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Eine Krankenschwester, die piept

In Singapur leiden Gastronomie und Dienstleistungsbranche stark unter relativ neuen Beschränkungen für ausländische Arbeitskräfte. Seit 2011 wurden die Möglichkeiten, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, sukzessive begrenzt. Diese und andere Maßnahmen schlagen sich inzwischen zu Buche und verursachen Probleme, die man auch mit Hilfe von Robotern lösen will. Diese lenken bereits Taxis oder tun Dienst im Spital.

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„In Singapur ist es schwierig, ausländische Arbeitskräfte zu bekommen. Es ist also äußerst hilfreich, einen Roboter zu bekommen“, so der Geschäftsführer des Chilli Padi Nonya Cafes, Kannan Thangaraj, zur „Financial Times“. In seinem Lokal nahe der Universität räumt ein Roboter die Tische ab. „Die Gäste kommen wegen des Roboters wieder, sie wollen ihn sehen.“ Für seine Arbeit bedarf die Maschine der Hilfe der Gäste. „Könnten Sie mir helfen, Ihren Tisch abzuräumen?“, tönt der Roboter. Er verrichtet Assistenzdienste - in Singapur ein Fingerzeig in die Zukunft.

In dem asiatischen Stadtstaat sind rund 40 Prozent der rund fünf Millionen Bewohner ausländische Fach- und Arbeitskräfte, ein Gutteil aus China. Die Regierung holte sie ins Land, weil die Geburtenrate mit 1,2 Babys pro Frau laut Statistik eine der weltweit niedrigsten ist.

Engpass schlägt sich zu Buche

Nun schlägt das Pendel aber in die andere Richtung aus: Die Hemmnisse, die die Regierung in den vergangenen Jahren für die Beschäftigung von Ausländern etablierte, führten zu einer regelrechten Krise in einigen Bereichen. Viele Jobs werden aufgegeben oder bleiben unbesetzt. In der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie sind rund 90 Prozent der Firmen vom Engpass betroffen, ein Drittel kämpft bereits laut Interessenvertretung gegen die wirtschaftlichen Folgen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

Nun sollen elektronische Aushilfen das Problem lösen. Dienstroboter übernehmen ungeliebte Tätigkeiten und Assistenzarbeiten, an denen es beim Großteil der qualifizierten einheimischen Bevölkerung kein Interesse gibt.

Viele Millionen werden investiert

Die Regierung von Premier Lee Hsien Loong von der konservativen People’s Action Party lässt sich diese Entwicklung einiges kosten: Singapur wird in den kommenden drei Jahren 450 Millionen Singapur-Dollar (etwa 296 Millionen Euro) in die Beschäftigung von Robotern investieren. Das Chilli Padi Nonya Cafe erhält zum Beispiel 70 Prozent der Kosten des Servierroboters als Subvention. Anders wäre es auch nicht zu machen: Der Preis der Maschine, die vom Singapurer Unternehmen Unitech Mechatronics stammt, beläuft sich derzeit noch auf umgerechnet 31.000 Euro.

Einsatz im Spital

Roboter werden auch bereits in Spitälern des Inselstaats eingesetzt: Im Mount-Elizabeth-Novena-Krankenhaus sorgt etwa ein Roboter dafür, dass die Vitalzeichen der Patienten auf der Intensivstation systematisch überwacht werden. Spitalsmanager Louis Tan sagte, die „automatische Krankenschwester“ habe die Patientensicherheit erhöht. „Das heißt nicht, dass die Krankenschwestern aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Sie haben nur eine weitere Hilfe“.

Möglich macht das zum Beispiel die Watson-Technologie des US-amerikanischen IT-Konzerns IBM, ein Computerprogramm aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz. Mit diesem System arbeitet IBM daran, alle Arten von Daten zu analysieren und Mensch und Maschine interagieren zu lassen.

Ein Begleiter für jeden Tag

Diese und ähnliche Technologien können so gut wie überall Anwendung finden. In der Fast-Food-Kette Pizza Hut in Singapur und anderen asiatischen Ländern kann sogar schon per Roboter bezahlt werden: Ein humanoider Roboter mit Namen „Pepper“ wurde erstmals mit einer Zahlapplikation von MasterCard ausgestattet. „Pepper“ soll Essenswünsche auf- und Kartenzahlung annehmen.

Der IBM Watson Roboter "Pepper"

APA/AFP/John MacDougall

Roboter „Pepper“ analysiert Mimik und Gestik von Menschen

Die menschlichen Kellner sollen so entlastet werden. Der Roboter stammt von der japanischen Kommunikationsfirma SoftBank, die „Pepper“ als ersten humanoiden Roboter bewirbt, der fähig sei, grundlegende menschliche Emotionen zu erkennen und sein Verhalten danach auszurichten. „Wir haben ‚Pepper‘ als echten Alltagsbegleiter gestaltet“, heißt es auf der Firmenwebsite. Eine andere Firma, Aitech Robotics, entwickelte eine „automatische Teelady“, die Büroangestellte mit Essenslieferung versorgt.

Taxis im Test

Jüngst startete Singapur auch mit selbstfahrenden Taxis durch. Ausgewählte Tester können seit April per App ein Robotaxi ordern, das vom US-Start-up nuTonomy betrieben wird. Fürs Erste fährt aber noch je ein Techniker der Firma mit, zur Sicherheit. NuTonomy ist nach eigenen Angaben damit der erste Marktteilnehmer, der Kunden in einer realen Umgebung kutschiert - im Experimentierfeld Singapur.

Selbstfahrendes Taxi in Singapur

APA/AP/Yong Teck Lim

NuTonomy: In Singapur fahren bereits Taxis ohne Chauffeur

Auch wenn es schon in vielen Branchen praktische Beispiele gibt, wie Roboter in Singapur zum Einsatz kommen - allgegenwärtig sind sie dennoch längst nicht. Hersteller klagen über die globale Wirtschaftsflaute, manche Kunden über Defizite und Langsamkeit der Roboter. Während Maschinen, die in der Industrie zum Einsatz kommen, längst verbreitet sind, sind Dienstleistungsroboter noch etwas Besonderes, auch in Singapur.

Angst vor Jobverlust

In den USA und Europa sorgt man sich zeitgleich um die Folgen, die Dienstroboter verursachen können. Ein Bericht des Weltwirtschaftsforums (WEF) zum Thema „Die Zukunft der Beschäftigung“ brachte jüngst alarmierende Zahlen an die Öffentlichkeit.

Der Report, der auf einer Umfrage unter den Topmanagern der 350 größten Konzerne der Welt beruht, geht von massivem Jobverlust aus: Künstliche Intelligenz kostet laut diesem in den nächsten fünf Jahren in 15 führenden Ländern rund 5,1 Millionen Arbeitsplätze. Zwei Drittel der prognostizierten Verluste werden laut der Studie voraussichtlich in den Büro- und Verwaltungsbereichen stattfinden und weniger in den Fabriken, die bereits weitgehend automatisiert sind. In Singapur sind solche Sorgen noch fern: Hier herrscht Vollbeschäftigung.

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