Junge fürchten um ihre Zukunft
Während sich die „Brexit“-Befürworter über ihren „Sieg der britischen Demokratie gegen den bürokratischen Giganten EU“ freuen, herrschen bei den EU-Befürwortern Schock und Panik. Immerhin sprachen sich 48 Prozent und über 16 Millionen Briten für einen Verbleib Großbritanniens in der EU aus.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Nicht umsonst beeilte sich der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan zu betonen, dass die über eine Million Europäer, die in London leben, in der britischen Hauptstadt „sehr willkommen“ seien. Doch die Spaltung des Landes zeigt sich deutlich. Vor allem Jüngere reagierten schockiert über das Ergebnis und sehen sich nicht repräsentiert. Viele machen ihrer Wut in den Sozialen Medien Luft etwa auf Twitter unter den Hashtags #whathavewedone (Was haben wir getan?) und #notinmyname (Nicht in meinem Namen).
Viele fürchten um ihre eigene Zukunft oder die ihrer Kinder, wenn Großbritannien aus der EU ausscheidet. „Viel Glück für alle von uns - vor allem für die, die eine Zukunft mit unseren Kindern aufbauen wollen“, sagte etwa eine Pendlerin in London gegenüber AP. Die „Remain“-Befürworter sind vor allem in London und Schottland zu finden.
„Fantasie einer Souveränität“
Die Anti-Establishment-Wähler für den „Brexit“ verteilen sich über das restliche England. Die EU-Befürworter sehen die Vorstellung der „Brexit“-Anhänger als „Fantasie einer Souveränität“ in einer miteinander verbundenen Welt, die die Vorteile der EU ignoriere. Nigel Farage, Chef der EU-feindlichen UKIP, hatte von einem „Unabhängigkeitstag“ für Großbritannien gesprochen.
Die junge Generation kann das nicht nachvollziehen. Besonders groß ist auch die Frustration unter den 16- und 17-Jährigen, die noch nicht wählen durften. Eine Initiative von Labour, den Liberaldemokraten und der SNP aus dem vergangenen Jahr, das Wahlalter zu senken, wurde von der Regierung abgewiesen.
Demonstrationen gegen „Brexit“
Laut einem CNN-Bericht wurde der ehemalige Londoner Bürgermeister und führende „Brexit“-Befürworter, Boris Johnson, von einer buhenden Menschenmenge begrüßt, als er nach dem „Brexit“-Votum sein Haus verließ. Auch in der Londoner Downing Street protestierte eine Gruppe junger Menschen gegen den EU-Austritt. Sie fühlten sich um ihre Zukunft „beraubt“. Im schottischen Edinburgh und Glasgow gingen Hunderte auf die Straße, um gegen das Ergebnis des Referendums zu demonstrieren. 62 Prozent der Schotten stimmten gegen einen „Brexit“.

APA/AFP/Geoff Caddick
Proeuropäische Kundgebungen in London am Tag nach dem „Brexit“-Referendum
Ansturm auf Petition für zweites Referendum
Insbesondere in London herrscht Verwunderung über den Ausgang des Referendums. Viele waren davon ausgegangen, dass es ohnehin gegen „Brexit“ ausgehen werde und sind daher offenbar gar nicht mehr zur Abstimmung gegangen. „Die haben mir gestern meine Zukunft geklaut“, sagte ein junger Brite gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“) und meinte damit die Älteren. Ein 76-Jähriger widersprach ihm: „Nein, nein, nein. Wir haben Ihnen eine Zukunft gegeben.“ Die Jungen würden noch dankbar sein.
Eine Petition, die ein zweites EU-Referendum einfordert, wurde bis Samstagnachmittag von über 1,6 Mio. Menschen unterschrieben - ein Vielfaches mehr als notwendig ist, um im Parlament behandelt zu werden. Die Website des House of Commons, die das Dokument hostet, brach aufgrund der Anfragen kurzzeitig zusammen. Eine weitere Petition fordert den Londoner Bürgermeister Khan wiederum auf, die Hauptstadt für unabhängig zu erklären und der EU beizutreten. Diese Petition wurde bis Samstagnachmittag von rund 140.000 Menschen unterzeichnet.
Links: