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Helden wider Willen

Das DC-Universum leistet Trauerarbeit und lässt seine Superhelden einen Film lang pausieren: „Suicide Squad“ widmet sich stattdessen ganz den Bösewichten der Comic-Welt. Im Kampf „böse“ gegen „noch böser“ versucht der Film in erster Linie, um jeden Preis anzuecken - und verliert dabei schnell den Blick auf das Wesentliche.

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Ein Bedrohungsszenario im Superhelden-Zeitalter: Was, wenn der „nächste Superman“ den Präsidenten der Vereinigten Staaten entführen will? Für Sicherheitsbeamtin Amanda Waller (Viola Davis) liegt die Antwort auf der Hand, das Publikum wird vor vollendete Tatsachen gestellt: Die „Task Force X“, vulgo „Suicide Squad“ („Himmelfahrtskommando“), ein Zusammenschluss bereits geschnappter und sicher verwahrter Bösewichte aus dem DC-Universum, soll auf Zuruf ausrücken und jene Arbeit erledigen, für die andere Superhelden, Exekutive und das Militär scheinbar nicht geeignet sind.

Quirliger Trailer als Erfolgsrezept

Der Plan klingt an sich ausbaufähig. Im Film kann Agent Wallace - wie bereits in der Comic-Vorlage - nur auf die zweite Liga der Missetäter zurückgreifen. Für jenen Teil des Publikums, der die Details des DC-Multiversums nicht in- und auswendig kennt, sind die Charaktere großteils unbekannt.

Szene aus dem Film "Suicide Squad"

Warner Bros./Clay Enos/TM & (c) DC Comics

Finster schauen, um das Böse zu bekämpfen: Captain Boomerang, Harley Quinn, Deadshot, Rick Flag und El Diablo - nur ein Teil des „Suicide Squad“

Um dem entgegenzuwirken, betreibt Produzent Warner Bros. seit einem Jahr eine großangelegte Marketingkampagne und Charmeoffensive für „Suicide Squad“. Im Trailer wird zu Queens „Bohemian Rhapsody“ ein quirlig-freches, anarchisches, irgendwie charmantes Gegenstück zur schweren Kost in „Batman v Superman: Dawn of Justice“ vorgestellt. Mit einer Art Anti-Avengers soll das Herz der Fans zurückerobert werden - um letztlich auch finanziell an die Erfolge von Konkurrent Marvel anschließen zu können.

„Gott“ gibt den Ton an

Der US-Präsident bleibt zwar verschont (ob er dem löchrigen Plan für sein eigenes Entführungsszenario zugestimmt hat, ist ungewiss) - stattdessen muss das „Suicide Squad“ in Midway City, dem Comic-Pendant zu Chicago, ausrücken. Dort stehen die Kriminellen im Auftrag des Guten schon in ihrer ersten Mission vor der Frage, was passiert, wenn sich jemand nicht nach Waller - die sich selbst als „Gott“ bezeichnet - richtet. Wo bleiben die wahren Superhelden, um die Situation zu retten?

Die einzelnen Charaktere werden zu Beginn in Form von kurzen Steckbriefen vorgestellt. Deadshot (Will Smith) ist ein rücksichtsloser Auftragsmörder, der sich in erster Linie um das Wohl seiner Tochter sorgt, Harley Quinn (Margot Robbie) eine erfolgreiche Psychiaterin, bis sie sich in den Joker verliebt. Egal ob Held oder Bösewicht: Die Figur im DC-Universum wird allzu oft über ihr Trauma definiert.

Quantität statt Qualität

Wie unausgereifte Skizzen wirken hingegen die weiteren Mitstreiter des Schurkenteams: El Diablo (Jay Hernandez) ist gescheiterter Familienvater und Feuerteufel, Killer Croc (Adewale Akinnuoye-Agbaje) wird als halb Mensch, halb Reptil vorgestellt, Captain Boomerang (Jai Courtney) ist Australier und besitzt einen Bumerang. Slipknot und Katana sind weitere Charaktere, die eingeführt werden, ohne ihnen nennenswerte Eigenschaften zuzuschreiben - sie unterscheiden sich vor allem in der Wahl ihrer Waffen.

