Kampf für Selbstbestimmung
Tausende Bürgerrechtsaktivisten in Saudi-Arabien haben in einer Petition von König Salman die Abschaffung des Vormundschaftssystems gefordert, das Männern in dem erzkonservativen Königreich weitreichende Rechte über die Frauen zubilligt.
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Sie verlangten in der Petition, der König solle „ein Alter für die Volljährigkeit der Frauen“ festlegen, „ab dem sie erwachsen sind und die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen“, sagte die emeritierte Akademikerin Asisa al-Jusuf am Dienstag. Fast 15.000 Menschen hätten die Petition unterzeichnet, in der gefordert wird, die zehn Millionen Frauen des Landes „vollständig als Bürger“ zu behandeln. Ihr Versuch, die Petition dem königlichen Kabinett zu überreichen, sei allerdings gescheitert, sagte Jusuf. Stattdessen werde sie diese nun per E-Mail übermitteln.
Abhängig von männlichen Verwandten
In Saudi-Arabien gilt eine besonders strenge Auslegung des islamischen Rechts, der Scharia. Für Frauen bedeutet das, dass sie selbst für alltägliche Kleinigkeiten die Zustimmung ihres gesetzlichen männlichen Vormunds benötigen, nicht arbeiten oder reisen dürfen. Bis sie verheiratet sind, übernimmt der Vater diese Funktion, danach der Ehemann. Witwen sind von den Entscheidungen ihres Sohnes oder eines anderen nahen männlichen Verwandten abhängig.
Ein im Sommer von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) veröffentlichter Bericht über die aktuelle Situation von Frauen in Saudi-Arabien sorgte für Aufsehen und veranlasste eine Gruppe von Aktivistinnen, die Petition „#IAmMyOwnGuardian“ (Ich bin mein eigener Vormund) zu starten.
Laut Jusuf wurde die Petition auch von einigen Religionsvertretern unterzeichnet, die der Auffassung sind, dass die strengen Gesetze nicht im Islam verankert sind, sondern rein vom Königshaus ausgehen. Dort wiederum gebe es einige durchaus für Reformen offene Familienmitglieder, die jedoch von konservativen Führern unter Berufung auf den Koran überstimmt würden.
Kleine Schritte auf Weg zu mehr Rechten
„#IAmMyOwnGuardian“ ist nicht die erste aufsehenerregende Initiative, neben internationalen Protesten formierte sich auch in Saudi-Arabien schon in der Vergangenheit immer wieder Widerstand gegen dieses System, etwa 2013, als eine Petition vergeblich für das Recht von Frauen, ein Auto lenken zu dürfen, eintrat. Im März 2014 hatte eine ähnliche Initiative auf die Ungleichbehandlung hingewiesen und unter anderem dazu aufgerufen, gegen die Verheiratung Minderjähriger sowie sexuelle Belästigung vorzugehen.
Auch wenn es bis zur Gleichberechtigung für saudische Frauen noch ein sehr weiter Weg ist, zeichnen sich doch kleine Verbesserungen ab. Seit Ende letzten Jahres gewährt das Könighaus auch Frauen, die bis dahin von politischen Prozessen völlig ausgeschlossen waren, das Wahlrecht. Freilich in einer sehr eingeschränkten Demokratie: Auch die Männer können erst seit 2005 und nur bei Kommunalwahlen ihre Stimme abgeben. Der Einfluss der gewählten Gremien ist gering, die Befugnisse reichen über Straßenbau, öffentliche Anlagen und Müllabfuhr kaum hinaus. Politische Parteien und selbst Demonstrationen sind in Saudi-Arabien verboten.
Rechte der Religionspolizei eingeschränkt
Seltenes Lob von der Menschenrechtsorganisation HRW erntete Saudi-Arabien im Frühjahr für die Beschneidung der Rechte der Religionspolizei. Die gefürchteten Sittenwächter, die in der Öffentlichkeit die Einhaltung der strengen Regeln überwachen, sind zwar nach wie vor aktiv, dürfen aber seit heuer niemanden mehr festnehmen. Stattdessen müssen sie Verstöße der Polizei melden.
HRW nannte das einen „positiven Schritt für die Menschen in Saudi-Arabien“, rief die saudische Regierung aber dazu auf, die Rechte der Behörde für die Förderung der Tugend und Vermeidung des Lasters weiter zu beschneiden.
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