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Michel Barnier soll mit Briten verhandeln

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker traf jüngst eine pikante Personalentscheidung: Der ehemalige EU-Kommissar Michel Barnier wird im Zuge der „Brexit“-Verhandlungen an den Verhandlungstisch mit den Briten geschickt. In Großbritannien löste die Wahl eines Franzosen zum Teil Entsetzen aus. Besonders Londons Bankern blieb Barnier in Erinnerung.

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Der ehemalige französische Außen- und Agrarminister ist zum Verhandlungsführer für die Austrittsgespräche mit Großbritannien ernannt worden. Barnier war rund ein Jahrzehnt lang auch EU-Kommissar, zuletzt war er bis 2014 für den Binnenmarkt und Finanzdienstleistungen zuständig - beides Bereiche, die in den künftigen Beziehungen zu London eine zentrale Rolle spielen.

Juncker sprach von einer „wichtigen und herausfordernden Aufgabe“ für seinen 65-jährigen „Freund“ Barnier. Er zeigte sich überzeugt, dass Barnier „uns helfen wird, eine neue Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich zu entwickeln, nachdem es die Europäische Union verlassen haben wird“. Laut Kommission wird der Franzose direkt an den Kommissionspräsidenten über die Verhandlungen berichten und „die besten Kommissionsexperten zu seiner Verfügung haben“.

„Kriegserklärung“

In Großbritannien stieß die Ernennung teils auf Entsetzen. Der Leitartikler des Boulevardblatts „Sun“, Tom Newton, schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, eine deutlichere antibritische Figur sei kaum denkbar - „Kriegserklärung“. Andere Journalisten sahen in Barnier aber einen guten Kompromisskandidaten. Die britische Regierung betonte lediglich, dass sie mit den Vertretern aller EU-Staaten, der Kommission und des Rats bei den „Brexit“-Verhandlungen zusammenarbeiten wolle.

Komplexe Verhandlungen

Die Briten hatten sich bei einer Volksabstimmung am 23. Juni mit rund 52 Prozent für den Austritt aus der EU ausgesprochen. Der offizielle Austrittsantrag der britischen Regierung nach Artikel 50 des EU-Vertrags steht aber noch aus. Erst danach beginnen die auf zwei Jahre befristeten Verhandlungen mit der EU über die Entflechtung der komplexen Beziehungen zwischen beiden Seiten. Gespräche über das künftige Verhältnis und Großbritanniens Wunsch, weiter Zugang zum EU-Binnenmarkt zu erhalten, dürften parallel vorbereitet werden.

Barnier und die Londoner Banker

Barnier war zwischen 2010 und 2014 für den Binnenmarkt unter Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zuständig. Der Franzose dürfte vielen Bankern der City of London noch in unguter Erinnerung sein: Da sein Ressort auch Finanzdienstleistungen abdeckte, war er maßgeblich am Aufbau der europäischen Bankenunion und der stärkeren Regulierung der Branche als Reaktion auf die Finanzkrise beteiligt.

Die City habe Barnier damals regelrecht „dämonisiert“, sagte Jacques Lafitte von der Investment-Beratergruppe Avisa der Nachrichtenagentur AFP. Mit der Ernennung Barniers zum „Brexit“-Verhandlungsführer hätte die Kommission „den Engländern keine härtere Botschaft senden können“.

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