Tourismus, der Gutes tut
Nahrung, Kleidung, Reisen - das Thema Nachhaltigkeit ist schon seit geraumer Zeit auch beim Thema Urlaub angekommen. Buchende stehen aber oft vor dem Problem, zu wenige vorstellungsgemäße und zu viele undurchsichtige Angebote zu fairen Reisen zu erhalten.
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Die Weltorganisation für Tourismus (UNWTO) definiert nachhaltigen Tourismus als „Befriedigung der heutigen Bedürfnisse der Touristen und Gastregionen, während sie die Zukunftschancen wahrt und erhöht“. Wirtschaftliche, soziale und ästhetische Erfordernisse sollen erfüllt, kulturelle Integrität und ökologische Prozesse erhalten werden.
Reisen als Verantwortung
„Verantwortlicher Tourismus“ ist somit eine Kombination unterschiedlichster Faktoren. In der Praxis spielen zum einen die Eigenschaften der Unterkunft der Wunschdestination eine wichtige Rolle: Die Versorgung mit Ökostrom, wassersparende Wasch- und Toilettenanlagen und regionales Bioessen bilden den Standard eines nachhaltigen Hotels. Zusätzlich müssen den Angestellten faire Arbeitsbedingungen geboten werden, und das Unternehmen selbst muss in der Region sozial engagiert sein.
Zum anderen kann schon die Art der An- und Abreise ökologische Fußabdrücke von klein bis groß hinterlassen. Während Busfahrten die geringsten schädlichen Auswirkungen haben, können Flugreisen nur durch eine entsprechend lange Aufenthaltsdauer in ihrer Nachhaltigkeit gerechtfertigt werden.
Widerspruch nachhaltig reisen
Rund fünf Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen – etwa drei Viertel davon entstehen durch die Nutzung von Verkehrsmitteln – trägt der Tourismus bei. Das Reisen komplett einzustellen wäre daher für die Natur eigentlich das Beste. Doch werden die Probleme in einer Zeit der Globalisierung und des Kulturaustauschs dadurch nicht gelöst. Vielmehr soll das nachhaltige Reisen zum Standard einer entwickelten Welt werden.

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Nachhaltig zu verreisen geht weit über Ökotourismus hinaus
Fair Verreisen
Der Wunsch nach einem nachhaltigen Urlaub ist vorhanden. Laut einer Studie der Deutschen Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e. V. aus dem Jahr 2014 legt ein Drittel der Bevölkerung Wert auf einen möglichst ökologisch verträglichen, ressourcenschonenden und umweltfreundlichen Urlaub.
Dennoch zeichnen sich die Urlaube des Großteils der Bevölkerung nicht durch Nachhaltigkeit aus, wie die Studie festhält: „Zwischen Wunsch und Wirklichkeit gibt es eine große Diskrepanz.“ Der Grund dafür lässt sich weniger im Reisepreis festmachen als in der Überforderung der Reisenden. Sie finden sich in einem Dschungel von vielfältigsten Reiseangeboten wieder, die einerseits die Nachhaltigkeitswünsche nicht abdecken oder nur mangelhafte Informationen bereitstellen. Oftmals scheitere es auch an der fehlenden Beratung im Reisebüro.
Wegweiser Gütesiegel?
Wie bei Biolebensmitteln wurden Gütesiegel entwickelt, um Angebote für nachhaltigen Tourismus zu kennzeichnen. Mittlerweile gibt es weltweit mehr als 140 derartige Qualitätszeichen, die die positiven Auswirkungen des Urlaubs bescheinigen wollen. Orientierung für die Buchenden liefern sie nur bedingt, diese finden sich eher in einem Siegeldickicht wieder. Und oft ist nicht klar, was genau hinter den verschiedenen Gütezeichen steckt.
Manche Reiseveranstalter vergeben sich die Siegel nach eigenen Kriterien selbst, andere werden nicht regelmäßig von einer unabhängigen Instanz auf das Erfüllen der Standards überprüft. Das Gros bezieht sich lediglich auf umweltschonende Kriterien und ignoriert die sozialen und gesellschaftlichen. Für die Reisenden selbst ist es oft schwierig, hinter die Fassade der Marketingsprache mancher Angebote zu schauen, um zu erkennen, ob der Urlaub den eigenen Vorstellungen von Nachhaltigkeit entspricht.
