Themenüberblick

„Wir waren fünf Jahre voraus“

Vor 20 Jahren, am 16. August 1996, ist der Nokia Communicator 9000 auf den Markt gekommen. Vielen gilt er heute als das erste Smartphone der Welt. Denn neben telefonieren konnte das aufklappbare Gerät mit QWERTZ-Tastatur und unbeleuchtetem Monochromdisplay auch mailen, faxen und in lähmender Geschwindigkeit im Internet surfen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Zu den damals alles andere als selbstverständlichen Features zählten auch ein Kalender, eine Notizfunktion, ein Adressbuch und eine analog dargestellte Uhr. Das alles war damals revolutionär - und hatte seinen Preis. 1.400 Euro kostete das als „Büro im Westentaschenformat“ angepriesene Gerät, laufende Kosten für Telefonate und Daten noch nicht inbegriffen.

Nokia 9000

Reuters/Ho New

Der Nokia Communicator 9000: im Jahr 1996 mehr als nur State of the Art

Das dürfte wohl einer der Gründe gewesen sein, warum der Communicator kein durchschlagender Erfolg wurde. Trotzdem bewies Nokia hinsichtlich der grundlegenden Funktionalität Weitblick. „Wir haben genau gesehen, worum es ging ... Wir waren fünf Jahre voraus“, sagte der ehemalige Nokia-Chef Jorma Ollila dem „Wall Street Journal“ im Nachhinein. Tatsächlich endete die Geschichte für Nokia einigermaßen tragisch. Denn als der Smartphone-Zug dann tatsächlich kam, schaffte Nokia den Aufsprung nicht.

„IPod-Telefon ohne Tasten“

Eines der ersten „richtigen“ Smartphones nach unserem heutigen Verständnis erschien dann fast zehn Jahre später mit dem Apple iPhone. Bei dessen Präsentation im Jänner 2007 sorgte Steve Jobs für Begeisterungsstürme, als er einen MP3-Player mit Touch-Bedienung, ein revolutionäres Telefon und ein grundlegend neu konzipiertes Gerät zur Onlinekommunikation ankündigte, und die Zuhörer realisierten, dass das alles in einem Gerät vereint werden sollte.

Steve Jobs mit iPhone, 2007

AP/Paul Sakuma

Der 2011 verstorbene Apple-Gründer Steve Jobs bei der Präsentation des ersten iPhones

In einer Zeit, in der man zum Internetsurfen noch am PC saß, Handys Tasten für SMS-Nachrichten hatten und man für mobilen Musikgenuss einen MP3-Player brauchte, sorgte das iPhone für Furore. In Erklärungsnot geratene Journalisten bezeichneten das Gerät mit dem kapazitiven Touchscreen und dem Betriebssystem mit der intuitiven Benutzeroberfläche noch unbeholfen als „iPod-Telefon ohne Tasten“. Schon 2008 legte der heute unangefochtene Marktführer Google nach. Mit dem HTC Dream erschien das erste Android-Smartphone.

IBM Simon

Microsoft Research

Eine Streitfrage bleibt übrigens, ob der Nokia Communicator tatsächlich das erste Smartphone war. Denn bereits 1994 erschien mit dem IBM Simon Personal Communicator (oben) ein Handy, das unter anderem mit einem Touchscreen ebenfalls Merkmale des modernen Smartphones aufwies. Allerdings konnte man mit dem Simon nicht im Internet surfen - deswegen sehen viele Experten den Communicator als erstes Smartphone an.

2011 nur jeder Vierte mobil online

Die Sinnhaftigkeit des Smartphones erschloss sich damals allerdings lange nicht jedermann. Noch 2011 surfte gerade einmal jeder Vierte in Österreich mobil im Internet. 45 Prozent der Handynutzer besaßen immer noch ein Modell von Nokia, iPhone-Besitzer machten nur neun Prozent der Handynutzer aus. Doch der Siegeszug der Smartphones sollte sich als unaufhaltsam erweisen, vor allem da die Geräte nach und nach den Internetzugang vom Schreibtisch abkoppelten und in den Rest der Welt verlegten.

Obwohl der eigentliche Zweck - nämlich das Telefonieren - heute fast schon nachrangig ist, gewinnen Smartphones immer weiter an Bedeutung. Die Minicomputer sind aufgrund ihrer Multifunktionalität nicht nur die Schweizer Taschenmesser unter den Elektrogeräten - als Tool für Vernetzung, Information und Kommunikation -, sondern können auch als leistungskräftige Unterhaltungsmaschinen ganz wesentlich zur Lebenserleichterung beitragen. Sie fressen allerdings auch einiges an Zeit sowie Aufmerksamkeit und definieren gewisse Gepflogenheiten neu - was sie immer wieder zur Zielscheibe für Kulturpessimismus macht.

Und in 20 Jahren?

Die Entwicklung der Smartphones verlief in den letzten zwei Dekaden rasant - umso interessanter ist die Frage, was noch auf uns zukommt. Ganz oben auf der Liste stehen bei den kurzfristigen Innovationen wohl Verbesserungen bei Akku und Ladegeschwindigkeit durch neue Batterietechnologien. Auch bieg-, roll- und faltbare Geräte zeichnen sich bereit am Horizont ab. Wie weit sich das modulare Smartphone mit austauschbaren Einzelkomponenten auf dem Massenmarkt durchsetzen wird, ist derzeit noch offen. Und auch das Thema Wearables ist wohl noch nicht gegessen.

Biegbares Display von LG

LG Display

LG präsentierte auf der CES 2016 sein flexibles Display

Natürlich sind auch die Konzepte Augmented und Virtual Reality (VR) sowie das Internet of Things weiterhin in aller Munde, und als besonderes Steckenpferd der großen IT-Konzerne werden wohl Sprachsteuerung und Smartphones als mobile Assistenten in naher Zukunft eine große Rolle spielen. Wesentlich lautere Zukunftsmusik sind Displays, die ihre Struktur und Oberfläche verändern, also etwa auf Befehl hin Erhebungen bekommen. Und die große Frage dürfte letzten Endes werden, wie sehr Smartphones - oder ihre Nachfolger - langfristig mit dem Menschen und seiner Umgebung verschmelzen werden.

Links: