„Mögliche ruchlose Aktivitäten“
Wer in die USA reisen will, der muss - via beantragtes Visum oder „Visa Waiver“-Programm mit seinen ESTA-Onlinefragen - schon jetzt viele Fragen beantworten: nach Krankheiten, Kriegsverbrechen und entführten Kindern. Bald könnten auch solche nach Facebook-Profilen und Twitter-Accounts dazukommen. Ein entsprechender Antrag der US-Einreisebehörde liegt bereits zur Genehmigung in Washington.
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Der Antrag wurde letzte Woche still und heimlich eingebracht, auch US-Medien entdeckten ihn jetzt erst. Information nach außen war nicht verpflichtend: Gemäß US-Recht handelt es sich nur um den Wunsch der im US-Heimatschutzministerium beheimateten US Customs and Border Protection (CBP) nach einer Anpassung ihrer Formulare, der lediglich dem Office of Management and Budget (OMB) - vergleichbar mit dem Kanzleramt in Österreich - vorgelegt werden muss.
„Bitte geben Sie Informationen an“
Genehmigt das OMB den Wunsch der Behörde - für die Entscheidung hat es 60 Tage ab Antrag und damit bis 22. August Zeit -, sollen alle Einreiseformulare auf Papier und im Internet um den Punkt erweitert werden: „Please enter information associated with your online presence — Provider/Platform — Social media identifier.“ („Bitte geben Sie Informationen in Zusammenhang mit Ihrer Onlinepräsenz - Provider/Plattform - Identifikatoren Sozialer Medien - an.“)

APA/AFP/Mladen Antonov
US-Einreiseformalitäten, hier im Flughafen von Atlanta
Der Wunsch nach Angaben zur „Onlinepräsenz“ soll nach der Vorstellung der Behörde in den Teil mit den freiwillig zu beantwortenden Fragen eingegliedert werden, in dem jetzt etwa nach dem genauen Reiseziel gefragt wird. Wer die entsprechenden Felder frei lässt, riskiert allerdings auch jetzt schon nur umso mehr Fragen. Schon bisher gibt es die freiwillige Möglichkeit, die eigene Telefonnummer und E-Mail-Adresse anzugeben, was auch dem schnelleren Kontakt zur Einreisebehörde dient.
„Zusätzliches Rüstzeug“ gegen Terrorgefahr?
Die Möglichkeit, auf unbürokratischem Weg mit dem Antragsteller in Kontakt treten zu können, nennt die Behörde auch als einen Grund für die gewünschten Angaben - das „Sammeln von Social-Media-Daten“ eingestandermaßen als den anderen. Dadurch bekomme das Heimatschutzministerium erweiterte Ermittlungsgrundlagen und „zusätzliches Rüstzeug“ zur Analyse und Untersuchung „möglicher ruchloser Aktivitäten und Verbindungen“, heißt es in dem Antrag.
Der Datenhunger des Heimatschutzministeriums wird vor allem seit den Attentaten von San Bernardino am 2. Dezember 2015 wieder größer: Das islamistische Ehepaar, das damals 14 Menschen tötete und 22 schwer verletzte, hatte sich zuvor im Netz freimütig zu seiner Gesinnung bekannt. Dass die Behörden mit freiwilligen Angaben auf Einreiseformularen nun entschlossene Terroristen vor ihrem Grenzübertritt in die USA abfangen können, glauben sie allerdings selbst nicht.
Wichtig ist, was nicht darin steht
Es düfte der Behörde vor allem darum gehen, was - fälschlicherweise - nicht angegeben wird: Wie schon jetzt bei Angaben, die bei Reisenden manchmal für Staunen oder Erheiterung sorgen („Waren Sie jemals oder sind Sie gegenwärtig an Spionage- oder Sabotageakten beteiligt?“), wären nachgewiesene Falschangaben ein ausreichender Grund, um jemanden ohne weitere nötige Verfahren des Landes zu verweisen.
Vergleichbare Normen existieren fast überall. In Österreich können etwa verwaltungsrechtliche Verstöße zum Ende des Aufenthaltsrechts führen. Bei den USA kommt dazu, dass es dort kein Melderecht gibt - was etwa auch der Grund für den halblegalen Status Millionen „illegaler“ Immigranten ist, die zum Teil schon Jahrzehnte in den USA leben und Steuern zahlen. In anderen Worten: Stellen die USA die Fragen nicht bei der Einreise, können sie sie später so gar nicht mehr stellen.
Ein Nullsummenspiel
Dass die US-Behörden nun Katzenfotos, geteilte Links, Animated GIFs, Urlaubsimpressionen und anderes mehr von jährlich rund 23 Mio. ESTA-Antragstellern durchklicken, ist nicht zu erwarten. Das stellen schon die bürokratischen Angaben der Behörde zum erwarteten Mehraufwand bei der Bearbeitung der Formulare klar. Die Zeit, die die Behörden den Social-Media-Angaben widmen wollen, beträgt laut der Schätzung der CBP, exakt in Minuten gerechnet: null.
Lukas Zimmer, ORF.at
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