Szene aus dem Film "Suicide Squad"

Warner Bros./Clay Enos/TM & (c) DC Comics

Deadshot (Will Smith) versprüht als einer der wenigen Charaktere Charme, seine Hitzköpfigkeit kollidiert mit seinen Befehlshabern

Das hindert David Ayer, der für Regie und Drehbuch verantwortlich zeichnet, aber nicht, die überschaubaren Hintergrundgeschichten der Charaktere in Form von Rückblenden und Monologen konstant zu wiederholen. „Suicide Squad“ kommt nie über seine Einführung hinaus, selbst dann nicht, wenn Topmodel Cara Delevingne als Enchantress mit Hüftschwung und Effektgewitter die Erde nicht nur sprichwörtlich beben lässt und die Welt kurz vor ihrer Auslöschung steht.

Der Joker als Werbegag

Kaum Platz blieb auch für Jared Letos Joker, mit dem prominent auf Filmplakaten geworben wurde. Leto zog von Talkshow zu Talkshow, um sein „Method Acting“ zu bewerben. Kollege Smith behauptet gar, er habe mit ihm während des Drehs kein Wort gewechselt, da er auch abseits des Filmsets in seiner Rolle verharrt habe. Die Botschaft war klar: Nach Heath Ledger soll Leto die Rolle des Jokers auf neue Ebenen heben.

Optisch irgendwo zwischen Marilyn Manson und der 90er-Jahre-Vorstellung eines stereotypen Gangster-Rappers angesiedelt wirkt der neue Joker aber eher wie eine überzeichnete Parodie des kriminellen Masterminds von Gotham City. In jenen Szenen, die den Schnitt überlebt haben, bemüht sich Leto sichtlich, „böse“ zu spielen. Doch den charakteristischen chaotischen Wahnsinn haben Ledger, Jack Nicholson und selbst Cesar Romero in den 60er-Jahren viel glaubhafter vermittelt.

Effekte auf Sparflamme

Ayer greift visuell auf eine Computerspielästhetik zurück: Es fliegen Fäuste, fallen Schüsse und die eine oder andere Superkraft wird eingesetzt - stets von den Protagonisten kommentiert, sodass der Blick auf das Smartphone zwischendurch unbestraft bleibt. Eine dieser Szenen gegen Ende findet komplett in Nebel gehüllt statt - eine Methode die laut Adam West, dem Batman der 1960er Jahre, schon damals in vergleichbarer Form aus Kostengründen eingesetzt wurde.

Ayer setzt auf ständige musikalische Begleitung, die verschiedene Genres und Jahrzehnte abdeckt, von „House of the Rising Sun“ über Black Sabbath bis hin zu Eminem. Jenseits der Nullerjahre, und damit relevant für die anvisierte Zielgruppe, finden sich aber vergleichsweise wenige Titel. Gepaart mit Smiths Charme, der hier an seine Anfänge als „Prinz von Bel-Air“ erinnert, versprüht „Suicide Squad“ zumindest streckenweise Retro-Flair.

Eine verpasste Chance

Eine Menge Pop, ein paar markige Sprüche und ein rasanter Trailer machen noch keinen Superheldenfilm: Nach zwei Stunden ist das Projekt „Suicide Squad“ beendet. Das Team der Superbösen, die sich in erster Linie durch Namen und Gimmicks unterscheiden, ist dabei weitgehend zahnlos und immer nur so ungezogen, wie es die Altersfreigabe gerade zulässt. Für Warner Bros. und DC geht die Suche nach der erfolgreichen Superheldenformel damit vorerst weiter.

Florian Bock, ORF.at

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