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Betroffene Länder an einem Tisch

Am Samstagvormittag hat Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) die Regierungschefs von zehn Staaten, die von der Flüchtlingskrise besonders betroffen sind, in Wien empfangen. Österreich will sich für einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen und mehr Hilfe in den Herkunftsländern einsetzen - und die Geschwindigkeit konkreter Problemlösungen erhöhen.

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Es müsse viel mehr Druck aufgebaut werden, sagte Kern im Vorfeld. „Mit dem bisherigen Tempo in diesen Fragen kann man nicht zufrieden sein.“ Das Treffen dient aber auch der Vermittlung zwischen den in der Flüchtlingsfrage gespaltenen europäischen Ländern. Eingeladen waren nicht nur Vertreter Sloweniens, Kroatiens, Serbiens, Albaniens, Ungarns, Bulgariens, Mazedoniens und Rumäniens.

In der Vermittlerrolle

Anders als bei der Westbalkan-Konferenz im Februar in Wien nehmen dieses Mal auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der griechische Premier Alexis Tsipras teil. EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos und EU-Ratspräsident Donald Tusk sind ebenfalls dabei. Tusk sagte vor dem Termin in Wien: „Wir müssen praktisch und politisch sicherstellen, dass die westliche Balkan-Route für illegale Migration für immer geschlossen ist.“

Tusk betonte, dass er „seit dem ersten Tag keinen Zweifel“ daran gehabt habe, wie wichtig eine effektive Kontrolle der Außengrenze sei. Eine essenzielle Voraussetzung dafür sei eine „enge Zusammenarbeit“ zwischen den Partnerländern im Westbalkan sowie der Türkei, betonte er vor Journalisten. „Heute sollten wir diskutieren, wie wir unser Handeln noch effektiver machen.“

Im Februar hatten die Staaten des Westbalkan unter Federführung von Außenminister Sebastian Kurz und der damaligen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP) bei einer Konferenz in Wien die Schließung der Westbalkan-Route vereinbart. Griechenland reagierte damals empört, dass es nicht zur Konferenz geladen war. Auch aus Deutschland kam scharfe Kritik. Einen diplomatischen Eklat wollte man dieses Mal vermeiden und vermittelnd wirken.

Ungarn im Fokus

„Insbesondere bei den Themen Schutz der Außengrenzen und Hilfe vor Ort müssen wir schneller vorankommen“, sagte Kern. Dabei erwartete der Kanzler „unterschiedliche Positionen“. Trotzdem sei es notwendig, mit allen Betroffenen zu beraten. Besonders Ungarn steht dabei im Mittelpunkt, nachdem sich Budapest beharrlich weigert, Flüchtlinge gemäß der Dublin-Regelung zurückzunehmen. Diese besagt, dass jenes Land für das Asylverfahren eines Geflüchteten zuständig ist, in dem dieser erstmals europäischen Boden betreten hat.

Thema wird auch die vor über einem Jahr vereinbarte Quote zur Verteilung von Flüchtlingen aus Griechenland und Italien sein. Die osteuropäischen EU-Staaten weigern sich bisher großteils, einen Anteil von insgesamt 160.000 Menschen aufzunehmen. Bisher wurden erst 4.140 Flüchtlinge aus Griechenland auf die EU-Staaten verteilt. Ungarn lässt zudem kommende Woche über die verbindlichen Quoten abstimmen - neuer Zündstoff für die Debatte.

Kritiker und Nutznießer zugleich

Im Interview mit dem „Standard“ sagte Kern, dass die Lage an Ungarns Grenze „humanitär nur schwer erträglich“ sei. Gleichzeitig sei man aber auch „Nutznießer dieser Orban’schen Politik, weil damit viel weniger Flüchtlinge nach Österreich oder Deutschland kommen“. Dadurch ergebe sich die Verantwortung für die negativen Folgen. „Irgendwann werden sich diese Menschen von allein auf den Weg machen, und das Problem verschiebt sich an eine andere europäische Grenze.“

Für Debatten könnte aber auch Österreichs Richtwert sorgen: Wenn dieses Jahr die Zahl von 37.500 Asylanträgen überschritten wird, sollen per Notverordnung weitere Schutzsuchende an der Grenze abgewiesen werden. Bis Ende August zählte das Innenministerium bereits etwa 26.400 Anträge. Wird der Richtwert überschritten, könnten viele Flüchtlinge in den Nachbarländern festsitzen.

Investitionen in Herkunftsländern

Das Treffen in Wien ist der zweite große internationale Flüchtlingsgipfel innerhalb einer Woche. Kanzler Kern und Außenminister Kurz nahmen bereits am UNO-Flüchtlings- und Migrationsgipfel im Rahmen der Generaldebatte in New York teil. Auch dabei ging es vorrangig bereits um die Frage, wie die Lage in den Herkunftsländern der Flüchtlinge verbessert werden kann.

Kern schlug dabei einen „Marshallplan“ für Afrika vor. Eine nachhaltige Lösung dürfe nicht nur momentane Abhilfe umfassen, vielmehr müsse sie die Ursachen der Migration bekämpfen. Es gelte, mittels Investments das Potenzial der afrikanischen Länder zur fördern, so Kern. Zusätzlich sprach er sich für ein EU-Flüchtlingsabkommen mit Ägypten aus.

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