Themenüberblick

Zehntausende Euro „Vermittlungsgebühr“

Die ungarische Opposition übt heftige Kritik an der Praxis der käuflichen Visa in Ungarn. Budapest bietet Ausländern einen ungarischen Aufenthaltstitel, wenn sie ungarische Staatsanleihen für 300.000 Euro kaufen. Die Opposition kritisiert, die rechtskonservative Regierungspartei FIDESZ gefährde damit die nationale Sicherheit. Noch schwerer wiegen aber die Korruptionsvorwürfe.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Bei Erwerb von ungarischen Staatsanleihen im Wert von 300.000 Euro erhalten die Antragsteller aus Drittstaaten günstige Bedingungen für ein Bleiberecht in Ungarn. „Der Aufenthalt in Ungarn ist nicht erforderlich“, heißt es auf einer eigens - ganz offensichtlich vor allem für Chinesen - eingerichteten Website. Die Staatsanleihen sollen nach fünf Jahren durch den ungarischen Staat zum Nominalwert zurückgekauft werden.

Agenturen sollen vermitteln

Viel Kritik erhalten insbesondere die undurchsichtig erscheinenden Vermittlungsgebühren für dieses Geschäft. Die Opposition nennt die Summe von 60.000 Euro, die der Antragsteller allein für Beratung und Vermittlung an eine Agentur zu zahlen hat. Die Website spricht hingegen von „45.000 Euro Vermittlungsgebühr“. Das Geschäft mit den Staatsanleihen für Visazwecke wird nicht direkt zwischen der ungarischen Schuldenagentur (AKK) und den Antragstellern abgewickelt, sondern mittels durch die AKK bestimmter Agenturen.

Scrennshot www.immigration-hungary.com

Scrennshot www.immigration-hungary.com

Die Startseite der Website zur Staatsanleihe - standardmäßig in Chinesisch

Diese sind vor allem in Steueroasen aktiv. Die deutschsprachige Onlinezeitung Pester Lloyd berichtete bereits vor zwei Jahren, dass die staatliche Schuldenagentur für den Vertrieb und die Vermittlung der Staatsanleihen drei Niederlassungen in den Offshore-Staaten Zypern, Malta und den Cayman Islands eröffnet habe. Der Vizechef der Oppositionspartei Együtt (Gemeinsam), Levente Papa, sagte nun im ungarischen Fernsehsender ATV, von dem Visageschäft profitiere daher nicht in erster Linie der ungarische Staat, sondern Offshore-Firmen im Dunstkreis von Freunden der Regierungspartei.

Vorwurf der Bereicherung

Laut den oppositionellen Sozialisten (MSZP) kassierten die der Regierung von Viktor Orban nahestehenden Vermittlungsagenturen durch das Geschäftskonstrukt seit 2013 mehr als 100 Mrd. Forint (rund 320 Mio. Euro). Sie werfen Orban und vor allem seinem Kabinettschef Antal Rogan vor, persönlich finanziell von diesen Geschäften profitiert zu haben. Die MSZP forderte eine umgehende Prüfung und Veröffentlichung aller Aufenthaltsrechtsvergaben.

Tatsächlich war es Rogan, der als Vorsitzender des ungarischen parlamentarischen Wirtschaftsausschusses die Pläne für den Bleiberechtshandel mit Staatsanliehen vorantrieb. Ihr Verkauf begann im April 2013 - sie kosteten damals 250.000 Euro exklusive Vermittlungsgebühr. Zwei Jahre später war es erneut Rogan, der sich dafür einsetzte, den Preis der Anleihen auf 300.000 anzuheben.

Sorge um Sicherheit

Ein weiterer Kritikpunkt der Opposition betrifft die Sicherheit. Auch Kriminelle könnten auf diesem Weg ein Schengen-Visum erhalten, wird gewarnt. „Wir wissen rein gar nichts von den rund 3.500 Ausländern, die bisher für den Kauf ungarischer Staatsanleihen das Niederlassungsrecht in Ungarn und damit das EU-Aufenthaltsrecht erhalten haben“, kritisierte Akos Hadhazy, Vizechef der Grünen (LMP).

