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Britisches Beispiel soll Schule machen

Eine Woche vor dem „Brexit“-Referendum haben rechtspopulistische Parteien bei einem Treffen in Wien ähnliche Volksabstimmungen in anderen EU-Staaten gefordert. „Ich möchte, dass alle Länder gefragt werden in Bezug auf ihre Beziehung zur Europäischen Union“, sagte die Chefin der französischen Front National (FN), Marine Le Pen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sagte, er wolle durch Reformen einen „Selbstmord“ der EU verhindern.

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Strache wertete das Treffen als Beweis dafür, dass die Kooperation von „patriotischen“ Parteien in Europa allen Unkenrufen zum Trotz funktioniere. „Patrioten aller europäischen Länder, vereinigt euch“, sagte Strache vor einer Vielzahl in- und ausländischer Journalisten im FPÖ-Parlamentsklub.

„Mehr Austrittsgründe für Frankreich“

„Ich glaube, dass die meisten Franzosen gegen die Europäische Union sind, weil sie das im Jahr 2005 schon waren“, sagte Le Pen mit Blick auf das gescheiterte französische Referendum über die EU-Verfassung. In den elf Jahren seitdem sei der Anteil der EU-Gegner wohl noch gestiegen, weil die Aktivitäten der EU „immer schlimmer“ geworden seien, sagte die FN-Chefin bei einer Pressekonferenz mit Strache und Vertretern von vier anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa.

Le Pen sagte, dass ein EU-Austritt Großbritanniens vielleicht der Beginn eines Europas „a la carte“ sein könnte. Die Briten dürften nicht für ein Austrittsvotum bestraft werden, sagte sie. Mit Blick auf die Tatsache, dass Großbritannien schon jetzt nicht Teil Schengens und des Euro-Raums sei, meinte sie: „Frankreich hätte vielleicht fünfmal so viel Grund, die Europäische Union zu verlassen, wie die Engländer.“

„Neuer Wind weht auf unserem Kontinent“

Le Pen sprach von einer „haarsträubenden Vision“, dass bei Problemen in Europa immer nach mehr Integration gerufen werde. „Es geht darum zu sehen, dass die Europäische Union ein Fehler ist.“ Schließlich hätten zwischenstaatliche Kooperationen in Europa die besten Ergebnisse gezeitigt.

Pressekonferenz "Patriotischer Frühling"

APA/AFP/Vladimir Simicek

Großer Medienandrang bei der Pressekonferenz

Mit Blick auf den Aufschwung europakritischer und -feindlicher Bewegungen in jüngster Zeit meinte Le Pen: „Ein neuer Wind weht auf unserem Kontinent. Wir können Hoffnung schöpfen, die wir bereits vergessen haben.“ Sie verwies auf das „Brexit“-Referendum, die guten Wahlergebnisse der FN, vor allem aber auf das Ergebnis des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer bei der Bundespräsidentschaftswahl.

Strache für Veränderung von innen

Strache sagte, dass die „patriotischen Parteien“ die EU von innen verändern wollten. Zwar hätten die teilnehmenden Parteien „unterschiedliche Zugänge“ in einzelnen Politikbereichen, aber „es gibt Dinge, auf die wir uns verständigen und einigen“.

An erster Stelle nannte der FPÖ-Chef die direkte Demokratie „mit dem Ziel, dass direktdemokratische Entscheidungen über dem Unionsrecht stehen sollen“. Außerdem solle es mehr Einfluss der nationalen Parlamente durch eine „Rückverlagerung der Kompetenzen“ geben sowie eine „Absicherung der kulturellen Pluralität auf unserem Kontinent“. Den Parteien schwebe ein „Europa der Vaterländer“ vor, „wie es vom großen Europäer Charles de Gaulle (ehem. französischer Präsident, Anm.) erdacht wurde“.

Für „patriotischen Frühling“

„Wir erleben, dass wir gegen Wände rennen“, kritisierte Strache die EU-Kommission. Diese müsse die Völker einbinden. „Das, was an Politik gelebt wird, grenzt an Suizid. Man soll bei einem Selbstmord nicht zusehen, dann macht man sich mitschuldig“, sagte Strache.

