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Folgenreiche Sturmfronten

Sieben Millionen Menschen sterben weltweit jährlich an den Folgen von verschmutzter und schlechter Luft, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrem Bericht im Jahr 2014 festgestellt. Neben schädlichen Emissionen von Verkehr und Industrie tragen Sand- und Staubstürme einen Großteil zum ungesunden Luftgemisch bei.

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Besonders von Sand- und Staubstürmen betroffen ist der Nahe Osten. Vor allem im Iran, im Irak, Kuwait und in Teilen von Aserbaidschan wird ein signifikanter Anstieg von „Haboobs“ verzeichnet, Stürmen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 80 km/h, die Sand bis zu 900 Meter hoch aufwirbeln. „Diese Regionen erlebten in den vergangenen 15 Jahren eine deutliche Steigerung der Häufigkeit und der Intensität von Sand- und Staubstürmen“, berichtete Enric Terradellas, Meteorologe des regionalen Sturmzentrums der World Meteorology Organisation im Interview mit der BBC.

Bis zu 300 Sandstürme jährlich

Der Irak sei eine der Hauptquellen der Sand- und Staubstürme, sagte Terradellas. Von dort trägt der Wind große Mengen Sand und Staub aus ausgetrockneten Flussbetten in die umliegenden Länder. „Der Wettlauf beim Bau von Dämmen hat dazu geführt, dass im Irak und Iran viele Sumpfgebiete und Seen ausgetrocknet sind“, so Terradellas. Die Folge dieser Dürren ist dramatisch, denn bis zum Jahr 2026 werden allein im Irak bis zu 300 „Haboobs“ jährlich auftreten, prognostiziert das Umweltprogramm der Vereinten Nationen. Derzeit sind es rund 120 pro Jahr.

Ein Sandsturm zieht über Teheran

APA/AFP/Farhad Kabar Kohian

Bis zu 900 Meter hoch wirbeln die Stürme Sand und Staub durch die Städte

Parallel zum vermehrten Auftreten der „Haboobs“ hat sich auch das regionale Klima verändert. Weite Flächen der Region wurden in den letzten Jahrzehnten unfruchtbar und trocken, einerseits wegen der Erderwärmung, andererseits aufgrund landwirtschaftlicher Ausbeutung und Misswirtschaft beim Wasserhaushalt. Auch die Politik ist an der Übernutzung des Bodens nicht unschuldig. Die Streichung der Subventionen für Landwirtschaft durch die Assad-Regierung in Syrien – ebenfalls Hauptquelle für Sand und Staub – erhöhte den Druck auf die Bevölkerung, mehr anzupflanzen. Der staatlich geförderte und sehr wasserintensive Anbau von Baumwolle ließ wiederum den Grundwasserspiegel deutlich sinken.

Die Kriege im Irak und Syrien tragen ebenso zu den vielen „Haboobs“ bei. Unzählige Bomben und viele schwere Trucks und Panzer haben die kompakte oberste Erdschicht zerstört, die nun das Substrat für die Winderosion ist.

Sand und Staub als Krankheitsüberträger

Die Auswirkungen der Sand- und Staubstürme auf die menschliche Gesundheit sind erheblich und scheinen für die ansässige Bevölkerung unausweichlich. „Ein Sturm besteht aus einer gigantischen Menge von Feinstaub. Beim Atmen gelangen diese Partikel in die Lungen und verursachen Erkrankungen der Atemwege, des Herzens und so weiter“, erklärte Diarmid Campbell-Lendrum, Gesundheits- und Klimawechselexperte der WHO, gegenüber der BBC.

Iraner klagen immer öfter über hartnäckigen Husten und Probleme beim Atmen. Wenn die Sandstürme kommen, ließen Familien ihre Kinder nicht mehr draußen spielen, erzählt ein Universitätslektor aus dem Südosten des Landes. Vonseiten des iranischen Gesundheitsministeriums heißt es, dass fast die Hälfte der 31 Provinzen - inklusive der Hauptstadt Teheran - allein im Iran von den gesundheitlichen Folgen der Sandstürme betroffen seien.

Zwei Frauen und ein Kind kämpfen sich durch einen Sandsturm

APA/AFP/Haidar Mohammed Ali

Die gesundheitlichen Folgen der Sandstürme sind erheblich

Nun steht die Region vor dem Problem, dass Stürme auch Krankheiten übertragen können. In Afrika entdeckten Forscher einen Zusammenhang von Stürmen aus der Sahara-Wüste und Meningitis-Ausbrüchen. Die tödlichen Meningitis-Sporen werden durch Afrika geweht und vom Wind verbreitet. Die Gehirnhautentzündung trat Wissenschaftlern zufolge immer kurz nach Sandstürmen und extrem hohen Temperaturen auf.

Klimawandel ist unaufhaltbar

Ungewöhnlich hohe Temperaturen werden Prognosen zufolge im Nahen Osten bald zum Alltag gehören. Forscher des Max Planck Instituts veröffentlichten eine Studie, der zufolge der Klimawandel im Nahen Osten kaum noch aufzuhalten ist. „Das Klima in weiten Gebieten des Nahen Ostens könnte sich dermaßen verschlechtern, dass die Existenz von Bewohnern dieser Zonen in Gefahr ist“, sagte Jos Lelieveld, Direktor des Max Planck Instituts für Chemie. Die Wissenschaftler berechneten, dass die Temperaturen in der Region binnen der nächsten 40 Jahre in den Hitzeperioden nachts nicht mehr unter 30 Grad fallen werden. Tagsüber soll es bis zu 46 Grad heiß werden.

Kriegsauslöser Klimamigration?

„Die Klimabedingungen werden die Lebensumstände in Nahost signifikant verschlechtern. Lange Hitzewellen und Wüstenstürme werden Gegenden unbewohnbar machen“, erklärte Klimaexperte Panos Hadjinicolaou die Ergebnisse. Die Anzahl an Klimaflüchtlingen, zusätzlich zu den Kriegsflüchtlingen, würde sich dadurch drastisch erhöhen.

Eine umstrittene Studie US-amerikanischer Klimaforscher legte die Vermutung nahe, dass der Klimawandel in Nahost und die damit einhergehenden Flüchtlingsströme sogar eine Ursache für den Bürgerkrieg in Syrien war. Durch den Einbruch der Landwirtschaft sei der Druck auf die arme Bevölkerung immer gestiegen, was ein Grund für die Unruhen gewesen sein soll. Eine neue Studie des Potsdam-Instituts für Klimaforschung belegt nun die Theorie, dass Naturkatastrophen wie Dürren und Sandstürme das Kriegsrisiko in den betroffenen Regionen erhöhen.

Sand und Staub bis Japan

Zusätzlich zum Nahen Osten stellten Meteorologen fest, dass Sand- und Staubstürme nun auch in Regionen auftreten, die bisher nicht betroffen waren. So werden manche Teile von Zentralasien, wie die Mongolei und Kasachstan, von den „Haboobs“ heimgesucht. Von dort aus trägt der Wind den Staub und Sand bis China, die koreanische Halbinsel und Japan, wo er in Verbindung mit dem Smog ebenfalls massive Gesundheitsprobleme verursacht.

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