„Der IS weiß, dass er verlieren wird“
Seit Monaten wird über eine bevorstehende Offensive zur Rückeroberung der seit 2014 von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gehaltenen irakischen Millionenstadt Mossul spekuliert. Nun mehren sich die Anzeichen, die auf einen baldigen Beginn der Schlacht um Mossul deuten.
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Die irakischen Streitkräfte und die kurdischen Peschmerga, die bei der Rückeroberung von Mossul eine zentrale Rolle spielen, verstärkten zuletzt ihre Offensiven rund im die Stadt. Berichtet wurde von umfangreichen Militäraktionen gegen die als strategisch wichtig betrachteten Vororte von Mossul.

APA/AP/Maya Alleruzzo
Irakische Spezialeinheiten rüsten sich für den Kampf um Mossul
Mit Luftunterstützung der von den USA angeführten internationalen Anti-IS-Koalition starteten die irakischen Streitkräfte etwa eine Großoffensive gegen die Stadt al-Kajjara. Zudem seien verstärkt IS-Stellungen entlang der von Bagdad nach Mossul führenden Autobahn ins Visier genommen worden.
„Diese Brigade spielt eine zentrale Rolle“
Demnächst soll zudem eine gesamte irakische Panzerbrigade nahe Mossul in Stellung gehen. Diese werde „eine zentrale Rolle“ bei der angekündigten Rückeroberung der Metropole spielen, wie der irakische Verteidigungsminister Chaled al-Obeidi diese Woche ankündigte. Mit wie vielen Soldaten die irakischen Streitkräfte um Mossul damit verstärkt werden, ließ Obeidi offen. Eine Brigade der irakischen Streitkräfte umfasst nach Angaben des Nachrichtenportals World Bulletin zwischen zwei und fünf Bataillone mit jeweils 3.000 bis 5.000 Mann.
Peschmerga übernehmen mehrere Dörfer
Südöstlich von Mossul rückten indes die Peschmerga in eine Reihe bisher vom IS gehaltener Dörfer vor. Mit der Rückeroberung von al-Kuwair, al-Chidir und rund einem Dutzend weiterer Ortschaften konnte der Belagerungsring um die Stadt weiter ausgebaut werden, wie ein Peschmerga-Anführer laut der türkischen Presseagentur Anadolu sagte. Die erst am Wochenende gestartete Peschmerga-Offensive im Umland südöstlich von Mossul ist Reuters zufolge weiter im Gange. Berichtet wird von schweren Kämpfen und Verlusten auf beiden Seiten.

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Peschmerga-Einheiten nahe Mossul
Die befreiten Ortschaften seien teils mit einem dichten Tunnelnetz durchzogen, wie der Bürgermeister des nur rund 80 Kilometer entfernten Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan, Nihad Kodscha, gegenüber der „Basler Zeitung“ („BAZ“) sagte. Der IS, der Kodscha zufolge genau wisse, dass er verlieren wird, bereite sich mit „rein defensiven Maßnahmen“ wie diesen auf „die letzten Schlachten vor“.
Irak: IS-Kommandanten aus Stadt geflohen
Irakischen Angaben zufolge seien erste IS-Anführer bereits aus der Stadt geflohen. Laut Obeidi hätten sich einige IS-Kommandanten zusammen mit ihren Familien auf den Weg nach Syrien gemacht. Manche IS-Befehlshaber versuchten dem Minister zufolge sogar, heimlich in die Autonome Region Kurdistan zu gelangen.

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Kodschas Einschätzung zufolge sei der IS militärisch schwächer als je zuvor. So wie viele andere warnte aber auch er vor einer neuen humanitären Katastrophe. So habe allein Erbil bisher 350.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen - angesichts der bevorstehenden Schlacht um Mossul könne sich diese Zahl nun aber stark erhöhen.
Hunderttausende Flüchtlinge erwartet
Die Vereinten Nationen (UNO) rechneten im Falle eines Angriffs auf Mossul mit mindestens einer Million Flüchtlinge. In Erwartung von Kämpfen flohen zuletzt Zehntausende aus der 100 Kilometer von Mossul entfernt liegenden und ebenfalls noch vom IS gehaltenen Stadt Schirkat.
Auch Obeidi bezeichnete den Schutz der etwa zwei Millionen noch in Mossul lebenden Zivilisten als das größte Problem der näher rückenden Offensive. Die geringste Zahl von Flüchtlingen, mit der die Regierung rechne, liegt laut dem Verteidigungsminister bei rund einer halben Million.
Debatte über politische Zukunft
Für zunehmende Debatten sorgt indes auch die Frage, wer im einmal vom IS befreiten Mossul das Sagen haben wird. Von der mehrheitlich sunnitischen Bevölkerung Mossuls wird etwa befürchtet, dass auch schiitische Milizen, die sich an der Offensive beteiligen wollen, ein Mitspracherecht bei der Verwaltung der Stadt einfordern werden. Die zunehmende Debatte über die Nachkriegsordnung in Mossul sorgte in der Vergangenheit für erhebliche Spannungen zwischen Erbil und Bagdad.
„Jeder will ein Stück vom Kuchen Mossul“, lautet die Einschätzung des in Erbil sitzenden kurdischen Privatsenders Rudaw. Alle beteiligten Parteien wären gut beraten, bereits vor der Schlacht um Mossul eine „klare Vereinbarung“ über die künftige Rollenverteilung auszuhandeln, sagte Chasraw Goran von der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) laut dem Sender.
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