Außerdem wolle man sich angesichts der „modernen Völkerwanderung“ für eine „Allianz für Sicherheit, Wohlstand und Frieden“ in Europa einsetzen sowie eine „Kurskorrektur“ in der Euro-Krise, wo Griechenland ein „Fass ohne Boden“ sei. Auf diese Weise solle aus dem „tiefen Winter in der Europäischen Union“ ein „patriotischer Frühling“ werden, so Strache.

„Wir lieben Europa“

Zum „Brexit“-Referendum meinte Strache: „Die Briten selbst entscheiden, welchen Weg sie in Zukunft gehen wollen. Da mischen wir uns nicht ein.“ Es gebe aber einen „Unmut unter den Völkern Europas“. „Die Menschen wollen ein anderes, ein gerechteres, ein neues Europamodell“. Strache widersprach zugleich Vorwürfen, die rechtspopulistischen Parteien seien auf eine Zerstörung Europas aus. „Wir sind nicht europafeindlich, im Gegenteil. Wir lieben Europa, wir wissen, dass Europa eine gute Entwicklung braucht. Aber wir haben andere Vorstellungen als die europäischen Unionsvertreter.“

AfD sympathisiert mit „Brexit“

Marcus Pretzell von der Alternative für Deutschland (AfD) sagte, dass das „Establishment“ der EU das „Brexit“-Referendum am Donnerstag „zu Recht als Gefahr“ begreife. „Wenn Großbritannien tatsächlich austreten sollte, dann wird man möglicherweise feststellen, dass entgegen allen Unkenrufen es ein Leben nach der Europäischen Union geben kann“, sagte er mit Blick auf Länder wie Norwegen und die Schweiz.

Pretzell hofft auf eine epochale Wirkung des Rechtspopulisten-Treffens. „Es hat schon einmal eine Neuordnung Europas in Wien stattgefunden. Ich hoffe, dass wir erfolgreicher sind und die alten Fehler nicht wiederholen“, meinte Pretzell mit Blick auf den Wiener Kongress vor 200 Jahren.

Lega Nord und Vlaams Belang dabei

Neben Strache, Le Pen und Pretzell nahmen an der Pressekonferenz auch Politiker aus Großbritannien, Italien, Rumänien, Belgien und Tschechien teil. Nach Wien gekommen sind die Britin Janice Atkinson (ehemals UKIP), der Italiener Lorenzo Fontana (Lega Nord), der Rumäne Laurentiu Rebega (ehemals Konservative), der Flame Gerolf Annemans (Vlaams Belang), allesamt Europaabgeordnete, sowie der Chef der tschechischen Partei Freiheit und Direkte Demokratie, Tomio Okamura.

FPÖ und FN hatten nach der Europawahl 2014 gemeinsam eine rechtspopulistische Fraktion im EU-Parlament gegründet. Neben der Lega Nord und dem Vlaams Belang gehören ihr auch die Partei für die Freiheit (PVV) des Niederländers Gert Wilders und der polnische Kongress der neuen Rechten an. 20 der 38 Abgeordneten kommen aus den Reihen von Le Pens Front National. Die rechtspopulistischen Politiker feierten am Nachmittag schließlich im Veranstaltungszentrum „Pyramide“ in Vösendorf (Niederösterreich) ihre Kooperation vor Hunderten Anhängern.

Grüne Kritik

Die Grünen übten Kritik an Le Pens Besuch. „Hier soll bewusst der falsche Eindruck erweckt werden, dass Le Pen ein Gast der Republik Österreich ist“, kritisiert der stellvertretende Klubobmann der Grünen, Albert Steinhauser.

„Der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer missbraucht seine Funktion, wenn er die rechtsextreme französische Politikerin Marine Le Pen – die keine Staatsfunktion hat – im Ministerratszimmer des Parlaments öffentlichkeitswirksam hofiert“, argumentierte Steinhauser in einer Aussendung. „Mit der Antieuropäerin und Nationalistin Le Pen würde die FPÖ Österreich in die totale Isolation führen. Während Le Pen in Frankreich und europaweit geächtet wird, rollt ihr Hofer als Dritter Nationalratspräsident den roten Teppich aus.“ Das sei blamabel für Österreich.

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