Entscheidungshilfe oder Irreführung
Einen einheitlichen Qualitätsstandard der Siegel gibt es nicht, genauso wenig vorgegebene Rahmenbedingungen oder vergleichbare Bewertungssysteme. Einige von ihnen gelten weltweit, andere wieder nur in Europa oder nur im eigenen Land. Es gibt Gütesiegel von Tourismusverbänden, gemeinnützigen Organisationen, staatlichen Einrichtungen, Zertifikate von Reiseunternehmen und vielen mehr. Je nach Seriosität der vergebenden Stelle erfolgen die Überprüfungen an Ort und Stelle, vom Schreibtisch aus oder auch nur per Onlinerecherche. Vorgenommen werden sie manchmal von firmeninternen oder tatsächlich unabhängigen Prüfern.
Wunsch zur Vereinheitlichung
Auch die Studie der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen weist auf ein Bedürfnis nach einem eindeutigen Gütesiegel hin. Die qualifizierte Kennzeichnung der Nachhaltigkeit könnte die Zahl der umgesetzten Urlaubswünsche in diesem Bereich deutlich erhöhen, da die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft für eine garantierte Nachhaltigkeit gegeben sei.
Um etwas Licht in den Siegeldschungel zu bringen, fördern etliche Vereine die Transparenz und Vereinheitlichung. Unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen entwickelte ein Rat aus Tourismusexperten, das Global Sustainable Tourism Council (GSTC), Standards für ökologisch, ökonomisch und sozial gestalteten Tourismus. GSTC überprüft vorhandene Gütesiegel, die die festgelegten Anforderungen erfüllen, und bietet Reiseveranstaltern, Hotels, Destinationen und Reisebüros Unterstützung bei der Umsetzung des Nachhaltigkeitsprogramms.

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Nachhaltiger Tourismus wirkt sich positiv auf die regionale Wirtschaft aus
Von der Vielzahl an Siegeln haben sich ein paar bewiesen. „TourCert“ beispielsweise ist eine gemeinnützige Gesellschaft für Zertifizierung von Tourismusunternehmen. Sie vergibt Siegel für Corporate Social Responsibilty (CSR), also die Unternehmensverantwortung für Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt. Sämtliche Mitglieder des „Forums anders Reisen“, eines Zusammenschlusses von über 100 deutschsprachigen Reiseveranstaltern aus Europa, die sich auf nachhaltigen Tourismus spezialisiert haben, sind mit dem CSR-Siegel von TourCert versehen.
Nachhaltigkeit nah und fern
Wer sich gegen eine emissionsreiche Flugreise entscheidet und Urlaub in der näheren Umgebung machen will, findet mit dem „Österreichischen Umweltzeichen für Tourismus“ passende Anbieter. Das deutsche Pendent dazu ist die Auszeichnung „Viabono“, das führende Schweizer Nachhaltigkeitssiegel heißt „ibex fairstay“. Im Segment der Fernreisen bieten die Siegel von Green Globe und Travellife Nachhaltigkeitsstandards, die von unabhängigen Stellen überprüft werden.
Klimakompensation
Auf Websites wie Climate Austria und MyClimate lässt sich die negative CO2-Bilanz einer Flugreise berechnen. Anschließend kann der monetäre Gegenwert ausgewählten Projekten gespendet werden.
Urlaub auf eigene Faust
Urlauber, die sich ihre Reise lieber selbst zusammenstellen, können die Welt auch auf eigene Faust nachhaltig erkunden. Um nicht auf Flugreisen verzichten zu müssen, bieten Dienste zur Klimakompensation die Möglichkeit, die Menge an klimaschädlichen Treibhausgasen des Fluges durch eine adäquate Spende für ein ökologisches oder soziales Projekt auszugleichen. Der eigene CO2-Fußabdruck wird dadurch zwar nicht verringert, die Treibhausgase an einem anderen Ort der Welt aber reduziert.
Tipps für jede Reise
Positiv auf die Umwelt wirkt sich das Reisen mit leichtem Gepäck aus, denn je schwerer ein Fahrzeug beladen ist, desto mehr Kraftstoff benötigt es. Am Reiseziel angekommen, ist es ratsam, in die dortige Kultur einzutauchen. Das Kaufen von regionalen Produkten kurbelt die heimische Wirtschaft an. Auch scheinbar kleine Verhaltensänderungen wie das Ausschalten von elektronischen Geräten, um Strom zu sparen, oder ein geringerer Wasserverbrauch wirken sich positiv auf die Umwelt aus bzw. reduzieren die negativen Auswirkungen der touristischen Treibhausgasemission.
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