Együtt-Vizechef Papa warnte, das Vorgehen der Regierung erhöhe das Risiko für die nationale Sicherheit. FIDESZ mache einerseits Flüchtlinge für die Terroranschläge in Europa verantwortlich, anderseits verkaufe die Partei „unbekannten Menschen uneingeschränkt Niederlassungsgenehmigungen“. Er forderte eine gründliche Durchleuchtung der Antragsteller.

Kritik übte auch der österreichische EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer. Der Vizepräsident der sozialdemokratischen Fraktion (S&D) forderte am Montag rasche Aufklärung. „Bereits Mitte Juli haben wir SozialdemokratInnen im EU-Parlament zehn Verdachtsfälle aufgrund von Berichten des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) präsentiert und eine Befassung der EU-Kommission damit gefordert“, so Weidenholzer in einer Aussendung.

Innenministerium weist Vorwürfe zurück

Das ungarische Innenministerium wies den Vorwurf zurück, dass durch das Modell auch Kirminelle Zugang zu Ungarn und der EU fänden. Das berichtete die Zeitung „Magyar Nemzet“ (Onlineausgabe) am Montag. Innenminister Sandor Pinter hatte bereits vergangene Woche derartige Anschuldigungen als „unbegründet“ zurückgewiesen.

Personen, die solche Staatsanleihen kaufen wollen, würden einen „vierfachen Filter“ durchlaufen, so Pinter laut der ungarischen Nachrichtenagentur MTI. „Magyar Nemzet“ verwies allerdings darauf, dass Antragsteller die ungarischen Behörden „austricksen“ könnten, indem sie in ein anderes Land ziehen und von dort das nötige unbelastete Leumundszeugnis liefern.

Kein unbegrenztes Ticket in die EU

Zumindest in einem Punkt dürfte die Kritik der Opposition tatsächlich zu weit gehen. Mit dem ungarischen Aufenthaltsrecht geht keineswegs ein unbegrenzter Aufenthaltstitel in der gesamten EU einher. Bereits vor einem Jahr hieß es etwa vonseiten der deutschen Bundesregierung: „Drittstaatsangehörige, also auch Chinesen, dürfen sich mit einem nationalen Aufenthaltstitel lediglich höchstens 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedsstaaten aufhalten.“ Wenn ein Mitgliedsstaat mit der Möglichkeit eines längeren Aufenthalts in einem anderen EU-Land werbe, sei das nicht mit dem EU-Recht vereinbar.

Auch andere Länder verkaufen Bleiberecht

Ungarn ist mit seiner Vergabepraxis auch nicht alleine: In Griechenland sichert der Kauf einer Immobilie im Wert von mindestens 250.000 Euro nicht nur für Käufer, sondern auch für ihre Partner und Kinder fünf Jahre Aufenthaltserlaubnis. Danach kann die Aufenthaltserlaubnis unter der Voraussetzung, dass das Haus nicht verkauft worden ist, für weitere fünf Jahre verlängert werden. In Zypern gibt es drei Jahre Aufenthaltserlaubnis für einen Immobilienkauf im Wert von mindestens 300.000 Euro. Dafür bekommt, wer mehr investiert, nach sechs Jahren die zypriotische Staatsbürgerschaft. Auch Malta kennt eine ähnliche Regelung.

Etwas teurer wird es in Spanien. Dort erhalten Personen, die eine Immobilie im Wert von 500.000 Euro kaufen, eine Aufenthaltsgenehmigung dazu. Spaniens Nachbar Portugal führte schon im Jahr 2011 die Aufenthaltsgenehmigung „Golden Visa“ ein, die nach dem Kauf einer Wohnung im Wert von mindestens einer halben Millionen Euro gewährt wird. Eines unterscheidet diese Regelung allerdings vom ungarischen Konstrukt. Vermittlungsgebühren und Agenturen in Steueroasen sind dort nicht involviert.

Links: