Uneinigkeit über Kurz’ Vorschläge
Sowohl mit Lob als auch mit Tadel ist am Freitag auf die Vorschläge von Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) reagiert worden. Manche wiederum wollten sich vorerst nicht in die von Kurz angestoßene Diskussion über verpflichtende Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge und ein Verbot der Vollverschleierung einmischen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer unterstützt ein strengeres Integrationsgesetz und forderte in einer Aussendung ein Burkaverbot. Hofer lobte Kurz und Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), „sich nun für ein strengeres Integrationsgesetz einsetzen zu wollen“. Manches scheine aus seiner Sicht noch nicht zu Ende gedacht, aber die Richtung stimme, so Hofer.
FPÖ: „Teils abgekupfert, teils untauglich"
Die FPÖ selbst wertete hingegen die Kurz-Vorschläge als „teils abgekupfert, teils unangemessen und völlig untauglich“. FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache erinnerte daran, dass ein „Burkaverbot“ eine langjährige Forderung seiner Partei sei, das „selbstverständlich“ endlich kommen solle. Selbst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) habe erkannt, dass dies im öffentlichen Dienst kein Problem darstelle.
Das von Kurz geplante Integrationsgesetz hätte allerdings schon vor eineinhalb Jahren in Angriff genommen werden sollen, so Strache gegenüber der APA. Der Minister spiele wieder einmal auf Zeit. Sicherheitssprecher Walter Rosenkranz lehnte das angedachte Recht auf einen Deutschkurs in einer Aussendung ab.
SOS Mitmensch sieht Verbot kritisch
SOS Mitmensch sagte, dem Tragen gesichtsverhüllender Kleidung extrem kritisch gegenüber zu stehen, lehnt Bekleidungsverbote aber ab. Stattdessen sollten Mädchen- und Frauenrechte gestärkt werden, so die Menschenrechtsorganisation. Auch die Vereinigung der Frauenorden Österreichs rief in einer Aussendung dazu auf, sich für mehr Frauenrechte einzusetzen und Mädchen den Zugang zu Bildung zu erleichtern.
Keine Stellungnahme aus Tourismus
Die Obfrau der Wirtschaftskammer-Sparte Tourismus, Petra Nocker-Schwarzenbacher, lehnte auf APA-Anfrage ab, sich zu dem Thema zu äußern. Man wolle sich aus dieser politischen Debatte heraushalten, hieß es aus der WKÖ. Kurz selbst hatte sich 2014 im Nationalrat ablehnend zu einem Burkaverbot geäußert und gemeint, die meisten seien „Touristinnen, die in Zell am See und am Kohlmarkt sehr, sehr viel Geld in Österreich ausgeben“.
Die Migrationsexpertin Gudrun Biffl kann sich nicht vorstellen, dass verschleierte Touristinnen angehalten werden, wie sie im Ö1-Mittagsjournal sagte. Das wäre nicht gut für das Tourismusland Österreich. Denkbar sei aber, dass man zwischen touristischen Gästen und Frauen, die hier leben, unterscheidet. Die Debatte über ein Verbot der Vollverschleierung sei „in Zeiten des Terrorismus“ ein wichtiges Thema geworden.
Grüne warnen vor Lohndumping
Äußerst kritisch zeigten sich die Grünen zu Kurz’ Forderung nach Ein-Euro-Jobs. Anerkannte Flüchtlinge mit Zwang zu solchen Jobs für Lohndumping zu missbrauchen habe letztlich Österreicher im Visier, kritisierte Integrationssprecherin Alev Korun. „Das Ziel der ÖVP ist offensichtlich, Flüchtlinge als Einfallstor für noch mehr Lohndruck zu benützen. Danach wird es heißen: ‚Wenn es Ein-Euro-Jobs gibt, können wir auch österreichische Arbeitslose zu diesen zwingen.‘“
Sozialpartner unterschiedlicher Meinung
Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske lehnt den Plan ebenfalls ab. „Ich denke, dass dieser Vorschlag nur mäßig intelligent ist“, so Kaske im Ö1-Mittagsjournal. Bernhard Achitz vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) nannte die Idee „puren Populismus“. WKÖ-Experte Martin Gleitsmann hingegen findet die Idee gut. Es gehe gar nicht so sehr ums Geld, es handle sich vielmehr um eine Integrationsmaßnahme, sagte er zur APA. Gleitsmann ist überzeugt, dass es in den Kommunen genügend Tätigkeiten gebe, die infrage kommen. Lob gab es naturgemäß aus den ÖVP-Bünden. Sowohl Seniorenbund als auch Wirtschaftsbund unterstützten Kurz am Freitag in Aussendungen.
AMS: „Vorstellbar und machbar“
AMS-Chef Johannes Kopf hielt sich am Freitag mit weiteren Einschätzungen zurück. Man wolle die Plicht zu Ein-Euro-Jobs erst wieder kommentieren, wenn ein Gesetzesentwurf vorliege, hieß es aus dem Arbeitsmarktservice. In der „Presse“ (Freitag-Ausgabe) bezeichnete Kopf die Idee als „vorstellbar und machbar“, räumte aber ein, dass dieser Niedriglohnsektor nur für jene in Betracht komme, „die wirklich gar keine andere Chance haben, auf dem Arbeitsmarkt unterzukommen“.
Aus seiner Sicht ist es daher weniger eine beschäftigungspolitische als eine sozialpolitische Maßnahme, wie Kopf auch in der „Tiroler Tageszeitung“ sagte. Es könnte aber schwierig werden, überhaupt infrage kommende gemeinnützige Jobs zu finden. Denn es müsse sich immer um zusätzliche Arbeit handeln, die sonst gar nicht erledigt würde und die keine Konkurrenz für die reguläre Wirtschaft darstelle.
NEOS fehlt Gesamtkonzept
NEOS sieht in der Debatte das Fehlen eines Gesamtkonzepts der Regierung offenbart und forderte daher nach dem Prinzip des Flüchtlingskoordinators nun einen „Integrationskoordinator“, „der die ewigen Streitereien beendet“.
Links: