Bange zehn Tage in Österreich
Der Zerfall Jugoslawiens im Sommer 1991 hatte auch handfeste Konsequenzen für Österreich. So bescherten die Kämpfe zwischen jugoslawischen und slowenischen Truppen an den Grenzübergängen zu Österreich dem Bundesheer die erste Bewährungsprobe, während die rot-schwarze Regierungskoalition ein halbes Jahr lang über die Sinnhaftigkeit einer raschen Anerkennung Sloweniens und Kroatiens stritt.
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Schon wenige Stunden nach der slowenischen Unabhängigkeitserklärung am 25. Juni 1991 spielten sich an der Grenze zur Steiermark und zu Kärnten dramatische Szenen ab. Ein Luftangriff auf einen Lkw-Konvoi beim Grenzübergang Spielfeld, der zerschossene Kirchturm von Gornja Radgona (Oberradkersburg) und heftige Gefechte mit zwei Toten am Grenzübergang Bleiburg versetzten die einheimische Bevölkerung in Schrecken. Laut dem damaligen steirischen Landeshauptmann Josef Krainer (ÖVP) forderten Bürger in „heftigen Protesten“ einen Grenzeinsatz des Bundesheeres.
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Krieg erreicht die Grenze
Im Juni 1991 erreicht die Auseinandersetzung um die Zukunft Jugoslawiens auch die Grenze zu Österreich. Der Luftraum wird verletzt, Österreich schickt Draken in die Luft und Panzer auf dem Boden.
Der damalige Verteidigungsminister Werner Fasslabend (ÖVP) reagierte umgehend und ordnete am 27. Juni einen Sicherungseinsatz an der kärntnerischen und steirischen Grenze an. In den nächsten Wochen wurden insgesamt 7.500 Soldaten in die Region verlegt.
![© picturedesk.com/Klaus Titzer Das österreichische Bundesheer sichert den Grenzübergang Spielfeld, 1991](../../../static/images/site/news/20160625/ende_jugoslawien_25_jahre_body_spielfeld_grenze_2_p.4695760.jpg)
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Rascher Grenzeinsatz des Bundesheeres im Juni 1991
„Nicht nur zum Schneeschaufeln da“
Erstmals seit seiner Gründung im Jahr 1955 konnte sich das Bundesheer in der Kernkompetenz Landesverteidigung beweisen. „Wir konnten endlich zeigen, dass das Bundesheer nicht nur zum Schneeschaufeln da ist“, erinnerte sich Oberst Robert Brieger nun. Er war damals Mitglied des für die Einsatzplanung zuständigen Generalstabs in Wien.
Die Regierung setzte bewusst Präsenzdiener ein, um eine Teilmobilisierung von Milizsoldaten zu vermeiden. Das wäre international als „Eskalierungsschritt“ angesehen worden, erläutert Brieger. Auch Verteidigungsminister Fasslabend betonte damals, dass tunlichst jeder Schritt vermieden werden sollte, der von jugoslawischer Seite als Provokation hätte aufgefasst werden können.
Gezielter Angriff schien ausgeschlossen
Laut Brieger war ein gezielter Angriff Jugoslawiens auf Österreich „ausgeschlossen“, weil die dafür erforderlichen umfassenden Vorbereitungen dem Wiener Militärgeheimdienst sicher nicht verborgen geblieben wären. „Unser schlimmstes Szenario war ein Übergreifen der Kampfhandlungen auf österreichisches Gebiet, wenn etwa die Jugoslawen eine slowenische Kaserne von Österreich aus hätten einnehmen wollen“, erklärt Brieger.
![© picturedesk.com/Klaus Titzer Das österreichische Bundesheer sichert den Grenzübergang Spielfeld, 1991](../../../static/images/site/news/20160625/ende_jugoslawien_25_jahre_body_spielfeld_grenze_p.4695761.jpg)
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Spielfeld als Hotspot der Auseinandersetzungen. Bundesheerpanzer sichert die Grenze.
Tatsächlich gab es zehn Luftraumverletzungen, wobei am 28. Juni 1991 eine jugoslawische MIG-21 Graz überflog. Am 31. Juli wurden die letzten österreichischen Soldaten von der Grenze abgezogen, nachdem sich die Lage in Slowenien bereits Mitte des Monats beruhigt hatte.
Heftige innenpolitische Debatten
Voll entbrannt war zu diesem Zeitpunkt der innenpolitische Streit über die Anerkennung der beiden jungen Republiken. Während ÖVP-Vizekanzler Erhard Busek bereits am 3. Juli die Anerkennung als „Form der Hilfe“ vor dem Hintergrund der jugoslawischen Aggression vorgeschlagen hatte, schloss Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) einen Alleingang Österreichs kategorisch aus.
Die ÖVP drängte weiterhin auf eine Anerkennung „so bald wie möglich“, und Außenminister Alois Mock brachte am 3. September eine entsprechende Vorlage im Ministerrat ein, die jedoch zurückgestellt wurde. Auch FPÖ und Grüne forderten im Parlament erfolglos eine rasche Anerkennung Sloweniens und Kroatiens.
Während Mock beim damaligen EG-Ratsvorsitzenden Hans van den Broek „mit Nachdruck“ auf eine Anerkennung Sloweniens und Kroatiens drängte, bezeichnete Vranitzky in dieser Frage weiter einen Alleingang Österreichs als „außenpolitisches Abenteuer“. Nachdem aber die Europäische Gemeinschaft am 17. Dezember überraschend die baldige Anerkennung Sloweniens und Kroatiens beschloss, kam es in Wien zum offenen Streit.
Waldheim mahnt die Koalition
Außenminister Mock kündigte nämlich an, dass sich Österreich dem Schritt der EG, der am 15. Jänner 1992 umgesetzt werden sollte, anschließen werde. Vranitzky dementierte umgehend, woraufhin Vizekanzler Busek in harschen Worten „Schluss mit der sinnlosen Verzögerungstaktik“ forderte. Das rief sogar Bundespräsident Kurt Waldheim auf den Plan, der die Koalitionspartner zu einer einheitlichen Haltung aufrief.
Während von der Opposition Häme und Kritik (FPÖ: „jämmerlich und blamabel“, Grüne: „Schlingerkurs“) kam, blieb das Koalitionsklima gespannt. Bei der Ministerratssitzung am 14. Jänner zogen die ÖVP-Regierungspolitiker sogar kurzfristig aus, weil sich die SPÖ gegen die Anerkennung von Slowenien und Kroatien wehrte.
Nachdem am 15. Jänner feststand, dass die EG diesen Schritt setzen werde, beschloss auch Österreich in einem Sonderministerrat die Anerkennung der beiden Republiken als souveräne Staaten.
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