem ehemaligen Piloten von Sprühflugzeugen und nunmehrigen Gewerkschafter. „Immer öfter habe ich unter Schwindel und Hautreizungen gelitten, auch viele andere Arbeiter hatten Probleme“, erzählt er.
Gewerkschafter erhielt Todesdrohungen
Arbeitsrechtliche Rückendeckung für die Beschäftigten ist praktisch nicht vorhanden, die großen Unternehmen nutzen diesen Umstand aus - ohne Konsequenzen tragen zu müssen. Das generelle Problem ist, dass weniger als ein Prozent der Ecuadorianer in einer Gewerkschaft organisiert sind. Gewerkschafter Acosta ist mit 800 Mitgliedern in der ASTAC (Organizacion de Trabajadores Bananeros de Ecuador, Organisation für Bananenarbeiter in Ecuador) zusammengeschlossen.
„Konventionelle Produktion bringt so viele Missstände und Ungerechtigkeit mit sich“, sagt er gegenüber ORF.at. Er sei für sein Engagement für Arbeiterrechte auch schon mit dem Tod bedroht worden, schildert Acosta. Als Gegenentwurf stellt sich die Lage jener (Klein-)Produzenten dar, die mit dem Fairtrade-Label zertifiziert sind. Dazu gehören ausreichende Arbeitsschutzkleidung und Versorgung bzw. finanzielle Unterstützung im Verletzungs- und Krankheitsfall. Zudem heftet sich Fairtrade Unterstützung für soziale Projekte auf die Fahnen.
„Ecuador ist kein Verbündeter“
Im Falle der Kooperative ASOGUABO sind das in der gesamten Region El Oro etwa Schulen, eine Einrichtung für körperlich und geistig behinderte Kinder und ein Pflegezentrum für ältere Menschen, die an einer Krankheit leiden und eine Therapie benötigen. Aufbau und Instandhaltung der Einrichtungen werden über die „Fairtrade-Prämie“ gewährleistet. Dabei handelt es sich um einen zweckgewidmeten Beitrag der Organisation für die zertifizierte Kooperative.

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Das große Geld mit dem Bananenverkauf wird nicht in Ecuador gemacht, sondern von den großen Supermarktketten in den USA, Russland und Europa
Die Existenz dieser Einrichtungen fußt jedoch auch auf schwachen staatlichen Angeboten: Generell verfügt Ecuador über ein Sozialversicherungssystem, das Vertrauen der Bevölkerung in die medizinische Versorgung ist aber sehr gering. Oftmals wird freiwillig auf den Versicherungsschutz verzichtet, um mehr Gehalt zu erlangen. Gewerkschafter Acosta dazu: „Die Republik Ecuador ist kein Verbündeter.“
„Supermärkte entscheiden“
Am Ende gibt es bei all den unfairen Strukturen und Intransparenzen nur einen wirklichen Profiteur: Während Anbau, Ernte, Verarbeitung, Reifung, Handel und Transport viel Geld kosten, geht verhältnismäßig wenig Geld vom Konsumenten an diese Segmente. Ausgerechnet in der letzten Etappe geht die Marge für die Banane unerwartet weit auseinander.
„Die Supermärkte entscheiden, welchen Preis sie bereit sind zu bezahlen“, sagt Ben Huyghe von Agrofair. Er ist seit zwanzig Jahren im Bananengeschäft tätig. Die Realität im internationalen Handel sehe so aus: „Wenn man Obst nach Europa verkaufen will, braucht man das GlobalGAP-Zertifikat (eine weltweit angewendete Zertifizierung, Anm.), sonst kommt man gar nicht ins Geschäft. Es ist praktisch die Eintrittskarte in einen Markt“, so Huyghe.
Einzelhandel streift am meisten ein
Dabei gehe es noch gar nicht um Zertifikate wie jenes von Fairtrade, das sich zusätzlich auch an Konsumenten und deren Bereitschaft, für „faire“ Produktion mehr zu zahlen, richte. Generell habe sich die Nachfrage in den vergangenen Jahren verändert, schildert Huyghe. Nicht verändert haben sich hingegen die Aufteilung der Profite in der gesamten Branche: Mehr als ein Drittel des Endverkaufspreises streift der Einzelhandel ein - an die Produzenten mitsamt der Arbeiter gehen gerade einmal 13 Prozent.
Valentin Simettinger, ORF.at
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