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Versandet in der digitalen Wüste

57 Jahre nachdem Charlton Heston sich als Ben Hur selbst ein Denkmal gesetzt und mit dem gleichnamigen Film eine ganze Reihe an Rekorden aufgestellt hat, wissen Teenager nicht mehr, worum es bei dem legendären Wagenrennen überhaupt gegangen ist, so die Produzenten des Remakes. Mit ihrer 3-D-Hochglanz-Neuverfilmung soll die Jugend für den Stoff begeistert werden.

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Der Film von 1959 zählt bis heute zu den aufwendigsten Produktionen Hollywoods - aber auch zu den erfolgreichsten. Elf Oscars vergab die Academy an das Werk, in dem 365 Schauspieler, 50.000 Statisten, über eine Million Requisiten und 40.000 Tonnen Mittelmeer-Sand zum Einsatz kamen.

Die digitale Technik macht eine derartige Materialschlacht heute unnötig, schließlich lassen sich Menschenmassen mittlerweile genauso am Computer generieren wie eine römische Galeere. Das ist zwar praktisch, birgt aber auch Gefahren, wie die Firma Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) angesichts der desaströsen US-Einspielergebnisse feststellen musste.

Mann ohne Eigenschaften

In die Sandalen von Heston hat man mit dem Briten Jack Huston einen Schauspieler gesteckt, der zwar schon bei seinem Hollywood-Debüt 2004 in „Spartakus“ erste Genre-relevante Erfahrungen gemacht hat, dem diese Schuhe aber trotzdem nicht passen wollen. Schön, aber fad ist er, und das unabhängig davon, ob er gerade geschniegelt an die metrosexuellen Ideale der 2000er Jahre heranreicht oder - in seiner Zeit als Sklave und in der Verbannung - mehr der hoodie- und barttragende Hipster ist.

Die Schauspieler Jack Huston und Toby Kebbell mit Regisseur Timur Bekmambetov

Paramount Pictures and Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc.

Regisseur Bekmambetwo plante einen „Monumentalfilm für eine neue Generation“

Was er jedenfalls auf gar keinen Fall mehr sein soll, geht es nach den Produzenten, ist ein versteckter Homosexueller. Wie einer der Drehbuchautoren des Klassikers in den 1990er Jahren bestätigte, sollten Messala und Ben Hur ja zumindest unterschwellig als Liebespaar wahrgenommen werden.

„Es ist so tragisch!“

Der neue Film will mehr auf die biblische Message - „Hoffnung, Erlösung und Vergebung“ - setzen. Produzentin Roma Downey erklärt das damit, dass sie die Theorie der schwulen Freunde ohnehin nie geglaubt hätte, und damit das auch niemand anderer mehr tut, seien sie jetzt Adoptivbrüder. Es würde nun ganz klar eine Familie auseinandergerissen, kein Liebespaar. „Es ist so tragisch!“

Tragisch - an der Grenze zum Komischen sind auch so einige Szenen des Films, wenn auch vermutlich nicht unbedingt beabsichtigt. Etwa wenn man das römische Heer auf verschneiten Berggipfeln kämpfen sieht, oder eigentlich alle Situationen, in denen Jesus (Rodrigo Santoro) Ben Hur völlig unvermittelt irgendwo auflauert, um ihn, als Zimmermann natürlich mit Hobel in der Hand, zu missionieren.

Von den Toten auferstanden, um Rache zu nehmen

Bei aller christlichen Botschaft bleibt die Geschichte, die auf einem Roman von Lew Wallace aus dem Jahr 1880 basiert, im Kern dieselbe. Ben Hur wird durch eine Intrige Messalas von seiner Familie getrennt und als Sklave auf eine römische Galeere gezwungen. Wie durch mehrere Wunder überlebt er die Jahre der Qual und kehrt voller Rachegedanken zurück.

Jack Huston und Nazanin Boniadi in einer Szene des Films "Ben Hur"

UPI

Jesus (Rodrigo Santoro) und Ben Hurs Frau Esther (Nazanin Boniadi)

Unterwegs hat er Scheich Ilderim - in der Neuverfilmung gespielt von Morgan Freeman - kennengelernt, der ihn schließlich als Pferdeflüsterer einstellt. Mit seiner Hilfe gelingt es Ben Hur nach Jerusalem zurückzukehren und dort im finalen Wagenrennen in den Wettkampf gegen Messala und de facto das ganze römische Imperium zu treten.

Ein Rennen aus der Sicht der Deichsel

Auch wenn von Anfang an klar ist, wer das Wagenrennen gewinnt - die gut 15-minütige Sequenz ist Bekmambetow immerhin ziemlich spannend gelungen und wahrscheinlich noch das Beste am ganzen Film. Der Einsatz von GoPro-Kameras, die schnellen Schnitte und ungewöhnliche Blickwinkel haben hier endlich Sinn, während sie vorher irritierend bis störend wirkten.

Die verwackelte Ästhetik ist Konzept, wie Chefkameramann Oliver Wood betont. „Die Optik erinnert an die Aufnahmen mit einem iPhone“, so der Brite, der damit Unmittelbarkeit suggerieren will. Um die Kollision eines griechischen Schiffs mit der Sklavengaleere authentisch zu inszenieren, habe er sich von YouTube-Videos eines südkoreanischen Busunfalls inspirieren lassen. Diese Erklärung wirft zwar auch eher Fragen auf, es scheint jedenfalls ein spektakulärer Crash gewesen zu sein.

Hoffnung auf russischen und chinesischen Markt

Bekmambetow feierte in Russland mit mehreren Fantasy-Action-Blockbustern große Erfolge, in Hollywood hinterließen seine wenigen US-Produktionen - zuletzt der 2012 gefloppte Film „Abraham Lincoln Vampirjäger“ - nur geringe Spuren. Ein ähnliches Schicksal dräut nun seinem „Ben Hur“. Von den rund 100 Mio. Dollar (89,5 Mio. Euro) Produktionskosten wurde in den USA nur ein Bruchteil wieder eingespielt.

Man ziele aber ohnehin eher auf den russischen und chinesischen Markt, betonten die Produzenten schon vorab. Dort ist der Hestons „Ben Hur“ weitgehend unbekannt - und wird daher vermutlich nicht als kollektiver Maßstab angelegt werden.

Sophia Felbermair, ORF.at

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