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Rechte Gegendemo wurde aufgelöst

Gut zwei Wochen nach dem Putschversuch in der Türkei haben Zehntausende überwiegend Deutschtürken im deutschen Köln für Präsident Recep Tayyip Erdogan und ihr Herkunftsland demonstriert. Es gab Gegendemonstrationen. Insgesamt 2.700 Polizeibeamte waren im Einsatz, auch Wasserwerfer standen bereit. Zu den befürchteten Ausschreitungen kam es nicht.

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Schätzungen zufolge nahmen trotz Regens bis zu 40.000 Menschen an der Kundgebung teil. „Das Gelände war mehr als ausgelastet“, sagte eine Polizeisprecherin. Thema der türkischen Kundgebung war der vereitelte Militärputsch in der Türkei Mitte Juli. Der Kundgebungsplatz glich einem roten Meer aus türkischen Flaggen. Mit einer Schweigeminute gedachten die Teilnehmer der Opfer des gescheiterten Militärputsches in der Türkei sowie der Opfer der jüngsten Terroranschläge in Frankreich, Deutschland und der Türkei.

Botschaft Erdogans verlesen

Gegen Ende der Kundgebung wurde eine Botschaft Erdogans verlesen, nachdem zuvor die Einspielung eines Interviews aus der Türkei laut Polizei abgeschaltet werden musste. Darin lobte Erdogan, dass sich die türkische Bevölkerung den Putschisten entgegengestellt habe. Er dankte auch den türkischen Bürgern, die in Deutschland auf die Straße gegangen seien. „Heute ist die Türkei stärker, als sie je vor dem 15. Juli gewesen ist“, hieß es in der Botschaft.

Anhänger des türkischen Staatspräsidenten Erdogan demonstrieren in Köln

APA/AP/Martin Meissner

Bis zu 40.000 Menschen gingen am Sonntag für die Türkei in Köln auf die Straße

Bei der Kundgebung sprach laut Polizei auch der stellvertretende Vorsitzende des türkischen Regierungspartei AKP. An der Bühne auf dem Veranstaltungsgelände im rechtsrheinischen Stadtteil Deutz hing auch ein Foto von Kemal Atatürk, dem Gründer der modernen, säkularen Türkei. Die Kundgebung wurde maßgeblich von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) organisiert, die der türkischen Regierungspartei AKP nahesteht.

Direkte Videoschaltung untersagt

Eigentlich hatten die Veranstalter geplant, Erdogan auf einer Großleinwand live zuzuschalten - das war angesichts der aufgeheizten Stimmung aber im Vorfeld verboten worden. Der türkische Sportminister Akif Cagatay Kilic kritisierte dieses Verbot in seiner Rede in Köln. Man sei mit mehreren Ministerien in Deutschland im Gespräch und erwarte eine „vernünftige Erklärung, warum das verweigert wurde“, so Kilic.

Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin bezeichnete das Übertragungsverbot nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu in Ankara als „inakzeptablen Zustand“. Es sei auch nicht akzeptabel, dass die deutschen Behörden Demonstrationen der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) zuließen, eine „Demokratie-Veranstaltung“ gegen den Putschversuch mit dem Hinweis auf die Sicherheitslage jedoch beargwöhnten und zu verhindern versuchten, sagte Kalin.

Polizei mit Verlauf zufrieden

Der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies zeigte sich am Abend zufrieden. Der Einsatz sei positiv verlaufen, so Mathies in einer ersten Bilanz. Die 30.000 bis 40.000 Teilnehmer hätten friedlich demonstriert. Dagegen habe bei der Gegendemonstration von Rechtsradikalen eine so aggressive Stimmung geherrscht, dass diese aufgelöst werden musste. Ein Großteil der über 300 Teilnehmer sei alkoholisiert gewesen, zudem habe die Polizei auch Quarzsandhandschuhe sichergestellt. Die anderen drei Gegendemonstrationen seien vollkommen problemlos verlaufen, sagte Mathies.

In der Kölner Innenstadt gab es vier Gegenveranstaltungen, zu denen insgesamt aber weit weniger Menschen kamen als erwartet. Angespannt war die Lage zwischenzeitlich am Kölner Hauptbahnhof, wo sich die Rechtsextremisten, darunter auch gewaltbereite Hooligans, versammelten. Ihnen standen rund 300 linksgerichtete Demonstranten gegenüber. Starke Polizeikräfte hielten die beiden Lager auf Abstand. Acht Wasserwerfer und gepanzerte Räumfahrzeuge standen bereit. Die Großkundgebung wurde laut Polizei um kurz nach 18.00 Uhr beendet.

Emotionale Debatte im Vorfeld

Seit dem Putschversuch am 15. und 16. Juli läuft in der Türkei eine Säuberungswelle im Militär und bei der Polizei, in den Medien, in der Justiz und im Bildungsbereich. Knapp 18.700 Menschen wurden in den vergangenen zwei Wochen festgenommen, gegen 10.137 von ihnen ergingen nach Angaben Erdogans Haftbefehle. Er macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen und dessen Anhänger in der Türkei für den Putschversuch verantwortlich.

Im Vorfeld der Großkundgebung hatte es eine sehr emotionale Debatte gegeben. Deutsche Politiker warnten vor einer Spaltung der in Deutschland lebenden Türken. Auch über ein Verbot der Demo war diskutiert worden. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag), innenpolitische Spannungen aus der Türkei nach Deutschland zu tragen und Menschen mit anderen politischen Überzeugungen einzuschüchtern, „das geht nicht“.

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