Unruhen nach Tod von Rebellenführer
Seit dem Wiederaufflammen der Gewalt in der von Indien und Pakistan beanspruchten Unruheregion Kaschmir sind mindestens 65 Menschen gestorben. Auslöser war die Tötung des muslimischen Rebellenführeres Burhan Muzaffar Wani durch indische Soldaten Anfang Juli.
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Der erst 22-Jährige war einer der Anführer der islamistischen Hizbul Mujaheddin, die unter anderem von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft wird. Sie kämpft laut eigenen Angaben gegen die „illegale Okkupation Indiens“. Der Bundesstaat Jammu und Kaschmir wird unter schwerer Militärpräsenz von Indien verwaltet.

Grafik: APA/ORF.at
Proteste trotz tagelanger Ausgangssperren
Wanis Tod löste schwere Proteste in der mehrheitlich muslimischen Region aus, in der Rebellengruppen teils für die Unabhängigkeit Kaschmirs, teils für den Anschluss an Pakistan kämpfen. Die indischen Behörden blockierten daraufhin mobile Internetdienste und verhängten an verschiedenen Orten teils bis heute gültige Ausgangssperren. Diese konnten weitere Unruhen allerdings nicht verhindern. Propakistanische Demonstranten, viele von ihnen sehr jung, griffen Polizeiwachen und Militäreinrichtungen an.

Reuters/Akhtar Soomro
Das öffentliche Leben wird seit Wochen von den Protesten überschattet
Unter den Getöteten befinden sich Soldaten, Sicherheitskräfte, Rebellen und Zivilisten. Das jüngste Todesopfer soll erst 13 Jahre alt sein. Während die Demonstranten vor allem mit Molotowcocktails und Steinen angreifen, setzen die indischen Sicherheitskräfte Tränengas, Blendgranaten und Druckluftgewehre mit Pelletmunition ein.
Mehrere Dutzend Menschen sollen erblindet sein, weil sie im Augenbereich getroffen wurden. Viele Geschäfte, Schulen und Universitäten bleiben indes geschlossen. Das indische Militär hat in der Unruheregion Sonderbefugnisse, die ihm weitreichende Rechte geben und es vor gerichtlicher Verfolgung schützen.
Indien schlägt Gesprächsangebot aus
Indien schlug indes am Mittwoch ein Gesprächsangebot Pakistans zu dem Konflikt aus. Ein Vertreter der indischen Botschaft in Pakistan überreichte am Mittwoch ein Schreiben an die dortige Regierung, in dem es hieß, Indien wolle über „aktuelle und relevante“ Themen reden, aber nicht über Kaschmir.
Erst am Montag hatte Pakistan Indien in einem Brief zu Gesprächen über Kaschmir aufgefordert. „Der Brief unterstreicht die internationale Verpflichtung beider Länder, den Streit um Kaschmir zu lösen, in Übereinstimmung mit den Resolutionen des UNO-Sicherheitsrats“, teilte ein Sprecher des pakistanischen Außenministeriums dazu mit.
Scharfe Töne zwischen beiden Staaten
In den letzten Wochen war der Ton zwischen Indien und Pakistan schärfer geworden. Indien wirft Pakistan vor, die kaschmirischen Rebellen materiell und ideell zu unterstützen. Regierungschef Narendra Modi bezeichnete „grenzüberschreitenden Terrorismus, der von unserem Nachbarland ermutigt wird“, als Grundursache für die Unruhen.

APA/AFP/
Demonstranten attackierten Sicherheitskräfte
Pakistan weist das zurück und bezeichnet die Rebellen als Freiheitskämpfer. Die Polizeieinsätze nach den Protesten nannte der pakistanische Premierminister Nawaz Sharif „rechtswidrig“. Die übermäßige Gewalt gegen protestierende Zivilisten sei beklagenswert. Er kritisierte auch die Inhaftierung von Wortführern der Kaschmir-Rebellen.
Region seit über 70 Jahren zerrissen
Die mehrheitlich von Muslimen bewohnte Himalaya-Bergregion ist seit dem ersten indisch-pakistanischen Krieg geteilt, wird aber weiter von beiden Staaten vollständig für sich beansprucht. Eine 1948 gezogene Waffenstillstandslinie ist bis heute die gemeinsame, von beiden Seiten nicht offiziell anerkannte Grenze. Ein zweiter Krieg um die Region begann 1965. Der Streit um Kaschmir prägt das Verhältnis von Indien und Pakistan bis heute.
Ein kleiner Teil wurde zudem von Pakistan an China abgetreten. Seit 1989 kämpfen mehrere Rebellengruppen in der Region. Dabei sollen bis dato fast 70.000 Menschen gestorben sein. Indiens Armee und Polizei, die in dem Hochgebirgstal mit Hunderttausenden Männern präsent sind, gehen mit großer Härte gegen die Aufständischen vor, es kommt immer wieder zu Gewalt und Gegengewalt.
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