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Hiobsbotschaften mehren sich

Zuerst hat das britische „Brexit“-Votum Pfund und Börsen auf Talfahrt geschickt, Nun zeigen sich auch die ersten Folgen in der Realwirtschaft - und betroffen scheint fast die gesamte britische Wirtschaft zu sein.

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IAG, der Mutterkonzern der britischen Fluggesellschaft British Airways, kürzte vergangene Woche seine Gewinnprognose deutlich. Auslandsreisen sind für Briten erheblich teurer geworden, weil ihre Währung am Urlaubsort weniger wert ist.

IAG-Chef Willie Walsh berichtete auch von einer gedrosselten Nachfrage nach Geschäftsreisen. „Es ist unklar, wann die britischen Firmen Vertrauen zurückgewinnen in dem Sinne, dass sie wieder reisen und Geschäfte machen“, sagte er. „Ob dies noch in diesem Jahr oder Anfang nächsten Jahres der Fall ist, müssen wir abwarten.“

Sparkurs bei Bankriesen Lloyds

Schon zuvor hatte die Großbank Lloyds nach dem folgenreichen Referendum ihren Sparkurs forciert. Sie will weitere 3.000 Jobs streichen sowie 200 Filialen schließen, wie das führende Privatkundeninstitut Großbritanniens mitteilte. Das Management der Bank sprach von einer großen Unsicherheit nach dem Referendum.

Lloyds wurde in der weltweiten Finanzkrise 2008 mit Steuergeld in Höhe von 20,5 Milliarden Pfund gerettet. Der britische Staat hat seine Beteiligung an der Bank mittlerweile aber von einst 43 Prozent auf unter zehn Prozent reduziert.

Finanzstandort London unter Druck

Banken und generell der Finanzstandort London steuern nach dem Referendum unsicheren Zeiten entgegen. Einige Finanzhäuser drohten mit Abzug aus Großbritannien. Anfang Juli erklärte dann die US-Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P), sie könnte die Bonitätsnoten von HSBC, Barclays und Lloyds sowie von der britischen Tochter des spanischen Geldhauses Santander von „stabil“ auf „negativ“ herabstufen. Durch die „Brexit“-Entscheidung sei das Risiko einer negativen Wirtschaftsentwicklung gestiegen, erklärte S&P.

Eingetrübtes Konsumklima

Und genau danach sieht es aus, glauben auch die Briten. Der GfK-Konsumklimaindex für das Land rutschte von Juni auf Juli um elf Punkte ab - das war das stärkste Minus seit 26 Jahren, wie das Marktforschungsunternehmen GfK am Freitag mitteilte. Der Index kam damit auf nur noch minus zwölf Punkte, was bedeutet, dass die Mehrheit der Verbraucher pessimistisch gestimmt ist.

Der Teilindex, der die Erwartungen an die Wirtschaftsentwicklung der nächsten zwölf Monate erfasst, brach den Angaben zufolge sogar um 19 Punkte auf minus 33 Punkte ein. Die Kauflaune trübte sich ebenfalls deutlich: Dieser Teilindex fiel um elf auf minus zwei Punkte. Der Indikator für die Erwartungen zur eigenen finanziellen Lage verlor neun Punkte und lag im Juli bei minus einem Punkt.

Schon zuvor hatte der Barometer des Instituts YouGov ein ganz ähnliches Bild gezeigt. Darin hieß es, die Briten sorgten sich vor allem um den Wert ihrer Eigenheime. Auf dem bisher boomenden Immobilienmarkt hat das „Brexit“-Votum längst deutliche Spuren hinterlassen. So billigten die Kreditinstitute im Juni so wenige Hypothekendarlehen wie seit einem Jahr nicht mehr.

Pessimistische Unternehmer

Doch auch bei den Unternehmern blickt man beunruhigt in die Zukunft. Bei einer Umfrage unter 410 Unternehmen zeigten sich Industriebetriebe deutlich pessimistischer als vor dem Referendum. Der Vertrauenswerte auf einer Skala von eins bis zehn fiel von 6,37 auf 5,24, berichtet der „Guardian“.

Der gemeinsame Einkaufsmanager-Index für Industrie und Dienstleister rutschte schon zuvor auf 47,7 Punkte im Juli ab, nach 52,4 Zählern im Vormonat. Das ist der schwächste Wert seit April 2009. Damit fiel das Barometer unter die Schwelle von 50 Punkten, oberhalb der Wachstum angezeigt wird. Es war der stärkste Rückgang seit dem Umfragebeginn vor 20 Jahren.

Besorgt sind auch die britischen Autobauer: Nur bei uneingeschränktem Zugang zum europäischen Binnenmarkt seien das weitere Wachstum und Tausende Jobs gesichert, sagte ein Vertreter der Branche. Eine wenige britische Firmen freuen sich dagegen über die derzeitige Lage: Die Schwäche des Pfund bringt ihnen Vorteile im Exportgeschäft.

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