Schwieriges Treffen für Deutschland
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ist am Freitag in der polnischen Hauptstadt Warschau auf vier ihrer schärfsten Gegner in der Flüchtlingspolitik getroffen. Die aus Polen, Ungarn, der Slowakei und Tschechien bestehende Visegrad-Gruppe stemmt sich vehement gegen eine Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Länder. In anderen Bereichen forderten die Staaten aber mehr Zusammenarbeit.
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Schon vor dem Gipfel hatte sich Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban erneut gegen Merkels Flüchtlingspolitik in Stellung gebracht. Sein Ziel bei dem Treffen sei, die Politik der EU zur Aufnahme von Flüchtlingen und zu ihrer Verteilung nach Quoten rückgängig zu machen, sagte Orban am Freitag. „Die Frage ist, ob Angela Merkel bereit ist, mit uns die fehlerhafte Entscheidung aus Brüssel zu revidieren oder nicht.“
Abfuhr auch von Tschechien
Auch Tschechien hatte der Quote bei einem Treffen mit Merkel am Donnerstag zum wiederholten Mal eine Abfuhr erteilt. „Wir können keinem System zustimmen, das auf verpflichtenden Quoten zur Umverteilung von Flüchtlingen besteht“, so Ministerpräsident Bohuslav Sobotka in Prag. Merkel betonte: „Ich denke, wir bleiben im Gespräch.“ Vor dem Regierungssitz protestierten Dutzende mit Pfeifkonzerten und Rufen wie „Merkel muss weg“ gegen die deutsche Flüchtlingspolitik.

APA/AP/Alik Keplicz
Die Kluft zwischen den Visegrad-Staaten und Deutschland in der Flüchtlingspolitik bleibt tief
Sobotka sagte, dass die Gesellschaften, die Einwanderung nicht gewohnt seien, vor allem die kulturellen und religiösen Unterschiede etwa syrischer Flüchtlinge registrierten. „Gleichzeitig sind in der gleichen Region, aus der die Flüchtlinge kommen, terroristische Strukturen wie zum Beispiel der IS aktiv“, fügte er mit Blick auf IS-Anschläge in Frankreich und Deutschland hinzu. Zudem habe sich in Westeuropa gezeigt, dass die Integration muslimischer Einwanderer eben nicht immer gelinge.
Kompromissbereitere Töne ließ im Vorfeld Polen anklingen. „Wir sollten auch bei der Flüchtlingskrise eine Einigung finden“, sagte Ministerpräsidentin Beata Szydlo. Als Beispiel nannte sie allerdings keine Verteilung, sondern die Aufstockung von Entwicklungs- und humanitärer Hilfe in Kriegsgebieten. Eine gemeinsame EU-Asylpolitik gehört nach Ansicht von Szydlo nicht zu den Bereichen, die man vorantreiben sollte.
Drei Felder der Zusammenarbeit
Sowohl die vier Visegrad-Vertreter als auch Merkel nannten drei Felder, auf die sich die EU-27 künftig stärker konzentrieren sollten: die innere und äußere Sicherheit, die Wirtschaftspolitik und verstärkte Angebote an die Jugend in den EU-Staaten. Diese Themen sollten auch beim EU-Sondergipfel Mitte September in Bratislava zur Sprache kommen.
Tschechien und Ungarn sprachen sich zudem für eine gemeinsame EU-Armee aus. Szydlo und der slowakische Premier Robert Fico nannten die gemeinsame Verteidigungspolitik ebenfalls als vorrangiges Thema für die weitere Zusammenarbeit. Auch Merkel sprach sich für gemeinsame Sicherheitsanstrengungen der EU aus. Der Lissaboner EU-Vertrag lasse Möglichkeiten, um die Zusammenarbeit im diesem Bereich weiter auszubauen. Die Sicherheit sei ein grundlegendes Problem, in den Bereichen könne mehr unternommen werden, sagte Merkel, ohne sich direkt zu den Forderungen nach Gründung einer europäischen Armee zu äußern.
Engeres Zusammenrücken nach „Brexit“
Offiziell diente Merkels Besuch vor allem der Vorbereitung des informellen EU-Gipfeltreffens ohne Großbritannien am 16. September in der slowakischen Hauptstadt Bratislava, der die Weichen für den britischen EU-Austritt stellen soll. Das Treffen der EU-27 wird nach Angaben Merkels kein „Entscheidungsgipfel“, sondern der Auftakt für eine Reflexionsphase sein. Beschlüsse sollten dann zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge im kommenden Jahr fallen, ergänzte Fico.
Nach dem Votum Großbritanniens müsse die EU-Gemeinschaft gestärkt werden, sagte Szydlo. „Dabei müssen wir die Themen suchen, die uns verbinden, und nicht die, die uns teilen.“ Szydlo betonte jetzt, die EU sei nicht das Problem, sondern die Lösung für Probleme. Allerdings seien dafür erhebliche Reformen notwendig.
„Nähe zum Leben fehlt“
Am Rande des Treffens streute Merkel Bratislava als Gastgeber Blumen: „Wir freuen uns, dass Bratislava der Gastgeber sein wird, weil eine Art unserer Arbeit, auch gerade des Europäischen Rates, sich fast ausschließlich in Brüssel zu treffen, vielleicht auch etwas damit zu tun hat, dass uns manchmal ein bisschen die Nähe zum Leben fehlt und zu dem Gefühl, was Europa ausmacht.“ Merkel forderte mehr Zusammenhalt. Es sei wichtig, „dass wir in ganz unterschiedlichen Formaten aufeinander hören“.
Die Visegrad-Gruppe war in den 25 Jahren ihres Bestehens selten so einig wie jetzt in der Kritik einer dauerhaften Quotenlösung für Flüchtlinge in der EU. Eine verpflichtende Umverteilung von Flüchtlingen auf die EU-Staaten lehnen die Länder strikt ab. Ihrer Ansicht nach würde eine dauerhafte Quotenregelung zu mehr Migration führen, in der Praxis nicht funktionieren und die Gemeinschaft spalten.
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