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„Wichtiger Schritt Richtung Transparenz“

Zunächst hat der Soloauftritt von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) vor Journalisten im Vorfeld des Ministerrats am Dienstag für Ärger bei der ÖVP gesorgt. Dann berichtete ÖVP-Chef Vizekanzler Reinhold Mitterlehner nach der Sitzung von einer Aussprache. „Ich bin mit dem Bundeskanzler übereingekommen: Dieses Format wird die Ausnahme sein.“

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Zunächst hatte sich Mitterlehner noch recht unmissverständlich über Kerns Vorgehen beschwert: „Ärger ist die falsche Kategorie, aber das kann nicht so sein.“ Derartige Alleingänge würden gegen das Miteinander und gegen den Teamgeist in der Koalition sprechen, sagte Mitterlehner noch vor der Aussprache.

Bundeskanzler Kern

APA/Roland Schlager

Kerns Alleingang störte Mitterlehner

Kern sieht reine Journalistendiskussion

Eher enerviert reagierte Kern auf die koalitionären Streitigkeiten über die Änderungen beim Ministerratsfoyer. Vor dem SPÖ-Präsidium verwies er auf die von der Koalition am Dienstag festgelegten Reformzeitpläne. Alles andere seien Diskussionen, die nur Journalisten interessierten.

Generell war außerhalb der Ministerratssitzung weniger Sachpolitik das Thema - eher ging es darum, den neu organisierten Auftritt der Koalition zu verteidigen. Insgesamt handle man transparenter, lautete der Tenor beim ersten „Debriefing“, in dem die Regierungskoordinatoren von SPÖ und ÖVP, Thomas Drozda und Harald Mahrer, vor die Presse traten.

Mahrer erkennt „gläsernen Staat“

Mahrer sieht vor allem die noch freiwillige Veröffentlichung der Ministerratsbeschlüsse als „sehr positive Entwicklung“ im Sinne der Transparenz und des „gläsernen Staats“. Angedacht sei auch, dass dieser Schritt durch ein mögliches Informationsfreiheitsgesetz künftig zur „durchsetzbaren Verpflichtung“ werde.

Pressesprecher Markus Habermann, die Regierungskoordinatoren Harald Mahrer (ÖVP) und Thomas Drozda (SPÖ) sowie Pressesprecher Nedeljko Bilalic

APA/Roland Schlager

Mahrer und Drozda informierten, flankiert von den jeweiligen Pressesprechern

Die getrennten Auftritte der Regierungsspitze sah der ÖVP-Staatssekretär allerdings skeptisch: „Ich bin persönlich der Meinung, dass es gut ist, wenn der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler gemeinsam vor die Öffentlichkeit treten.“ SPÖ-Vertreter Drozda wollte seine persönliche Sicht der Dinge nicht offenbaren und sprach ebenso wie sein ÖVP-Pendant von einem „wichtigen Schritt in Richtung Transparenz“.

27 Tagesordnungspunkte seien beim Ministerrat behandelt worden, davon fünf Tischvorlagen. Lediglich wenige Berichte könnten aus Datenschutzgründen nicht veröffentlicht werden. Im neuen Rahmen aktiv präsentiert wurden beschlossene Schwerpunkte der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Arbeit sowie die Mandatsverlängerungen bei zwei Auslandseinsätzen des Bundesheeres. Die Beschlüsse wurden am frühen Nachmittag online gestellt.

Traditionelles Pressefoyer zuletzt abgeschafft

Erst vergangene Woche war die Abschaffung des traditionellen gemeinsamen Pressefoyers mit Kanzler und Vizekanzler nach dem Ministerrat verkündet worden. Über die Ergebnisse informierten in der Folge die Regierungskoordinatoren von SPÖ und ÖVP, Thomas Drozda und Harald Mahrer. Kern führte am Dienstag bereits vor der Ministerratssitzung ein Pressegespräch, bei dem er den Zeitplan für die Herbstarbeit der Regierung präsentierte.

ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner

Picturedesk.com/Georges Schneider

Mitterlehner äußerte seinen Unmut vor dem Ministerrat

Der Vizekanzler wollte nach dem Ministerrat - wie er es bereits vor einer Woche angekündigt hatte - ebenso die Journalisten informieren. Vergangene Woche hatte er gesagt, dass gemeinsame Auftritte mit Kern künftig nur noch bei großen Themen stattfinden würden. Bei seinen Aussagen nach dem Ministerrat solle es auch eine „Auseinandersetzung mit Journalistenfragen“ geben, kündigte Mitterlehner an.

„Überinterpretation“ verhindern

Zuletzt räumte der ÖVP-Obmann ein, dass das Pressefoyer Vor- und Nachteile gehabt habe. Zwar werde künftig die „Überinterpretation“ verhindert, dass „jeder Augenaufschlag auf die Waagschale gelegt wird“, es fehle aber auch die wöchentliche, regelmäßige Auseinandersetzung. Ein eigenes Blog wie von Kanzler Kern geplant werde er nicht führen, so Mitterlehner, er verwies jedoch auf seinen Facebook- und Twitter-Auftritt.

Kern hatte seinerseits angekündigt, ersatzweise Hintergrundgespräche und ein „Kanzlerblog“ zu führen. Die Ankündigungen waren auf deutliche Kritik von Medienvertretern gestoßen. Kerns Vorgänger als SPÖ-Chef und Kanzler, Werner Faymann, hatte im Februar 2014 versucht, sich der wöchentlichen Frage-und-Antwort-Runde nach dem Ministerrat zu entziehen. Es wurde ein Rotationsprinzip eingeführt, wonach jeweils zwei SPÖ- und ÖVP-Minister auftreten sollten. Faymann selbst wolle seine Auftritte im Pressefoyer künftig „situationselastisch“ gestalten, hieß es damals.

Anfang vom Ende 2007

Wenn Mitterlehner und Kern nach dem Ministerrat getrennt vor die Presse treten, ist das nicht neu: Nach der Neuauflage der Großen Koalition im Jahr 2007 traten SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer und ÖVP-Vizekanzler Wilhelm Molterer zunächst gemeinsam auf. Im Zuge des Streits über die Steuerreform pochte Gusenbauer dann aber auf getrennte Auftritte - nur wenige Monate später kündigte die ÖVP dann die Koalition ganz auf.

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