„Schielen nicht nur auf die Stimmen“
Mit NEOS-Chef Matthias Strolz hat sich am Montag die Reihe der ORF-„Sommergespräche“ fortgesetzt. Neben außenpolitischen Themen stand auch das Selbstverständnis von NEOS im Mittelpunkt. Strolz sieht die Partei „gereift“, generell sei es aber als kleine Oppositionspartei „schwierig“, weil man oft nicht gehört werde.
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Die Regierung behandle die Parteien so, als hätten sie nur „blöde Ideen“. Das sei „schade fürs Land und für die Bürger“. Strolz lud insbesondere die Regierungsparteien ein, die Opposition „einzubinden“, es könne nicht sein, dass 50 Prozent der Parlamentarier „für den Papierkram arbeiten“.
Figuren aus dem 3-D-Drucker
Als „erste Bürgerbewegung im Parlament“ schiele NEOS nicht nur auf Stimmen, sondern wolle „den Anliegen der Menschen die Stimme geben“. Dazu müsse man „manchmal laut sein“, so Strolz. „Ich muss mir jeden Tag Aufmerksamkeit erarbeiten“, so der Parteichef. Und weil das Thema NEOS-Aktionismus auch besprochen wurde, stellte der Parteichef drei Figuren („aus dem 3-D-Drucker“) auf den Tisch. Sie sollten drei Durchschnittsösterreicherinnen und -österreicher repräsentieren, auch Namen waren für sie vergeben worden.

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Strolz plädierte für mehr Einbindung im Parlament
In einer Mediendemokratie müsse er jeden Tag um Aufmerksamkeit kämpfen, und dafür müsse er eben kreativ sein, rechtfertigte Strolz die Aktion. „So suchen wir für eine Botschaft auch einen entsprechenden Hebel.“ Gefragt nach dem Stil der recht erfolgreichen Ex-Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss wollte Strolz diese nicht als Konkurrentin sehen, sollte sie mit einer Partei bei der Nationalratswahl antreten.
„Ehrlichkeit nicht immer sympathisch“
Beim Thema Wohnen wolle man „die Fesseln des Systems sprengen“, sagte Strolz und forderte eine Lockerung des Mietrechts. So sollen etwa unbefristete Mietverträge seitens des Vermieters ohne Angabe von Gründen gekündigt werden können und die Mietzinsobergrenzen abgeschafft werden. Dadurch würden leerstehende Wohnungen auf den Markt kommen und die Preise senken. Man wolle „Wohnen leistbarer machen“.
Diese NEOS-Vorschläge, die in der Öffentlichkeit zuletzt großteils auf schärfste Kritik gestoßen waren, bezeichnete Strolz als „in Diskussion“. „Ehrlichkeit“ sei „auf den ersten Blick nicht immer sympathisch“. „Vielleicht ist es noch nicht die beste Idee, aber wir bringen Ideen“, so Strolz, für den „manches im ersten Moment auch schockierend“ wirke.
„Gut gemeint“ und „schlecht ausgeführt“
Gegen die Ausbildungspflicht sei man gewesen, weil man in der Ausbildung „viel früher ansetzen müsste“, so Strolz. Das Gesetz sei „gut gemeint“, aber „schlecht ausgeführt“. Die Frage sei, ob es akzeptabel sei, dass ein Fünftel der Kinder mit 15 nicht sinnerfassend lesen könne, so Strolz. Anzusetzen sei „in den Kindergärten“, einzusetzen seien in den Volksschulen „mehr Pädagoginnen“. Außerdem räumte der NEOS-Chef auf Nachfrage ein, dass auch Unternehmer „keine Freude“ hätten, wenn die Regierung sie zu Übernahmen zwinge.

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Der NEOS-Chef kritisierte die Politik der EU-Regierungen
40.000 Mann für EU-Außengrenze
Doch auch Weltpolitisches wurde besprochen: Gegen Terrorismus gebe es zwar keine Patentrezepte, Kritik übte Strolz aber kollektiv an Europas Regierenden: „Alle 28 EU-Regierungen haben ausgelassen“, glaubt er. Überwachung müsse „mit Augenmaß“ stattfinden.
Bessere Terrorbekämpfung sei nur mit mehr Zusammenarbeit möglich, künftig solle ein europäisches Zentrum für Antiterrorismus unter dem Schirm von Europol installiert werden. Die EU müsse zu einer „Sicherheitsunion“ gemacht werden. Auch sei eine Grenzschutztruppe von 40.000 Mann zu installieren.
„Kein Cent mehr für Ankara“
Die EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei seien „sofort abzubrechen“. Brüssel solle keinen Cent mehr nach Ankara überweisen, meinte der NEOS-Chef, Europa müsse „glasklar sein“. Wenn der Zustand im Oktober auch noch derselbe sei, „wird auch die Visafreiheit nichts“. Wer sich nicht an die Spielregeln halte, „hat in unserer Familie nichts zu suchen“, so Strolz.
Registrierungszentren müssen an der Außengrenze sein, es sei ein Versäumnis gewesen, dass man in der Vergangenheit nicht Rückführungsabkommen abgeschlossen hätte. Im Gegensatz zu Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sei er aber „nicht für Internierungslager“, aber er sei für Registrierungszentren bzw. für die anschließende Verteilung auf die EU-Staaten.
In der Umsetzung würde er das „sofort angehen“, „nationale Alleingänge“ seinen keine Lösung. „28 Schrebergärten mit Stacheldrahtzäunen“ sei für ihn nicht Europa. Generell müsste klar zwischen „Arbeitsmigranten“ und Schutzsuchenden unterschieden werden. Die Notverordnung sei „Schaumschlägerpolitik“, darum habe man nicht zugestimmt.
„Wollen zweistellig werden“
Was den Wählerzuspruch betrifft, habe man auf 300.000 Wähler aufstocken können. Man liege aktuell bei sieben Prozent, so Strolz, jetzt wolle man „zweistellig“ werden. Generell wolle man offen für neue Regierungskonstellationen sein - letztlich seien das Dreierkoalitionen. Als mögliche Partner nannte Strolz die Grünen, obwohl diese in wirtschaftlicher Hinsicht anders denken würden. Festlegen, ob man eher mit SPÖ oder mit ÖVP zusammenarbeiten könne, wollte sich der NEOS-Chef nicht. Auch die FPÖ solle man „einbinden“, auch wenn „wahrscheinlich nicht“ auf Koalitionsebene.
Filzmaier: „NEOS hat Themenproblem“
Politologe Peter Filzmaier erklärte in der anschließenden Analyse in der ZIB2, dass NEOS ein „Themenproblem“ habe, schließlich verorte sich NEOS bei den Komplexen Wirtschaft und Bildung. Die aktuellen Themen seien jedoch andere als die „Lieblingsthemen von NEOS“, so Filzmaier. Beim Thema Zuwanderung sei die linksliberale Position von den Grünen besetzt, die FPÖ und die ÖVP decken rechte bzw. rechtsliberale Positionen ab. Die SPÖ betreibe einen Zickzackkurs - insgesamt sei es für NEOS schwierig, sich öffentlichkeitswirksam zu positionieren. Zu wahrscheinlichen künftigen Regierungskonstellationen sagte Filzmaier, dass am ehesten noch die von Strolz ausgesparte Variante mit SPÖ und ÖVP denkbar sei.
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