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Feuchte Böden heizen Gewitter an

Das Wetter im heurigen Sommer ist unberechenbar. Was im April mit heftigem Frost um Ostern begann, setzt sich nun mit extremen Wettererscheinungen fort: ein Tornado in Niederösterreich und zehn Zentimeter Neuschnee im Gebirge Mitte Juli. Die Gründe für die Wetterphänomene sehen Experten durchaus in der Klimaerwärmung, ein Teil der Probleme sei aber auch hausgemacht.

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Die meteorologische Erklärung für diesen unberechenbaren Sommer der Extreme ist das Azoren-Hoch. Dieses Hoch baut sich jedes Jahr Ende Juni auf und treibt den Tiefdruck Richtung Skandinavien. Doch heuer hat sich das Hoch nicht weit genug Richtung Norden bewegt, das wirkt sich stark auf die Wetterlage in Mitteleuropa aus. Deshalb sind von den Unwettern besonders Österreich und Bayern betroffen.

Ein von Fluten mitgerissenes Fahrzeug

APA/Daniel Scharinger

Von Fluten mitgerissener Pkw

Die Folge: Warme Luft baut sich auf, erhitzt sich, und diese Energie entlädt sich in Form von Niederschlägen und Windböen. Es kühlt ab, um sich dann wieder aufzuheizen. Der Boden ist nass, die Feuchtigkeit verdunstet, steigt auf in die bereits nassen Luftschichten, erhitzt sich und entlädt sich wieder.

Wann sich der Sommer entscheidet

Eine Bauernregel besagt hingegen, dass sich das Sommerwetter am 27. Juni entscheidet. Dieser Tag sei ein Omen für den ganzen Sommer: „Ist Siebenschläfertag ein Regentag, regnet’s noch sieben Wochen danach“, heißt die Regel. In Tirol und Vorarlberg war es der nasseste Juni seit Beginn der Niederschlagsmessungen. Und die Aufzeichnungen belegen, dass es einer der 20 wärmsten Juni-Monate seit Beginn der Temperaturmessungen war.

Lokale und heftige Gewitter

Weil die Luftzirkulation heuer sehr gering ist, halten sich die Gewitterfronten besonders lange über einer Region. Die Gewitterzellen bleiben oft drei, vier Stunden an einem oft sehr lokal begrenzten Ort, laden sich dort immer wieder auf und entladen sich mit ungeheurer Kraft erneut. Deshalb ist es für Meteorologen heuer auch besonders schwierig vorherzusagen, wo genau die Gewitter und Unwetter niedergehen werden. „Wir können nur sagen, dass sie kommen werden“, sagt Christa Kummer aus der ORF-Wetterredaktion.

Dieser Juli brachte 25 Prozent mehr Regen als im vieljährigen Mittel. In einigen Regionen gab es sogar mehr als doppelt so viel Regen wie durchschnittlich in diesem Zeitraum. Besonders stark waren die Niederschläge im niederösterreichischen Donau-Raum.

Schneise der Verwüstung

Der Juli brachte im Waldviertel auch ein für Österreich seltenes Wetterphänomen. Am späten Abend des 21. Juli streifte eine heftige Gewitterzelle in Tschechien das nördliche Waldviertel und brachte starken Hagel, Sturmböen und einen kurzen, aber heftigen Tornado. Dieser hinterließ eine Schneise der Verwüstung.

Kräfte der Feuerwehr Bad Ischl im Einsatz

APA/FF Bad Ischl

Feuerwehr bei schwierigen Aufräumarbeiten

Das Schadensbild im Raum Karlstein an der Thaya lässt auf einen Tornado mit Windspitzen bis 220 km/h schließen. Er zog rund zehn Kilometer weit. Eine private Wetterstation in der Region registrierte Orkanböen bis 170 km/h - bevor sie zerstört wurde. In den Abendstunden des 12. Juli zog ein heftiges Unwetter durch das oberösterreichische Bad Ischl. Bäume wurden entwurzelt, Dächer abgedeckt. „Es war, als ob die Welt untergeht,“ schilderte ein Feuerwehrmann die Stimmung.

Wenn der Mensch eingreift

Die Klimaveränderung sei eine der Hauptgründe für das extreme Wetter, sagen Meteorologen. Geologen und Raumplaner betonen jedoch, dass für diese Phänomene auch Verbauung und dichte Besiedelung mitverantwortlich sind. Es werde zu viel verbaut, lautet die Kritik. „Durch die vielen versiegelten Flächen stauen sich die Wassermassen und bilden Sturzbäche“, so Kummer.

Dass die Niederschläge so große Schäden anrichten, habe auch „hausgemachte Gründe“, meint Kummer. So lohne sich etwa die Entfernung von Bruchholz in den Wäldern wirtschaftlich nicht mehr. Stämme und Äste bleiben liegen, werden von großen Wassermassen oft mitgerissen und führen zu Verklausungen und nachfolgend zu Muren.

„Gewitterfriedhof“ Wien

Wien und das Wiener Becken zählen zu den Regionen mit den wenigsten Gewittern in Österreich. Das dürfte vor allem mit der Luftströmung auf dem Boden während Gewitterwetterlagen zu tun haben, sagt Georg Pistotnik von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Zum Beispiel strömt bei Südwestwetter in viele Regionen Österreichs feucht-warme und somit gewitteranfällige Luft.

Wien wird bei Südwestwetter vom Wienerwald und den Alpen-Ausläufern, die wie ein Schutzschild fungieren, abgeschirmt. Von diesen Berg- und Hügelregionen sinkt der Wind ins Wiener Becken ab, und die Luft wird dadurch trockener. Somit fehlen für Gewitter in Wien die Feuchtigkeit und das Aufsteigen der Luft. Meteorologen sprechen vom „Gewitterfriedhof“ Wien.

Ein anderer Erklärungsversuch für die wenigen Gewitter in Wien, der mit der Trockenheit durch die Bebauung der Stadt argumentiert, wird in letzter Zeit vermehrt angezweifelt, denn der Hitzeeffekt der Stadt würde eher für ein verstärktes Aufsteigen sorgen, sagen Meteorologen, und das würde Gewitter tendenziell unterstützen und nicht verhindern. Außerdem dürfte die bebaute Stadtfläche von Wien zu klein sein, um eine merkbare Auswirkung auf Gewitter zu haben.

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